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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde
des Charakters als des Standes verrathend. Wild
und originell ist die Landschaft, oben aus dunkeln
Wolken lauschen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies
Gemälde hat der Besitzer, wie er mir sagte, mit
2500 L. St. bezahlt.

Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal-
men, so leicht und durchsichtig, fast ganz aus Glas
bestehend, daß es einem Eispalaste glich. Häßlich
finde ich dagegen eine sehr überhand nehmende Lieb-
haberei für alte verkrüppelte Baumstämme, die
man vielfach im geschornen Rasen eingräbt, und
theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver-
borgnen Blumentöpfen bestellt. Ganze Ruinen die-
ser Art werden gebildet, welches nebst manchem An-
dern den sinkenden guten Geschmack für Gärten in
England verräth.

Für mich ist das Leben auf dem Lande hier in ge-
wisser Hinsicht zu gesellig. Wer z. B. lesen will,
geht in die Bibliothek, wo er selten allein ist, und
wer Briefe zu besorgen hat, schreibt sie an einem
allgemeinen großen Sekretair eben so öffentlich, wor-
auf sie in ein durchbrochenes Kästchen gesteckt wer-
den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Post trägt.
Daß man alles dies allein und auf seiner Stube thut,
ist eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht
recht gern gesehen. So frühstückte auch mancher
Fremde wohl lieber auf seiner Stube, wozu aber nicht
zu gelangen ist, wenn man sich nicht durch Krankheit
entschuldigen kann.

der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde
des Charakters als des Standes verrathend. Wild
und originell iſt die Landſchaft, oben aus dunkeln
Wolken lauſchen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies
Gemälde hat der Beſitzer, wie er mir ſagte, mit
2500 L. St. bezahlt.

Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal-
men, ſo leicht und durchſichtig, faſt ganz aus Glas
beſtehend, daß es einem Eispalaſte glich. Häßlich
finde ich dagegen eine ſehr überhand nehmende Lieb-
haberei für alte verkrüppelte Baumſtämme, die
man vielfach im geſchornen Raſen eingräbt, und
theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver-
borgnen Blumentöpfen beſtellt. Ganze Ruinen die-
ſer Art werden gebildet, welches nebſt manchem An-
dern den ſinkenden guten Geſchmack für Gärten in
England verräth.

Für mich iſt das Leben auf dem Lande hier in ge-
wiſſer Hinſicht zu geſellig. Wer z. B. leſen will,
geht in die Bibliothek, wo er ſelten allein iſt, und
wer Briefe zu beſorgen hat, ſchreibt ſie an einem
allgemeinen großen Sekretair eben ſo öffentlich, wor-
auf ſie in ein durchbrochenes Käſtchen geſteckt wer-
den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Poſt trägt.
Daß man alles dies allein und auf ſeiner Stube thut,
iſt eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht
recht gern geſehen. So frühſtückte auch mancher
Fremde wohl lieber auf ſeiner Stube, wozu aber nicht
zu gelangen iſt, wenn man ſich nicht durch Krankheit
entſchuldigen kann.

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[351/0369] der vollen Kraft des mittlern Alters, mehr Würde des Charakters als des Standes verrathend. Wild und originell iſt die Landſchaft, oben aus dunkeln Wolken lauſchen liebreizende Engelsköpfe hervor. Dies Gemälde hat der Beſitzer, wie er mir ſagte, mit 2500 L. St. bezahlt. Im Garten gefiel mir ein Gewächshaus für Pal- men, ſo leicht und durchſichtig, faſt ganz aus Glas beſtehend, daß es einem Eispalaſte glich. Häßlich finde ich dagegen eine ſehr überhand nehmende Lieb- haberei für alte verkrüppelte Baumſtämme, die man vielfach im geſchornen Raſen eingräbt, und theils mit Climatis beranken läßt, theils mit ver- borgnen Blumentöpfen beſtellt. Ganze Ruinen die- ſer Art werden gebildet, welches nebſt manchem An- dern den ſinkenden guten Geſchmack für Gärten in England verräth. Für mich iſt das Leben auf dem Lande hier in ge- wiſſer Hinſicht zu geſellig. Wer z. B. leſen will, geht in die Bibliothek, wo er ſelten allein iſt, und wer Briefe zu beſorgen hat, ſchreibt ſie an einem allgemeinen großen Sekretair eben ſo öffentlich, wor- auf ſie in ein durchbrochenes Käſtchen geſteckt wer- den, das ein Bedienter jeden Morgen zur Poſt trägt. Daß man alles dies allein und auf ſeiner Stube thut, iſt eben nicht üblich, befremdet daher, und wird nicht recht gern geſehen. So frühſtückte auch mancher Fremde wohl lieber auf ſeiner Stube, wozu aber nicht zu gelangen iſt, wenn man ſich nicht durch Krankheit entſchuldigen kann.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/369>, abgerufen am 22.05.2024.