Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

wegzunehmen. Später werde ich ja selbst kommen,
und die Spreu vom Weitzen sondern.



Don Miguel von Portugal ist hier angekommen,
und ich ward ihm heute früh vorgestellt. Nur das
Corps diplomatique und einige wenige Fremde wa-
ren zugegen. Der junge Prinz ist nicht übel, sieht
sogar Napoleon ähnlich, war aber etwas embarras-
sirter in seinem Benehmen. Er trug sieben Sterne
und gleichfalls sieben große Ordensbänder über den
Rock. Seine Gesichtsfarbe glich der Olive seines Va-
terlandes, und der Ausdruck seiner Physiognomie
war mehr melancholisch als heiter.



Meinen besten Wunsch zum heutigen Tage, und
den herzlichsten Kuß zum Anfang desselben. Viel-
leicht ist dies das gute Jahr, welches wir, wie die
Juden den rechten Messias, schon so lange vergebens
erwarten. Die Eröffnung desselben ward wenigstens
von mir sehr heiter verlebt. Wir hatten den gestri-
gen Tag bei Sir L. M., der fünf bis sechs sehr
hübsche Weiber und Mädchen eingeladen hatte, zu-
gebracht, und gegen Mitternacht dem neuen Jahr

wegzunehmen. Später werde ich ja ſelbſt kommen,
und die Spreu vom Weitzen ſondern.



Don Miguel von Portugal iſt hier angekommen,
und ich ward ihm heute früh vorgeſtellt. Nur das
Corps diplomatique und einige wenige Fremde wa-
ren zugegen. Der junge Prinz iſt nicht übel, ſieht
ſogar Napoleon ähnlich, war aber etwas embarraſ-
ſirter in ſeinem Benehmen. Er trug ſieben Sterne
und gleichfalls ſieben große Ordensbänder über den
Rock. Seine Geſichtsfarbe glich der Olive ſeines Va-
terlandes, und der Ausdruck ſeiner Phyſiognomie
war mehr melancholiſch als heiter.



Meinen beſten Wunſch zum heutigen Tage, und
den herzlichſten Kuß zum Anfang desſelben. Viel-
leicht iſt dies das gute Jahr, welches wir, wie die
Juden den rechten Meſſias, ſchon ſo lange vergebens
erwarten. Die Eröffnung desſelben ward wenigſtens
von mir ſehr heiter verlebt. Wir hatten den geſtri-
gen Tag bei Sir L. M., der fünf bis ſechs ſehr
hübſche Weiber und Mädchen eingeladen hatte, zu-
gebracht, und gegen Mitternacht dem neuen Jahr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="292"/>
wegzunehmen. Später werde ich ja &#x017F;elb&#x017F;t kommen,<lb/>
und die Spreu vom Weitzen &#x017F;ondern.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 31&#x017F;ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Don Miguel von Portugal i&#x017F;t hier angekommen,<lb/>
und ich ward ihm heute früh vorge&#x017F;tellt. Nur das<lb/><hi rendition="#aq">Corps diplomatique</hi> und einige wenige Fremde wa-<lb/>
ren zugegen. Der junge Prinz i&#x017F;t nicht übel, &#x017F;ieht<lb/>
&#x017F;ogar Napoleon ähnlich, war aber etwas embarra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;irter in &#x017F;einem Benehmen. Er trug &#x017F;ieben Sterne<lb/>
und gleichfalls &#x017F;ieben große Ordensbänder über den<lb/>
Rock. Seine Ge&#x017F;ichtsfarbe glich der Olive &#x017F;eines Va-<lb/>
terlandes, und der Ausdruck &#x017F;einer Phy&#x017F;iognomie<lb/>
war mehr melancholi&#x017F;ch als heiter.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 1&#x017F;ten Ja&#x0364;nner 1828.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Meinen be&#x017F;ten Wun&#x017F;ch zum heutigen Tage, und<lb/>
den herzlich&#x017F;ten Kuß zum Anfang des&#x017F;elben. Viel-<lb/>
leicht i&#x017F;t dies das gute Jahr, welches wir, wie die<lb/>
Juden den rechten Me&#x017F;&#x017F;ias, &#x017F;chon &#x017F;o lange vergebens<lb/>
erwarten. Die Eröffnung des&#x017F;elben ward wenig&#x017F;tens<lb/>
von mir &#x017F;ehr heiter verlebt. Wir hatten den ge&#x017F;tri-<lb/>
gen Tag bei Sir L. M., der fünf bis &#x017F;echs &#x017F;ehr<lb/>
hüb&#x017F;che Weiber und Mädchen eingeladen hatte, zu-<lb/>
gebracht, und gegen Mitternacht dem neuen Jahr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0310] wegzunehmen. Später werde ich ja ſelbſt kommen, und die Spreu vom Weitzen ſondern. Den 31ſten. Don Miguel von Portugal iſt hier angekommen, und ich ward ihm heute früh vorgeſtellt. Nur das Corps diplomatique und einige wenige Fremde wa- ren zugegen. Der junge Prinz iſt nicht übel, ſieht ſogar Napoleon ähnlich, war aber etwas embarraſ- ſirter in ſeinem Benehmen. Er trug ſieben Sterne und gleichfalls ſieben große Ordensbänder über den Rock. Seine Geſichtsfarbe glich der Olive ſeines Va- terlandes, und der Ausdruck ſeiner Phyſiognomie war mehr melancholiſch als heiter. Den 1ſten Jaͤnner 1828. Meinen beſten Wunſch zum heutigen Tage, und den herzlichſten Kuß zum Anfang desſelben. Viel- leicht iſt dies das gute Jahr, welches wir, wie die Juden den rechten Meſſias, ſchon ſo lange vergebens erwarten. Die Eröffnung desſelben ward wenigſtens von mir ſehr heiter verlebt. Wir hatten den geſtri- gen Tag bei Sir L. M., der fünf bis ſechs ſehr hübſche Weiber und Mädchen eingeladen hatte, zu- gebracht, und gegen Mitternacht dem neuen Jahr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/310
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/310>, abgerufen am 24.11.2024.