angelangt, hat er seine gewöhnlichen Abenteuer, Duelle, Entführungen etc., die Reiter-Statue im Charing-Croß ladet ihn zum Thee ein, seine Gläubi- ger aber bringen ihn nach Kingsbench, aus dem eine reiche Heirath ihn zuletzt errettet, nach welcher er nun erst -- in einer bösen Frau endlich die genügende Strafe seiner Sünden findet, was die Hölle nicht ver- mochte. Madame Vestris ist als Don Juan der wun- derlieblichste und verführerischeste Jüngling, dem man es auch gleich anmerkt, daß es ihm nicht an Routine fehlt.
Das Stück amüsirte mich, und noch unterhaltender fand ich einen neuen Roman auf meinem Tische zu Hause, der (allerdings eine schon oft gebrauchte Idee) im Jahr 2200 spielt.
England ist darin wieder katholisch und eine abso- lute Monarchie geworden, und die allgemeine Bil- dung hat solche Fortschritte gemacht, daß Gelehrsam- keit Gemeingut der niedrigsten Klassen geworden ist. Jeder Handwerker arbeitet nur rationell, nach ma- thematischen und chemischen Prinzipien. Lakayen und Köchinnen, welche Namen, wie Abelard, Heloise etc. führen; sprechen mit dem Tone der Jenaer Litera- turzeitung, dagegen es unter den hohen Ständen Mode geworden ist, sich, im Gegensatz zu dem Plebs, der gemeinsten Sprache und Ausdrücke zu bedienen, und ausser Lesen und Schreiben jede weitere Kennt- niß sorgfältig zu verbergen. Dieser Gedanke ist witzig, und vielleicht prophetisch!
angelangt, hat er ſeine gewöhnlichen Abenteuer, Duelle, Entführungen ꝛc., die Reiter-Statue im Charing-Croß ladet ihn zum Thee ein, ſeine Gläubi- ger aber bringen ihn nach Kingsbench, aus dem eine reiche Heirath ihn zuletzt errettet, nach welcher er nun erſt — in einer böſen Frau endlich die genügende Strafe ſeiner Sünden findet, was die Hölle nicht ver- mochte. Madame Veſtris iſt als Don Juan der wun- derlieblichſte und verführeriſcheſte Jüngling, dem man es auch gleich anmerkt, daß es ihm nicht an Routine fehlt.
Das Stück amüſirte mich, und noch unterhaltender fand ich einen neuen Roman auf meinem Tiſche zu Hauſe, der (allerdings eine ſchon oft gebrauchte Idee) im Jahr 2200 ſpielt.
England iſt darin wieder katholiſch und eine abſo- lute Monarchie geworden, und die allgemeine Bil- dung hat ſolche Fortſchritte gemacht, daß Gelehrſam- keit Gemeingut der niedrigſten Klaſſen geworden iſt. Jeder Handwerker arbeitet nur rationell, nach ma- thematiſchen und chemiſchen Prinzipien. Lakayen und Köchinnen, welche Namen, wie Abelard, Heloiſe ꝛc. führen; ſprechen mit dem Tone der Jenaer Litera- turzeitung, dagegen es unter den hohen Ständen Mode geworden iſt, ſich, im Gegenſatz zu dem Plebs, der gemeinſten Sprache und Ausdrücke zu bedienen, und auſſer Leſen und Schreiben jede weitere Kennt- niß ſorgfältig zu verbergen. Dieſer Gedanke iſt witzig, und vielleicht prophetiſch!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0260"n="244"/>
angelangt, hat er ſeine gewöhnlichen Abenteuer,<lb/>
Duelle, Entführungen ꝛc., die Reiter-Statue im<lb/>
Charing-Croß ladet ihn zum Thee ein, ſeine Gläubi-<lb/>
ger aber bringen ihn nach Kingsbench, aus dem eine<lb/>
reiche Heirath ihn zuletzt errettet, nach welcher er nun<lb/>
erſt — in einer böſen Frau endlich die genügende<lb/>
Strafe ſeiner Sünden findet, was die Hölle nicht ver-<lb/>
mochte. Madame Veſtris iſt als Don Juan der wun-<lb/>
derlieblichſte und verführeriſcheſte Jüngling, dem man<lb/>
es auch gleich anmerkt, daß es ihm nicht an Routine<lb/>
fehlt.</p><lb/><p>Das Stück amüſirte mich, und noch unterhaltender<lb/>
fand ich einen neuen Roman auf meinem Tiſche zu<lb/>
Hauſe, der (allerdings eine ſchon oft gebrauchte Idee)<lb/>
im Jahr 2200 ſpielt.</p><lb/><p>England iſt darin wieder katholiſch und eine abſo-<lb/>
lute Monarchie geworden, <hirendition="#g">und</hi> die allgemeine Bil-<lb/>
dung hat ſolche Fortſchritte gemacht, daß Gelehrſam-<lb/>
keit Gemeingut der niedrigſten Klaſſen geworden iſt.<lb/>
Jeder Handwerker arbeitet nur rationell, nach ma-<lb/>
thematiſchen und chemiſchen Prinzipien. Lakayen und<lb/>
Köchinnen, welche Namen, wie Abelard, Heloiſe ꝛc.<lb/>
führen; ſprechen mit dem Tone der Jenaer Litera-<lb/>
turzeitung, dagegen es unter den hohen Ständen<lb/>
Mode geworden iſt, ſich, im Gegenſatz zu dem Plebs,<lb/>
der gemeinſten Sprache und Ausdrücke zu bedienen,<lb/>
und auſſer Leſen und Schreiben jede weitere Kennt-<lb/>
niß ſorgfältig zu verbergen. Dieſer Gedanke iſt witzig,<lb/>
und vielleicht prophetiſch!</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[244/0260]
angelangt, hat er ſeine gewöhnlichen Abenteuer,
Duelle, Entführungen ꝛc., die Reiter-Statue im
Charing-Croß ladet ihn zum Thee ein, ſeine Gläubi-
ger aber bringen ihn nach Kingsbench, aus dem eine
reiche Heirath ihn zuletzt errettet, nach welcher er nun
erſt — in einer böſen Frau endlich die genügende
Strafe ſeiner Sünden findet, was die Hölle nicht ver-
mochte. Madame Veſtris iſt als Don Juan der wun-
derlieblichſte und verführeriſcheſte Jüngling, dem man
es auch gleich anmerkt, daß es ihm nicht an Routine
fehlt.
Das Stück amüſirte mich, und noch unterhaltender
fand ich einen neuen Roman auf meinem Tiſche zu
Hauſe, der (allerdings eine ſchon oft gebrauchte Idee)
im Jahr 2200 ſpielt.
England iſt darin wieder katholiſch und eine abſo-
lute Monarchie geworden, und die allgemeine Bil-
dung hat ſolche Fortſchritte gemacht, daß Gelehrſam-
keit Gemeingut der niedrigſten Klaſſen geworden iſt.
Jeder Handwerker arbeitet nur rationell, nach ma-
thematiſchen und chemiſchen Prinzipien. Lakayen und
Köchinnen, welche Namen, wie Abelard, Heloiſe ꝛc.
führen; ſprechen mit dem Tone der Jenaer Litera-
turzeitung, dagegen es unter den hohen Ständen
Mode geworden iſt, ſich, im Gegenſatz zu dem Plebs,
der gemeinſten Sprache und Ausdrücke zu bedienen,
und auſſer Leſen und Schreiben jede weitere Kennt-
niß ſorgfältig zu verbergen. Dieſer Gedanke iſt witzig,
und vielleicht prophetiſch!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/260>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.