Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

in fortwährenden Sätzen, wie ein Hase, brach. Ei-
nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel-
ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer
starken halben Stunde angestrengten Laufens brachte
mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh-
tons, aber von einer ganz andern Seite, als von
welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich sehr
froh, so wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu seyn,
und nahm mir ernstlich vor, in diesem Nebellande
künftig vorsichtiger zu seyn.

Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady
K.. oder Mrß. F... zu, und spiele Ecarte und
Whist mit den Herren, oder Loo mit den jungen
Damen. Diese kleinen Kreise sind weit angenehmer
als die großen Gesellschaften der Metropolis. Denn
dort versteht man Alles, nur eben die Gesel-
ligkeit nicht
. So werden Künstler dort auch
blos als Modesache vorgeführt und bezahlt; mit ih-
nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu
ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung
ist meistens nur politischer Natur, und der politische
Parthei-wie der modische Kastengeist gehen auch auf
die Gesellschaft mit über. Es entsteht daraus eben-
sowohl ein allgemeines Decousu, als eine strenge
Abscheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun-
den mit dem an sich schon höchst unsocialen Wesen
der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf
die Dauer unangenehm machen muß, wenn er sich
nicht die intimsten Familienkreise öffnen, oder selbst
ein lebhaftes politisches Interesse annehmen kann.

in fortwährenden Sätzen, wie ein Haſe, brach. Ei-
nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel-
ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer
ſtarken halben Stunde angeſtrengten Laufens brachte
mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh-
tons, aber von einer ganz andern Seite, als von
welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich ſehr
froh, ſo wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu ſeyn,
und nahm mir ernſtlich vor, in dieſem Nebellande
künftig vorſichtiger zu ſeyn.

Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady
K.. oder Mrß. F… zu, und ſpiele Ecarté und
Whiſt mit den Herren, oder Loo mit den jungen
Damen. Dieſe kleinen Kreiſe ſind weit angenehmer
als die großen Geſellſchaften der Metropolis. Denn
dort verſteht man Alles, nur eben die Geſel-
ligkeit nicht
. So werden Künſtler dort auch
blos als Modeſache vorgeführt und bezahlt; mit ih-
nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu
ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung
iſt meiſtens nur politiſcher Natur, und der politiſche
Parthei-wie der modiſche Kaſtengeiſt gehen auch auf
die Geſellſchaft mit über. Es entſteht daraus eben-
ſowohl ein allgemeines Decouſu, als eine ſtrenge
Abſcheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun-
den mit dem an ſich ſchon höchſt unſocialen Weſen
der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf
die Dauer unangenehm machen muß, wenn er ſich
nicht die intimſten Familienkreiſe öffnen, oder ſelbſt
ein lebhaftes politiſches Intereſſe annehmen kann.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0024" n="8"/>
in fortwährenden Sätzen, wie ein Ha&#x017F;e, brach. Ei-<lb/>
nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel-<lb/>
ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer<lb/>
&#x017F;tarken halben Stunde ange&#x017F;trengten Laufens brachte<lb/>
mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh-<lb/>
tons, aber von einer ganz andern Seite, als von<lb/>
welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich &#x017F;ehr<lb/>
froh, &#x017F;o wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu &#x017F;eyn,<lb/>
und nahm mir ern&#x017F;tlich vor, in die&#x017F;em Nebellande<lb/>
künftig vor&#x017F;ichtiger zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady<lb/>
K.. oder Mrß. F&#x2026; zu, und &#x017F;piele Ecart<hi rendition="#aq">é</hi> und<lb/>
Whi&#x017F;t mit den Herren, oder Loo mit den jungen<lb/>
Damen. Die&#x017F;e kleinen Krei&#x017F;e &#x017F;ind weit angenehmer<lb/>
als die großen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften der Metropolis. Denn<lb/>
dort ver&#x017F;teht man Alles, <hi rendition="#g">nur eben die Ge&#x017F;el-<lb/>
ligkeit nicht</hi>. So werden Kün&#x017F;tler dort auch<lb/>
blos als Mode&#x017F;ache vorgeführt und bezahlt; mit ih-<lb/>
nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu<lb/>
ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung<lb/>
i&#x017F;t mei&#x017F;tens nur politi&#x017F;cher Natur, und der politi&#x017F;che<lb/>
Parthei-wie der modi&#x017F;che Ka&#x017F;tengei&#x017F;t gehen auch auf<lb/>
die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit über. Es ent&#x017F;teht daraus eben-<lb/>
&#x017F;owohl ein allgemeines Decou&#x017F;u, als eine &#x017F;trenge<lb/>
Ab&#x017F;cheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun-<lb/>
den mit dem an &#x017F;ich &#x017F;chon höch&#x017F;t un&#x017F;ocialen We&#x017F;en<lb/>
der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf<lb/>
die Dauer unangenehm machen muß, wenn er &#x017F;ich<lb/>
nicht die intim&#x017F;ten Familienkrei&#x017F;e öffnen, oder &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein lebhaftes politi&#x017F;ches Intere&#x017F;&#x017F;e annehmen kann.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0024] in fortwährenden Sätzen, wie ein Haſe, brach. Ei- nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel- ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer ſtarken halben Stunde angeſtrengten Laufens brachte mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh- tons, aber von einer ganz andern Seite, als von welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich ſehr froh, ſo wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu ſeyn, und nahm mir ernſtlich vor, in dieſem Nebellande künftig vorſichtiger zu ſeyn. Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady K.. oder Mrß. F… zu, und ſpiele Ecarté und Whiſt mit den Herren, oder Loo mit den jungen Damen. Dieſe kleinen Kreiſe ſind weit angenehmer als die großen Geſellſchaften der Metropolis. Denn dort verſteht man Alles, nur eben die Geſel- ligkeit nicht. So werden Künſtler dort auch blos als Modeſache vorgeführt und bezahlt; mit ih- nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung iſt meiſtens nur politiſcher Natur, und der politiſche Parthei-wie der modiſche Kaſtengeiſt gehen auch auf die Geſellſchaft mit über. Es entſteht daraus eben- ſowohl ein allgemeines Decouſu, als eine ſtrenge Abſcheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun- den mit dem an ſich ſchon höchſt unſocialen Weſen der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf die Dauer unangenehm machen muß, wenn er ſich nicht die intimſten Familienkreiſe öffnen, oder ſelbſt ein lebhaftes politiſches Intereſſe annehmen kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/24
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/24>, abgerufen am 24.11.2024.