in fortwährenden Sätzen, wie ein Hase, brach. Ei- nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel- ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer starken halben Stunde angestrengten Laufens brachte mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh- tons, aber von einer ganz andern Seite, als von welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich sehr froh, so wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu seyn, und nahm mir ernstlich vor, in diesem Nebellande künftig vorsichtiger zu seyn.
Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady K.. oder Mrß. F... zu, und spiele Ecarte und Whist mit den Herren, oder Loo mit den jungen Damen. Diese kleinen Kreise sind weit angenehmer als die großen Gesellschaften der Metropolis. Denn dort versteht man Alles, nur eben die Gesel- ligkeit nicht. So werden Künstler dort auch blos als Modesache vorgeführt und bezahlt; mit ih- nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung ist meistens nur politischer Natur, und der politische Parthei-wie der modische Kastengeist gehen auch auf die Gesellschaft mit über. Es entsteht daraus eben- sowohl ein allgemeines Decousu, als eine strenge Abscheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun- den mit dem an sich schon höchst unsocialen Wesen der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf die Dauer unangenehm machen muß, wenn er sich nicht die intimsten Familienkreise öffnen, oder selbst ein lebhaftes politisches Interesse annehmen kann.
in fortwährenden Sätzen, wie ein Haſe, brach. Ei- nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel- ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer ſtarken halben Stunde angeſtrengten Laufens brachte mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh- tons, aber von einer ganz andern Seite, als von welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich ſehr froh, ſo wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu ſeyn, und nahm mir ernſtlich vor, in dieſem Nebellande künftig vorſichtiger zu ſeyn.
Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady K.. oder Mrß. F… zu, und ſpiele Ecarté und Whiſt mit den Herren, oder Loo mit den jungen Damen. Dieſe kleinen Kreiſe ſind weit angenehmer als die großen Geſellſchaften der Metropolis. Denn dort verſteht man Alles, nur eben die Geſel- ligkeit nicht. So werden Künſtler dort auch blos als Modeſache vorgeführt und bezahlt; mit ih- nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung iſt meiſtens nur politiſcher Natur, und der politiſche Parthei-wie der modiſche Kaſtengeiſt gehen auch auf die Geſellſchaft mit über. Es entſteht daraus eben- ſowohl ein allgemeines Decouſu, als eine ſtrenge Abſcheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun- den mit dem an ſich ſchon höchſt unſocialen Weſen der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf die Dauer unangenehm machen muß, wenn er ſich nicht die intimſten Familienkreiſe öffnen, oder ſelbſt ein lebhaftes politiſches Intereſſe annehmen kann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0024"n="8"/>
in fortwährenden Sätzen, wie ein Haſe, brach. Ei-<lb/>
nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel-<lb/>
ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer<lb/>ſtarken halben Stunde angeſtrengten Laufens brachte<lb/>
mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh-<lb/>
tons, aber von einer ganz andern Seite, als von<lb/>
welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich ſehr<lb/>
froh, ſo wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu ſeyn,<lb/>
und nahm mir ernſtlich vor, in dieſem Nebellande<lb/>
künftig vorſichtiger zu ſeyn.</p><lb/><p>Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady<lb/>
K.. oder Mrß. F… zu, und ſpiele Ecart<hirendition="#aq">é</hi> und<lb/>
Whiſt mit den Herren, oder Loo mit den jungen<lb/>
Damen. Dieſe kleinen Kreiſe ſind weit angenehmer<lb/>
als die großen Geſellſchaften der Metropolis. Denn<lb/>
dort verſteht man Alles, <hirendition="#g">nur eben die Geſel-<lb/>
ligkeit nicht</hi>. So werden Künſtler dort auch<lb/>
blos als Modeſache vorgeführt und bezahlt; mit ih-<lb/>
nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu<lb/>
ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung<lb/>
iſt meiſtens nur politiſcher Natur, und der politiſche<lb/>
Parthei-wie der modiſche Kaſtengeiſt gehen auch auf<lb/>
die Geſellſchaft mit über. Es entſteht daraus eben-<lb/>ſowohl ein allgemeines Decouſu, als eine ſtrenge<lb/>
Abſcheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun-<lb/>
den mit dem an ſich ſchon höchſt unſocialen Weſen<lb/>
der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf<lb/>
die Dauer unangenehm machen muß, wenn er ſich<lb/>
nicht die intimſten Familienkreiſe öffnen, oder ſelbſt<lb/>
ein lebhaftes politiſches Intereſſe annehmen kann.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[8/0024]
in fortwährenden Sätzen, wie ein Haſe, brach. Ei-
nige unbedeutende Gräben und niedrige Hecken hiel-
ten es natürlich noch weniger auf, und nach einer
ſtarken halben Stunde angeſtrengten Laufens brachte
mich das gute Thier glücklich an die Thore Brigh-
tons, aber von einer ganz andern Seite, als von
welcher ich ausgeritten war. Ich fühlte mich ſehr
froh, ſo wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu ſeyn,
und nahm mir ernſtlich vor, in dieſem Nebellande
künftig vorſichtiger zu ſeyn.
Meine Abende bringe ich jetzt gewöhnlich bei Lady
K.. oder Mrß. F… zu, und ſpiele Ecarté und
Whiſt mit den Herren, oder Loo mit den jungen
Damen. Dieſe kleinen Kreiſe ſind weit angenehmer
als die großen Geſellſchaften der Metropolis. Denn
dort verſteht man Alles, nur eben die Geſel-
ligkeit nicht. So werden Künſtler dort auch
blos als Modeſache vorgeführt und bezahlt; mit ih-
nen zu leben, Genuß aus ihrer Unterhaltung zu
ziehen, das kennt man nicht. Alle wahre Bildung
iſt meiſtens nur politiſcher Natur, und der politiſche
Parthei-wie der modiſche Kaſtengeiſt gehen auch auf
die Geſellſchaft mit über. Es entſteht daraus eben-
ſowohl ein allgemeines Decouſu, als eine ſtrenge
Abſcheidung der einzelnen Elemente, welches, verbun-
den mit dem an ſich ſchon höchſt unſocialen Weſen
der Engländer, den Aufenthalt für den Fremden auf
die Dauer unangenehm machen muß, wenn er ſich
nicht die intimſten Familienkreiſe öffnen, oder ſelbſt
ein lebhaftes politiſches Intereſſe annehmen kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/24>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.