Wir hatten uns in den vier Tagen meines Aufent- haltes so herzlich Alle genähert, daß der Abschied fast schwer wurde. Die Damen begleiteten mich wohl eine Stunde weit, ehe ich in den Wagen stieg. Ich pflückte einige Vergißmeinnicht am Bache, und übergab sie sentimental als stummen Abschied der schönen Rosa- bel zuerst, die gebietend unter ihnen stand, wie eine stolze Herrin unter lieblichen Sclavinnen. Sie löste sanft ein Blümchen aus dem Strauß, und drückte mir es wieder in die Hand. -- Moquez vous de moi, mais je le conserve encore.
Endlich fuhr ich, ganz niedergeschlagen davon, und dirigirte meinen Postboy nach den Barraks der Garde zu Pferd, wo ich noch gerade zur rechten Zeit zum Dine ankam. Mit vielem Champagner und Claret (denn ich war sehr durstig von den langen Promena- den, gute Julie), tröstete ich mich über die verlas- senen Schönen, so gut sich's thun ließ, und fuhr dann mit Capt. B .... zu einer Soiree bei Mistriß C .... Hier wurde nach dem Thee um 11 Uhr, da der Mond wundervoll schien, auf dem Wunsche der Damen, der Entschluß gefaßt, noch einen Gang im Park zu machen, um das gigantische Schloß von einem besonders vortheilhaften Punkte bei Mond- schein zu betrachten. Die Promenade war abermals ein wenig lang, aber höchst belohnend. Der Himmel hatte Heerden von Schäfchen auf seine blauen Wei- den geschickt, welches jedoch einer der Offiziere, nicht
Windſor, den 5ten.
Wir hatten uns in den vier Tagen meines Aufent- haltes ſo herzlich Alle genähert, daß der Abſchied faſt ſchwer wurde. Die Damen begleiteten mich wohl eine Stunde weit, ehe ich in den Wagen ſtieg. Ich pflückte einige Vergißmeinnicht am Bache, und übergab ſie ſentimental als ſtummen Abſchied der ſchönen Roſa- bel zuerſt, die gebietend unter ihnen ſtand, wie eine ſtolze Herrin unter lieblichen Sclavinnen. Sie löste ſanft ein Blümchen aus dem Strauß, und drückte mir es wieder in die Hand. — Moquez vous de moi, mais je le conserve encore.
Endlich fuhr ich, ganz niedergeſchlagen davon, und dirigirte meinen Poſtboy nach den Barraks der Garde zu Pferd, wo ich noch gerade zur rechten Zeit zum Diné ankam. Mit vielem Champagner und Claret (denn ich war ſehr durſtig von den langen Promena- den, gute Julie), tröſtete ich mich über die verlaſ- ſenen Schönen, ſo gut ſich’s thun ließ, und fuhr dann mit Capt. B .... zu einer Soirée bei Miſtriß C .... Hier wurde nach dem Thee um 11 Uhr, da der Mond wundervoll ſchien, auf dem Wunſche der Damen, der Entſchluß gefaßt, noch einen Gang im Park zu machen, um das gigantiſche Schloß von einem beſonders vortheilhaften Punkte bei Mond- ſchein zu betrachten. Die Promenade war abermals ein wenig lang, aber höchſt belohnend. Der Himmel hatte Heerden von Schäfchen auf ſeine blauen Wei- den geſchickt, welches jedoch einer der Offiziere, nicht
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Windſor, den 5ten.
Wir hatten uns in den vier Tagen meines Aufent-
haltes ſo herzlich Alle genähert, daß der Abſchied faſt
ſchwer wurde. Die Damen begleiteten mich wohl eine
Stunde weit, ehe ich in den Wagen ſtieg. Ich pflückte
einige Vergißmeinnicht am Bache, und übergab ſie
ſentimental als ſtummen Abſchied der ſchönen Roſa-
bel zuerſt, die gebietend unter ihnen ſtand, wie eine
ſtolze Herrin unter lieblichen Sclavinnen. Sie löste
ſanft ein Blümchen aus dem Strauß, und drückte
mir es wieder in die Hand. — Moquez vous de moi,
mais je le conserve encore.
Endlich fuhr ich, ganz niedergeſchlagen davon, und
dirigirte meinen Poſtboy nach den Barraks der Garde
zu Pferd, wo ich noch gerade zur rechten Zeit zum
Diné ankam. Mit vielem Champagner und Claret
(denn ich war ſehr durſtig von den langen Promena-
den, gute Julie), tröſtete ich mich über die verlaſ-
ſenen Schönen, ſo gut ſich’s thun ließ, und fuhr dann
mit Capt. B .... zu einer Soirée bei Miſtriß
C .... Hier wurde nach dem Thee um 11 Uhr,
da der Mond wundervoll ſchien, auf dem Wunſche
der Damen, der Entſchluß gefaßt, noch einen Gang
im Park zu machen, um das gigantiſche Schloß von
einem beſonders vortheilhaften Punkte bei Mond-
ſchein zu betrachten. Die Promenade war abermals
ein wenig lang, aber höchſt belohnend. Der Himmel
hatte Heerden von Schäfchen auf ſeine blauen Wei-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/178>, abgerufen am 24.11.2024.
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