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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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ihren Füßen. Ein anderes gleiches Postament dane-
ben war noch leer. Ich näherte mich, und las fol-
gende Inschriften in den Marmor gegraben, und mit
goldenen Metall-Buchstaben überkleidet. Auf der
schmalen Vorderseite unter dem Haupte des Liegen-
den standen folgende Worte:

In deinem Schooß, o Gott!
Ruht seines Geistes unvergänglich Theil --
Denn des ewigen Lebens Gesetz
Ist Sterben und Auferstehn!

Auf der anstoßenden Seite war geschrieben:

Seiner Kindheit fehlte ihr größter Segen --
Liebevolle Erziehung in der Eltern Haus!
Seine Jugend war stürmisch, und eitel und thöricht --
Doch nie entfremdet von Natur und Gott.

Auf der andern Seite:

Ernst war des Mannes Alter und trübe,
Gehüllt in dunkle Nacht wär' es gewesen,
Hätte nicht eine liebende Frau,
Der Sonne gleich, mit hellen wohlthuenden Strahlen
Gar oft die dunkle Nacht zum heitern Tag gemacht.

Auf der letzten Seite:

Des Greises Alter wurde ihm versagt. --
Was er gewirkt, und was er schuf?
Es blühet um Dich her --
Was sonst er Irdisches erstrebte und erwarb --
Den Andern galt es viel, doch wenig ihm.

Nun dachte ich viel an Dich, und sie, und alle
meine Lieben, und weinte im frommen Schmerze

ihren Füßen. Ein anderes gleiches Poſtament dane-
ben war noch leer. Ich näherte mich, und las fol-
gende Inſchriften in den Marmor gegraben, und mit
goldenen Metall-Buchſtaben überkleidet. Auf der
ſchmalen Vorderſeite unter dem Haupte des Liegen-
den ſtanden folgende Worte:

In deinem Schooß, o Gott!
Ruht ſeines Geiſtes unvergaͤnglich Theil —
Denn des ewigen Lebens Geſetz
Iſt Sterben und Auferſtehn!

Auf der anſtoßenden Seite war geſchrieben:

Seiner Kindheit fehlte ihr groͤßter Segen —
Liebevolle Erziehung in der Eltern Haus!
Seine Jugend war ſtuͤrmiſch, und eitel und thoͤricht —
Doch nie entfremdet von Natur und Gott.

Auf der andern Seite:

Ernſt war des Mannes Alter und truͤbe,
Gehuͤllt in dunkle Nacht waͤr’ es geweſen,
Haͤtte nicht eine liebende Frau,
Der Sonne gleich, mit hellen wohlthuenden Strahlen
Gar oft die dunkle Nacht zum heitern Tag gemacht.

Auf der letzten Seite:

Des Greiſes Alter wurde ihm verſagt. —
Was er gewirkt, und was er ſchuf?
Es bluͤhet um Dich her —
Was ſonſt er Irdiſches erſtrebte und erwarb —
Den Andern galt es viel, doch wenig ihm.

Nun dachte ich viel an Dich, und ſie, und alle
meine Lieben, und weinte im frommen Schmerze

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[157/0173] ihren Füßen. Ein anderes gleiches Poſtament dane- ben war noch leer. Ich näherte mich, und las fol- gende Inſchriften in den Marmor gegraben, und mit goldenen Metall-Buchſtaben überkleidet. Auf der ſchmalen Vorderſeite unter dem Haupte des Liegen- den ſtanden folgende Worte: In deinem Schooß, o Gott! Ruht ſeines Geiſtes unvergaͤnglich Theil — Denn des ewigen Lebens Geſetz Iſt Sterben und Auferſtehn! Auf der anſtoßenden Seite war geſchrieben: Seiner Kindheit fehlte ihr groͤßter Segen — Liebevolle Erziehung in der Eltern Haus! Seine Jugend war ſtuͤrmiſch, und eitel und thoͤricht — Doch nie entfremdet von Natur und Gott. Auf der andern Seite: Ernſt war des Mannes Alter und truͤbe, Gehuͤllt in dunkle Nacht waͤr’ es geweſen, Haͤtte nicht eine liebende Frau, Der Sonne gleich, mit hellen wohlthuenden Strahlen Gar oft die dunkle Nacht zum heitern Tag gemacht. Auf der letzten Seite: Des Greiſes Alter wurde ihm verſagt. — Was er gewirkt, und was er ſchuf? Es bluͤhet um Dich her — Was ſonſt er Irdiſches erſtrebte und erwarb — Den Andern galt es viel, doch wenig ihm. Nun dachte ich viel an Dich, und ſie, und alle meine Lieben, und weinte im frommen Schmerze

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/173>, abgerufen am 06.05.2024.