sich schon oft vor meiner Phantasie wie eine dunkle Erinnerung das reizende Bild der Burg unsrer Vä- ter, die wir damals bewohnten, im wilden Spessart vom Felsen herabdrohend, rund umher alte Eichen und Tannen, und durch den Hohlweg im Thal sehe ich den Besitzer mit seinen Reisigen der Morgensonne entgegen ziehen (denn als Ritter stand er früher auf. Du, gute Julie, lugst vom Söller und winkst und wehst mit dem weißen Tuche, bis kein Stahl- panzer mehr in den Sonnenstrahlen blinkt und nichts Lebendes mehr sichtbar bleibt, als ein scheues Reh, das aus dem Laube schielt, oder ein hochgeweih- ter -- Hirsch, der auf der Bergspitze sich ernsthaft die Gegend beschaut.
Ein andresmal sitzen wir, nach glücklich geendeter Fehde, beim Humpen, wie in Paris einmal beim Champagner. Du kredenzest, ich trinke ritterlich, und der gute Hauspfaff liest die Wunder einer Legende. Da schallt des Zwerges Horn vom Thurme, und zeigt ein Fähnlein an, das sich dem Burgthor nähert. Dein ehemaliger Geliebter ist's, der aus dem gelob- ten Lande zurückkehrt. -- Gare a toi!*)
*) Es ist historisch erwiesen, daß selbst die alten deutschen Ritter schon die Unart hatten, sich zuweilen französischer Floskeln zu bedienen. A. d. H.
ſich ſchon oft vor meiner Phantaſie wie eine dunkle Erinnerung das reizende Bild der Burg unſrer Vä- ter, die wir damals bewohnten, im wilden Speſſart vom Felſen herabdrohend, rund umher alte Eichen und Tannen, und durch den Hohlweg im Thal ſehe ich den Beſitzer mit ſeinen Reiſigen der Morgenſonne entgegen ziehen (denn als Ritter ſtand er früher auf. Du, gute Julie, lugſt vom Söller und winkſt und wehſt mit dem weißen Tuche, bis kein Stahl- panzer mehr in den Sonnenſtrahlen blinkt und nichts Lebendes mehr ſichtbar bleibt, als ein ſcheues Reh, das aus dem Laube ſchielt, oder ein hochgeweih- ter — Hirſch, der auf der Bergſpitze ſich ernſthaft die Gegend beſchaut.
Ein andresmal ſitzen wir, nach glücklich geendeter Fehde, beim Humpen, wie in Paris einmal beim Champagner. Du kredenzeſt, ich trinke ritterlich, und der gute Hauspfaff liest die Wunder einer Legende. Da ſchallt des Zwerges Horn vom Thurme, und zeigt ein Fähnlein an, das ſich dem Burgthor nähert. Dein ehemaliger Geliebter iſt’s, der aus dem gelob- ten Lande zurückkehrt. — Gare à toi!*)
*) Es iſt hiſtoriſch erwieſen, daß ſelbſt die alten deutſchen Ritter ſchon die Unart hatten, ſich zuweilen franzöſiſcher Floskeln zu bedienen. A. d. H.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0117"n="101"/>ſich ſchon oft vor meiner Phantaſie wie eine dunkle<lb/>
Erinnerung das reizende Bild der Burg unſrer Vä-<lb/>
ter, die wir damals bewohnten, im wilden Speſſart<lb/>
vom Felſen herabdrohend, rund umher alte Eichen<lb/>
und Tannen, und durch den Hohlweg im Thal ſehe<lb/>
ich den Beſitzer mit ſeinen Reiſigen der Morgenſonne<lb/>
entgegen ziehen (denn als Ritter ſtand er früher<lb/>
auf. Du, gute Julie, lugſt vom Söller und winkſt<lb/>
und wehſt mit dem weißen Tuche, bis kein Stahl-<lb/>
panzer mehr in den Sonnenſtrahlen blinkt und nichts<lb/>
Lebendes mehr ſichtbar bleibt, als ein ſcheues Reh,<lb/>
das aus dem Laube ſchielt, oder ein <hirendition="#g">hochgeweih-<lb/>
ter</hi>— Hirſch, der auf der Bergſpitze ſich ernſthaft<lb/>
die Gegend beſchaut.</p><lb/><p>Ein andresmal ſitzen wir, nach glücklich geendeter<lb/>
Fehde, beim Humpen, wie in Paris einmal beim<lb/>
Champagner. Du kredenzeſt, ich trinke ritterlich, und<lb/>
der gute Hauspfaff liest die Wunder einer Legende.<lb/>
Da ſchallt des Zwerges Horn vom Thurme, und<lb/>
zeigt ein Fähnlein an, das ſich dem Burgthor nähert.<lb/>
Dein ehemaliger Geliebter iſt’s, der aus dem gelob-<lb/>
ten Lande zurückkehrt. —<hirendition="#aq">Gare à toi!</hi><noteplace="foot"n="*)">Es iſt hiſtoriſch erwieſen, daß ſelbſt die alten deutſchen<lb/>
Ritter ſchon die Unart hatten, ſich zuweilen franzöſiſcher<lb/>
Floskeln zu bedienen. <hirendition="#et">A. d. H.</hi></note></p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[101/0117]
ſich ſchon oft vor meiner Phantaſie wie eine dunkle
Erinnerung das reizende Bild der Burg unſrer Vä-
ter, die wir damals bewohnten, im wilden Speſſart
vom Felſen herabdrohend, rund umher alte Eichen
und Tannen, und durch den Hohlweg im Thal ſehe
ich den Beſitzer mit ſeinen Reiſigen der Morgenſonne
entgegen ziehen (denn als Ritter ſtand er früher
auf. Du, gute Julie, lugſt vom Söller und winkſt
und wehſt mit dem weißen Tuche, bis kein Stahl-
panzer mehr in den Sonnenſtrahlen blinkt und nichts
Lebendes mehr ſichtbar bleibt, als ein ſcheues Reh,
das aus dem Laube ſchielt, oder ein hochgeweih-
ter — Hirſch, der auf der Bergſpitze ſich ernſthaft
die Gegend beſchaut.
Ein andresmal ſitzen wir, nach glücklich geendeter
Fehde, beim Humpen, wie in Paris einmal beim
Champagner. Du kredenzeſt, ich trinke ritterlich, und
der gute Hauspfaff liest die Wunder einer Legende.
Da ſchallt des Zwerges Horn vom Thurme, und
zeigt ein Fähnlein an, das ſich dem Burgthor nähert.
Dein ehemaliger Geliebter iſt’s, der aus dem gelob-
ten Lande zurückkehrt. — Gare à toi! *)
*) Es iſt hiſtoriſch erwieſen, daß ſelbſt die alten deutſchen
Ritter ſchon die Unart hatten, ſich zuweilen franzöſiſcher
Floskeln zu bedienen. A. d. H.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/117>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.