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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Von hier begab ich mich nach dem Rathhaus, wo
eben der Lord-Mayor, dermalen ein Buchhändler,
der aber in seinem blauen Mantel mit goldner Kette
gar nicht übel repräsentirte, und einen ganz monar-
chischen Anstand anzunehmen wußte, eben Recht sprach.
Ich glaube nicht, daß er sich dabei schlechter wie ein
Justizbeamter aus der Affaire zog; denn seit Sancho
Pansa's Zeiten ist es bekannt, daß der gesunde Men-
schenverstand das Rechte nicht selten richtiger er-
kennt, als die durch zu viele scharfgeschliffene Bril-
lengläser übersichtig gewordene Wissenschaft, so wie
ich auch, in Parenthese gesagt, das Kunsturtheil
eines gebildeten, natürlichen Sinnes in der Regel
dem eines Antiquaren vorziehe, der durch den Na-
men, oder eines Selbstkünstlers, der durch die be-
siegten Schwierigkeiten am meisten bestochen wird.

Der Schauplatz hier war nur ein mittelmäßiges
Zimmer, zur Hälfte mit dem niedrigsten Pöbel ge-
füllt. Es handelte sich um das häufigste Thema in
England, einen Diebstahl, und da der Sünder, wel-
cher eben so gelassen als ennuyirt schien, nach gerin-
gem Zögern gestand, so hatte das Drama schnell
ein Ende.

Und weiter wanderten wir fort in der tumultua-
rischen City, wo man wie ein Atom verloren gehen
kann, wenn man nicht gehörig rechts und links auf-
paßt, um weder von einer dem Trottoir zu nahe
kommenden Cabriolet-Gabel aufgespießt, oder von
einem einbrechenden und umstürzenden Diligencen-

Von hier begab ich mich nach dem Rathhaus, wo
eben der Lord-Mayor, dermalen ein Buchhändler,
der aber in ſeinem blauen Mantel mit goldner Kette
gar nicht übel repräſentirte, und einen ganz monar-
chiſchen Anſtand anzunehmen wußte, eben Recht ſprach.
Ich glaube nicht, daß er ſich dabei ſchlechter wie ein
Juſtizbeamter aus der Affaire zog; denn ſeit Sancho
Panſa’s Zeiten iſt es bekannt, daß der geſunde Men-
ſchenverſtand das Rechte nicht ſelten richtiger er-
kennt, als die durch zu viele ſcharfgeſchliffene Bril-
lengläſer überſichtig gewordene Wiſſenſchaft, ſo wie
ich auch, in Parentheſe geſagt, das Kunſturtheil
eines gebildeten, natürlichen Sinnes in der Regel
dem eines Antiquaren vorziehe, der durch den Na-
men, oder eines Selbſtkünſtlers, der durch die be-
ſiegten Schwierigkeiten am meiſten beſtochen wird.

Der Schauplatz hier war nur ein mittelmäßiges
Zimmer, zur Hälfte mit dem niedrigſten Pöbel ge-
füllt. Es handelte ſich um das häufigſte Thema in
England, einen Diebſtahl, und da der Sünder, wel-
cher eben ſo gelaſſen als ennuyirt ſchien, nach gerin-
gem Zögern geſtand, ſo hatte das Drama ſchnell
ein Ende.

Und weiter wanderten wir fort in der tumultua-
riſchen City, wo man wie ein Atom verloren gehen
kann, wenn man nicht gehörig rechts und links auf-
paßt, um weder von einer dem Trottoir zu nahe
kommenden Cabriolet-Gabel aufgeſpießt, oder von
einem einbrechenden und umſtürzenden Diligencen-

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[59/0099] Von hier begab ich mich nach dem Rathhaus, wo eben der Lord-Mayor, dermalen ein Buchhändler, der aber in ſeinem blauen Mantel mit goldner Kette gar nicht übel repräſentirte, und einen ganz monar- chiſchen Anſtand anzunehmen wußte, eben Recht ſprach. Ich glaube nicht, daß er ſich dabei ſchlechter wie ein Juſtizbeamter aus der Affaire zog; denn ſeit Sancho Panſa’s Zeiten iſt es bekannt, daß der geſunde Men- ſchenverſtand das Rechte nicht ſelten richtiger er- kennt, als die durch zu viele ſcharfgeſchliffene Bril- lengläſer überſichtig gewordene Wiſſenſchaft, ſo wie ich auch, in Parentheſe geſagt, das Kunſturtheil eines gebildeten, natürlichen Sinnes in der Regel dem eines Antiquaren vorziehe, der durch den Na- men, oder eines Selbſtkünſtlers, der durch die be- ſiegten Schwierigkeiten am meiſten beſtochen wird. Der Schauplatz hier war nur ein mittelmäßiges Zimmer, zur Hälfte mit dem niedrigſten Pöbel ge- füllt. Es handelte ſich um das häufigſte Thema in England, einen Diebſtahl, und da der Sünder, wel- cher eben ſo gelaſſen als ennuyirt ſchien, nach gerin- gem Zögern geſtand, ſo hatte das Drama ſchnell ein Ende. Und weiter wanderten wir fort in der tumultua- riſchen City, wo man wie ein Atom verloren gehen kann, wenn man nicht gehörig rechts und links auf- paßt, um weder von einer dem Trottoir zu nahe kommenden Cabriolet-Gabel aufgeſpießt, oder von einem einbrechenden und umſtürzenden Diligencen-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/99>, abgerufen am 22.11.2024.