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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Von Lord Byron redete er nachher mit vieler Liebe,
fast wie ein Vater von seinem Sohne, was meinem
hohen Enthusiasmus für diesen großen Dichter sehr
wohl that. Er widersprach unter andern auch der
albernen Behauptung, daß Manfred eine Nachbetung
seines Faust sey, doch sey es ihm allerdings als etwas
Interessantes aufgefallen, sagte er, daß Byron unbe-
wußt sich derselben Maske des Mephistopheles wie
er bedient habe, obgleich freilich Byron sie ganz
anders spielen lasse. Er bedauerte es sehr, den Lord
nie persönlich kennen gelernt zu haben, und tadelte
streng, und gewiß mit dem höchsten Rechte, die eng-
lische Nation, daß sie ihren großen Landsmann so
kleinlich beurtheile und im Allgemeinen so wenig ver-
standen habe. Doch hierüber hat sich Göthe so ge-
nügend und schön öffentlich ausgesprochen, daß ich
nichts weiter hinzuzufügen brauche. Ich erwähnte
zuletzt der Aufführung des Faust auf einem Privat-
theater zu Berlin, mit Musik vom Fürsten Radziwil
und lobte den ergreifenden Effect einiger Theile dieser
Darstellung. "Nun," sagte Göthe gravitätisch, "es ist
ein eigenes Unternehmen, aber alle Ansichten und
Versuche sind zu ehren."

Ich grolle meinem schlechten Gedächtniß, daß ich
mich nicht mehr aus unsrer ziemlich belebten Unter-
haltung eben erinnern kann. Mit hoher Ehrfurcht
und Liebe verließ ich den großen Mann, den dritten
im Bunde mit Homer und Shakespeare, dessen Name
unsterblich glänzen wird, so lange deutsche Zunge sich
erhält, und wäre irgend etwas von Mephistopheles

Briefe eines Verstorbenen. III. 2

Von Lord Byron redete er nachher mit vieler Liebe,
faſt wie ein Vater von ſeinem Sohne, was meinem
hohen Enthuſiasmus für dieſen großen Dichter ſehr
wohl that. Er widerſprach unter andern auch der
albernen Behauptung, daß Manfred eine Nachbetung
ſeines Fauſt ſey, doch ſey es ihm allerdings als etwas
Intereſſantes aufgefallen, ſagte er, daß Byron unbe-
wußt ſich derſelben Maske des Mephiſtopheles wie
er bedient habe, obgleich freilich Byron ſie ganz
anders ſpielen laſſe. Er bedauerte es ſehr, den Lord
nie perſönlich kennen gelernt zu haben, und tadelte
ſtreng, und gewiß mit dem höchſten Rechte, die eng-
liſche Nation, daß ſie ihren großen Landsmann ſo
kleinlich beurtheile und im Allgemeinen ſo wenig ver-
ſtanden habe. Doch hierüber hat ſich Göthe ſo ge-
nügend und ſchön öffentlich ausgeſprochen, daß ich
nichts weiter hinzuzufügen brauche. Ich erwähnte
zuletzt der Aufführung des Fauſt auf einem Privat-
theater zu Berlin, mit Muſik vom Fürſten Radziwil
und lobte den ergreifenden Effect einiger Theile dieſer
Darſtellung. „Nun,“ ſagte Göthe gravitätiſch, „es iſt
ein eigenes Unternehmen, aber alle Anſichten und
Verſuche ſind zu ehren.“

Ich grolle meinem ſchlechten Gedächtniß, daß ich
mich nicht mehr aus unſrer ziemlich belebten Unter-
haltung eben erinnern kann. Mit hoher Ehrfurcht
und Liebe verließ ich den großen Mann, den dritten
im Bunde mit Homer und Shakespeare, deſſen Name
unſterblich glänzen wird, ſo lange deutſche Zunge ſich
erhält, und wäre irgend etwas von Mephiſtopheles

Briefe eines Verſtorbenen. III. 2
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[17/0057] Von Lord Byron redete er nachher mit vieler Liebe, faſt wie ein Vater von ſeinem Sohne, was meinem hohen Enthuſiasmus für dieſen großen Dichter ſehr wohl that. Er widerſprach unter andern auch der albernen Behauptung, daß Manfred eine Nachbetung ſeines Fauſt ſey, doch ſey es ihm allerdings als etwas Intereſſantes aufgefallen, ſagte er, daß Byron unbe- wußt ſich derſelben Maske des Mephiſtopheles wie er bedient habe, obgleich freilich Byron ſie ganz anders ſpielen laſſe. Er bedauerte es ſehr, den Lord nie perſönlich kennen gelernt zu haben, und tadelte ſtreng, und gewiß mit dem höchſten Rechte, die eng- liſche Nation, daß ſie ihren großen Landsmann ſo kleinlich beurtheile und im Allgemeinen ſo wenig ver- ſtanden habe. Doch hierüber hat ſich Göthe ſo ge- nügend und ſchön öffentlich ausgeſprochen, daß ich nichts weiter hinzuzufügen brauche. Ich erwähnte zuletzt der Aufführung des Fauſt auf einem Privat- theater zu Berlin, mit Muſik vom Fürſten Radziwil und lobte den ergreifenden Effect einiger Theile dieſer Darſtellung. „Nun,“ ſagte Göthe gravitätiſch, „es iſt ein eigenes Unternehmen, aber alle Anſichten und Verſuche ſind zu ehren.“ Ich grolle meinem ſchlechten Gedächtniß, daß ich mich nicht mehr aus unſrer ziemlich belebten Unter- haltung eben erinnern kann. Mit hoher Ehrfurcht und Liebe verließ ich den großen Mann, den dritten im Bunde mit Homer und Shakespeare, deſſen Name unſterblich glänzen wird, ſo lange deutſche Zunge ſich erhält, und wäre irgend etwas von Mephiſtopheles Briefe eines Verſtorbenen. III. 2

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/57>, abgerufen am 23.11.2024.