in der englischen Gesellschaft. Auch noch reifere Jahre machen sich geltend. Die Marquise S., welche bei- nahe 80 Jahre alt ist, kann man beinahe immer noch als die repandirteste Dame in London ansehen. Man ist sicher, ihr jeden Abend zu begegnen, und früh rei- tet sie dessen ungeachtet noch Tag für Tag in der manege. Ja auf dem Lande nimmt sie sogar noch zuweilen an den Fuchsjagden Theil, wo sie sich auf dem Pferde anbinden läßt, und da sie fast blind ist, einen Operngucker an der Reitpeitsche befestigt hat. Ein Piqueur reitet ihr vor und sie ihm getrost nach, über Zäune und Gräben. Neulich fiel sie eine hohe Treppe hinunter, erschien aber nichts desto weniger am dritten Tage darauf schon wieder auf dem Balle, wo man ausser einigen großen Schönpflästerchen auf der hochrothen Schminke nichts Aussergewöhnli- ches an ihr bemerkte. Früh nimmt sie gern Visite an, wo man sie von einigen Papageyen und vier Hunden umgeben, mit einem kleinen Kantschu in der Hand, um die Thiere in Ordnung zu halten, auf ih- rem Sopha sitzen, und so munter wie die Jüngste, an der Unterhaltung Theil nehmen sieht. Ihre eig- nen Assembleen sind immer sehr besucht, obgleich die Gesellschaft daselbst etwas bunt melirt ist.
Die Marquise H..., nicht viel jünger, muß so- gar noch eine schöne Frau genannt werden, mit dem Port einer Monarchin, bei jeder passenden Gelegen- heit mit Diamanten bedeckt, und die Honneurs ihres Hauses besser machend, als die meisten der erclusiven jüngern Schönheiten.
in der engliſchen Geſellſchaft. Auch noch reifere Jahre machen ſich geltend. Die Marquiſe S., welche bei- nahe 80 Jahre alt iſt, kann man beinahe immer noch als die repandirteſte Dame in London anſehen. Man iſt ſicher, ihr jeden Abend zu begegnen, und früh rei- tet ſie deſſen ungeachtet noch Tag für Tag in der manège. Ja auf dem Lande nimmt ſie ſogar noch zuweilen an den Fuchsjagden Theil, wo ſie ſich auf dem Pferde anbinden läßt, und da ſie faſt blind iſt, einen Operngucker an der Reitpeitſche befeſtigt hat. Ein Piqueur reitet ihr vor und ſie ihm getroſt nach, über Zäune und Gräben. Neulich fiel ſie eine hohe Treppe hinunter, erſchien aber nichts deſto weniger am dritten Tage darauf ſchon wieder auf dem Balle, wo man auſſer einigen großen Schönpfläſterchen auf der hochrothen Schminke nichts Auſſergewöhnli- ches an ihr bemerkte. Früh nimmt ſie gern Viſite an, wo man ſie von einigen Papageyen und vier Hunden umgeben, mit einem kleinen Kantſchu in der Hand, um die Thiere in Ordnung zu halten, auf ih- rem Sopha ſitzen, und ſo munter wie die Jüngſte, an der Unterhaltung Theil nehmen ſieht. Ihre eig- nen Aſſembleen ſind immer ſehr beſucht, obgleich die Geſellſchaft daſelbſt etwas bunt melirt iſt.
Die Marquiſe H…, nicht viel jünger, muß ſo- gar noch eine ſchöne Frau genannt werden, mit dem Port einer Monarchin, bei jeder paſſenden Gelegen- heit mit Diamanten bedeckt, und die Honneurs ihres Hauſes beſſer machend, als die meiſten der ercluſiven jüngern Schönheiten.
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in der engliſchen Geſellſchaft. Auch noch reifere Jahre
machen ſich geltend. Die Marquiſe S., welche bei-
nahe 80 Jahre alt iſt, kann man beinahe immer noch
als die repandirteſte Dame in London anſehen. Man
iſt ſicher, ihr jeden Abend zu begegnen, und früh rei-
tet ſie deſſen ungeachtet noch Tag für Tag in der
manège. Ja auf dem Lande nimmt ſie ſogar noch
zuweilen an den Fuchsjagden Theil, wo ſie ſich auf
dem Pferde anbinden läßt, und da ſie faſt blind iſt,
einen Operngucker an der Reitpeitſche befeſtigt hat.
Ein Piqueur reitet ihr vor und ſie ihm getroſt nach,
über Zäune und Gräben. Neulich fiel ſie eine hohe
Treppe hinunter, erſchien aber nichts deſto weniger
am dritten Tage darauf ſchon wieder auf dem Balle,
wo man auſſer einigen großen Schönpfläſterchen
auf der hochrothen Schminke nichts Auſſergewöhnli-
ches an ihr bemerkte. Früh nimmt ſie gern Viſite
an, wo man ſie von einigen Papageyen und vier
Hunden umgeben, mit einem kleinen Kantſchu in der
Hand, um die Thiere in Ordnung zu halten, auf ih-
rem Sopha ſitzen, und ſo munter wie die Jüngſte,
an der Unterhaltung Theil nehmen ſieht. Ihre eig-
nen Aſſembleen ſind immer ſehr beſucht, obgleich die
Geſellſchaft daſelbſt etwas bunt melirt iſt.
Die Marquiſe H…, nicht viel jünger, muß ſo-
gar noch eine ſchöne Frau genannt werden, mit dem
Port einer Monarchin, bei jeder paſſenden Gelegen-
heit mit Diamanten bedeckt, und die Honneurs ihres
Hauſes beſſer machend, als die meiſten der ercluſiven
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/451>, abgerufen am 24.11.2024.
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