Der Nachmittag war befriedigender. Ich stieg auf den Hügeln über der Stadt umher, und kroch zu- letzt auf den Boden einer Windmühle, um von dort aus das ganze Panorama Brightons zu übersehen. Der Sturm schleuderte die Flügel der Mühle mit sol- cher Gewalt um ihre Axe, daß das ganze Gebäude schwankte, wie ein Schiff. Der Müllerbursche, wel- cher mir den Weg hinauf gezeigt, brachte nun aus einem Mehlkasten ein Perspektiv hervor, das aber leider, ohngeachtet seines weichen Lagers, zerbrochen war. Ich begnügte mich indeß schon gern mit der schönen Totalaussicht, die durch viele Hunderte von Fischerbarken, welche mit dem Winde kämpften, sehr belebt wurde, und eilte dann mit der sinkenden Sonne den gesellschaftlichen Pflichten wieder zu.
Die Anzahl der Gäste beim Grafen F.... war nur klein, aber interessant, einmal durch die Wirthe selbst, dann durch eine ihrer Schönheit wegen berühmte Dame, und endlich durch einen sehr bekannten ehe- maligen Pariser Tonangeber, M ..., der in seiner Jugend dort lange eine Rolle gespielt, immer zu- gleich auch in politische Verhältnisse verwickelt war, und jetzt einen großen Theil des Jahres in England lebt, wahrscheinlich auch nicht ohne politische Absich- ten, einer von den heut zu Tage ziemlich selten wer- denden Menschen, die stets auf großem Fuß leben, ohne daß man recht weiß, wovon, die sich überall eine gewisse Autorität zu verschaffen wissen, ohne daß man weiß, woher, und hinter denen man immer et- was Besonderes, ja Geheimnißvolles sucht, ohne daß
Briefe eines Verstorbenen III. 24
Der Nachmittag war befriedigender. Ich ſtieg auf den Hügeln über der Stadt umher, und kroch zu- letzt auf den Boden einer Windmühle, um von dort aus das ganze Panorama Brightons zu überſehen. Der Sturm ſchleuderte die Flügel der Mühle mit ſol- cher Gewalt um ihre Axe, daß das ganze Gebäude ſchwankte, wie ein Schiff. Der Müllerburſche, wel- cher mir den Weg hinauf gezeigt, brachte nun aus einem Mehlkaſten ein Perſpektiv hervor, das aber leider, ohngeachtet ſeines weichen Lagers, zerbrochen war. Ich begnügte mich indeß ſchon gern mit der ſchönen Totalausſicht, die durch viele Hunderte von Fiſcherbarken, welche mit dem Winde kämpften, ſehr belebt wurde, und eilte dann mit der ſinkenden Sonne den geſellſchaftlichen Pflichten wieder zu.
Die Anzahl der Gäſte beim Grafen F.... war nur klein, aber intereſſant, einmal durch die Wirthe ſelbſt, dann durch eine ihrer Schönheit wegen berühmte Dame, und endlich durch einen ſehr bekannten ehe- maligen Pariſer Tonangeber, M …, der in ſeiner Jugend dort lange eine Rolle geſpielt, immer zu- gleich auch in politiſche Verhältniſſe verwickelt war, und jetzt einen großen Theil des Jahres in England lebt, wahrſcheinlich auch nicht ohne politiſche Abſich- ten, einer von den heut zu Tage ziemlich ſelten wer- denden Menſchen, die ſtets auf großem Fuß leben, ohne daß man recht weiß, wovon, die ſich überall eine gewiſſe Autorität zu verſchaffen wiſſen, ohne daß man weiß, woher, und hinter denen man immer et- was Beſonderes, ja Geheimnißvolles ſucht, ohne daß
Briefe eines Verſtorbenen III. 24
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0415"n="369"/><p>Der Nachmittag war befriedigender. Ich ſtieg auf<lb/>
den Hügeln über der Stadt umher, und kroch zu-<lb/>
letzt auf den Boden einer Windmühle, um von dort<lb/>
aus das ganze Panorama Brightons zu überſehen.<lb/>
Der Sturm ſchleuderte die Flügel der Mühle mit ſol-<lb/>
cher Gewalt um ihre Axe, daß das ganze Gebäude<lb/>ſchwankte, wie ein Schiff. Der Müllerburſche, wel-<lb/>
cher mir den Weg hinauf gezeigt, brachte nun aus<lb/>
einem Mehlkaſten ein Perſpektiv hervor, das aber<lb/>
leider, ohngeachtet ſeines weichen Lagers, zerbrochen<lb/>
war. Ich begnügte mich indeß ſchon gern mit der<lb/>ſchönen Totalausſicht, die durch viele Hunderte von<lb/>
Fiſcherbarken, welche mit dem Winde kämpften, ſehr<lb/>
belebt wurde, und eilte dann mit der ſinkenden Sonne<lb/>
den geſellſchaftlichen Pflichten wieder zu.</p><lb/><p>Die Anzahl der Gäſte beim Grafen F.... war nur<lb/>
klein, aber intereſſant, einmal durch die Wirthe ſelbſt,<lb/>
dann durch eine ihrer Schönheit wegen berühmte<lb/>
Dame, und endlich durch einen ſehr bekannten ehe-<lb/>
maligen Pariſer Tonangeber, M …, der in ſeiner<lb/>
Jugend dort lange eine Rolle geſpielt, immer zu-<lb/>
gleich auch in politiſche Verhältniſſe verwickelt war,<lb/>
und jetzt einen großen Theil des Jahres in England<lb/>
lebt, wahrſcheinlich auch nicht ohne politiſche Abſich-<lb/>
ten, einer von den heut zu Tage ziemlich ſelten wer-<lb/>
denden Menſchen, die ſtets auf großem Fuß leben,<lb/>
ohne daß man recht weiß, wovon, die ſich überall<lb/>
eine gewiſſe Autorität zu verſchaffen wiſſen, ohne daß<lb/>
man weiß, woher, und hinter denen man immer et-<lb/>
was Beſonderes, ja Geheimnißvolles ſucht, ohne daß<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Briefe eines Verſtorbenen <hirendition="#aq">III.</hi> 24</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[369/0415]
Der Nachmittag war befriedigender. Ich ſtieg auf
den Hügeln über der Stadt umher, und kroch zu-
letzt auf den Boden einer Windmühle, um von dort
aus das ganze Panorama Brightons zu überſehen.
Der Sturm ſchleuderte die Flügel der Mühle mit ſol-
cher Gewalt um ihre Axe, daß das ganze Gebäude
ſchwankte, wie ein Schiff. Der Müllerburſche, wel-
cher mir den Weg hinauf gezeigt, brachte nun aus
einem Mehlkaſten ein Perſpektiv hervor, das aber
leider, ohngeachtet ſeines weichen Lagers, zerbrochen
war. Ich begnügte mich indeß ſchon gern mit der
ſchönen Totalausſicht, die durch viele Hunderte von
Fiſcherbarken, welche mit dem Winde kämpften, ſehr
belebt wurde, und eilte dann mit der ſinkenden Sonne
den geſellſchaftlichen Pflichten wieder zu.
Die Anzahl der Gäſte beim Grafen F.... war nur
klein, aber intereſſant, einmal durch die Wirthe ſelbſt,
dann durch eine ihrer Schönheit wegen berühmte
Dame, und endlich durch einen ſehr bekannten ehe-
maligen Pariſer Tonangeber, M …, der in ſeiner
Jugend dort lange eine Rolle geſpielt, immer zu-
gleich auch in politiſche Verhältniſſe verwickelt war,
und jetzt einen großen Theil des Jahres in England
lebt, wahrſcheinlich auch nicht ohne politiſche Abſich-
ten, einer von den heut zu Tage ziemlich ſelten wer-
denden Menſchen, die ſtets auf großem Fuß leben,
ohne daß man recht weiß, wovon, die ſich überall
eine gewiſſe Autorität zu verſchaffen wiſſen, ohne daß
man weiß, woher, und hinter denen man immer et-
was Beſonderes, ja Geheimnißvolles ſucht, ohne daß
Briefe eines Verſtorbenen III. 24
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/415>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.