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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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dabei voll Feuer, gutmüthig, bieder und brav, aber
kindisch eitel, und von dieser Seite eben so verwund-
bar, als leicht zu gewinnen. Es ward mir daher
nicht schwer, seine Gewogenheit zu erlangen, und da
ich mich ohnehin ziemlich langweilte, setzte ich mich
mit ihm allein in dem Theesaal auf eine der hölzer-
nen, mit schlechtem Tuch beschlagenen Bänke nieder,
und ließ mir von seiner Güter Herrlichkeiten, allen
Schlachten seiner Vorfahren, und seinen eignen Rei-
sen und Thaten eine Stunde lang vorerzählen. Die
Hauptsache, auf die der liebe Mann, der gut seine 50
Jahre und darüber zählte, immerwährend zurückkam,
war seine schottische Tracht, die er mir sehr ausführ-
lich beschrieb, und dabei mit Wohlgefallen seines Auf-
enthalts in Berlin erwähnte, wo er Anno 1800 ge-
wesen und, wie er berichtete, seine Tracht bei der Re-
vue Allen so aufgefallen sey, daß der König ihn, ohne
daß er Seiner Majestät noch präsentirt gewesen sey,
schon in Potsdam zur Tafel eingeladen, eine Ehre,
die, seiner Versicherung nach, nur den Pairs des Lan-
des und den ausgezeichnetsten Fremden zu Theil wür-
de. Ich wollte hier etwas erwiedern, er unterbrach
mich aber schnell und versicherte, das sey noch nicht
Alles. Er habe an jenem Tage nur die halbe schot-
tische Tracht getragen, und englische Pantalons dazu
angehabt, den andern sey er aber mit bloßen Schen-
keln und einem soot mit Silber beschlagen, beim Ma-
noeuvre erschienen. Der König und der ganze Hof habe
ihn angestaunt, und eine Viertelstunde später sey aber-
mals eine Einladung zur Tafel gekommen, worüber

dabei voll Feuer, gutmüthig, bieder und brav, aber
kindiſch eitel, und von dieſer Seite eben ſo verwund-
bar, als leicht zu gewinnen. Es ward mir daher
nicht ſchwer, ſeine Gewogenheit zu erlangen, und da
ich mich ohnehin ziemlich langweilte, ſetzte ich mich
mit ihm allein in dem Theeſaal auf eine der hölzer-
nen, mit ſchlechtem Tuch beſchlagenen Bänke nieder,
und ließ mir von ſeiner Güter Herrlichkeiten, allen
Schlachten ſeiner Vorfahren, und ſeinen eignen Rei-
ſen und Thaten eine Stunde lang vorerzählen. Die
Hauptſache, auf die der liebe Mann, der gut ſeine 50
Jahre und darüber zählte, immerwährend zurückkam,
war ſeine ſchottiſche Tracht, die er mir ſehr ausführ-
lich beſchrieb, und dabei mit Wohlgefallen ſeines Auf-
enthalts in Berlin erwähnte, wo er Anno 1800 ge-
weſen und, wie er berichtete, ſeine Tracht bei der Re-
vue Allen ſo aufgefallen ſey, daß der König ihn, ohne
daß er Seiner Majeſtät noch präſentirt geweſen ſey,
ſchon in Potsdam zur Tafel eingeladen, eine Ehre,
die, ſeiner Verſicherung nach, nur den Pairs des Lan-
des und den ausgezeichnetſten Fremden zu Theil wür-
de. Ich wollte hier etwas erwiedern, er unterbrach
mich aber ſchnell und verſicherte, das ſey noch nicht
Alles. Er habe an jenem Tage nur die halbe ſchot-
tiſche Tracht getragen, und engliſche Pantalons dazu
angehabt, den andern ſey er aber mit bloßen Schen-
keln und einem soot mit Silber beſchlagen, beim Ma-
noeuvre erſchienen. Der König und der ganze Hof habe
ihn angeſtaunt, und eine Viertelſtunde ſpäter ſey aber-
mals eine Einladung zur Tafel gekommen, worüber

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[361/0407] dabei voll Feuer, gutmüthig, bieder und brav, aber kindiſch eitel, und von dieſer Seite eben ſo verwund- bar, als leicht zu gewinnen. Es ward mir daher nicht ſchwer, ſeine Gewogenheit zu erlangen, und da ich mich ohnehin ziemlich langweilte, ſetzte ich mich mit ihm allein in dem Theeſaal auf eine der hölzer- nen, mit ſchlechtem Tuch beſchlagenen Bänke nieder, und ließ mir von ſeiner Güter Herrlichkeiten, allen Schlachten ſeiner Vorfahren, und ſeinen eignen Rei- ſen und Thaten eine Stunde lang vorerzählen. Die Hauptſache, auf die der liebe Mann, der gut ſeine 50 Jahre und darüber zählte, immerwährend zurückkam, war ſeine ſchottiſche Tracht, die er mir ſehr ausführ- lich beſchrieb, und dabei mit Wohlgefallen ſeines Auf- enthalts in Berlin erwähnte, wo er Anno 1800 ge- weſen und, wie er berichtete, ſeine Tracht bei der Re- vue Allen ſo aufgefallen ſey, daß der König ihn, ohne daß er Seiner Majeſtät noch präſentirt geweſen ſey, ſchon in Potsdam zur Tafel eingeladen, eine Ehre, die, ſeiner Verſicherung nach, nur den Pairs des Lan- des und den ausgezeichnetſten Fremden zu Theil wür- de. Ich wollte hier etwas erwiedern, er unterbrach mich aber ſchnell und verſicherte, das ſey noch nicht Alles. Er habe an jenem Tage nur die halbe ſchot- tiſche Tracht getragen, und engliſche Pantalons dazu angehabt, den andern ſey er aber mit bloßen Schen- keln und einem soot mit Silber beſchlagen, beim Ma- noeuvre erſchienen. Der König und der ganze Hof habe ihn angeſtaunt, und eine Viertelſtunde ſpäter ſey aber- mals eine Einladung zur Tafel gekommen, worüber

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/407>, abgerufen am 18.05.2024.