Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

als Herr R., und liefert zugleich einen Beweis, daß
dieses Talent allein Folge der dazu so vortrefflich
passenden Sprache, und einer aus dieser wiederum
entspringenden Erziehung ist. Denn Herr R. ist ein
Deutscher, ich glaube ein Schwabe, aber als zwei-
jähriges Kind nach Frankreich gekommen, und daher
als Franzose erzogen worden. Die Sprache macht
den Menschen mehr, als das Blut, aber das Blut
hat freilich früher die Sprache gemacht.

Uebrigens muß man auch wieder bekennen, daß,
so brillant ein solches liebenswürdiges Geschwätz auch
im ersten Augenblick erscheint, es zuletzt doch nur
wie eine Fusee zerplatzt, und der Erinnerung nichts
mehr zurückläßt, so daß der pedantische Deutsche so-
gar eine Art Unbehaglichkeit darnach fühlt, und be-
dauert, seine Zeit unnütz verloren zu haben. Wäre
dem deutschen Element, das sich seine Sprache gebil-
det, es auch noch möglich gewesen, ihr jene Leichtig-
keit, Rundung, angenehme Zweideutigkeit und zu-
gleich Präcision und Abgeschlossenheit zu geben, welche
Eigenschaften auch die französische Dreistigkeit in den
gesellschaftlichen Verhältnissen hervorrufen, so müßte
des Deutschen Conversation gewiß die befriedigendste
von beiden seyn, da er nie versäumen würde, dem
Angenehmen auch das Nützliche beizufügen. So aber
bleibt uns Deutschen gewöhnlich in der Gesellschaft
nur die Art Verstand übrig, welche die Franzosen
so treffend l'esprit des escaliers nennen, nämlich der,
welcher Einem erst auf der Treppe eingiebt, was
man hätte im Salon sagen sollen.

als Herr R., und liefert zugleich einen Beweis, daß
dieſes Talent allein Folge der dazu ſo vortrefflich
paſſenden Sprache, und einer aus dieſer wiederum
entſpringenden Erziehung iſt. Denn Herr R. iſt ein
Deutſcher, ich glaube ein Schwabe, aber als zwei-
jähriges Kind nach Frankreich gekommen, und daher
als Franzoſe erzogen worden. Die Sprache macht
den Menſchen mehr, als das Blut, aber das Blut
hat freilich früher die Sprache gemacht.

Uebrigens muß man auch wieder bekennen, daß,
ſo brillant ein ſolches liebenswürdiges Geſchwätz auch
im erſten Augenblick erſcheint, es zuletzt doch nur
wie eine Fuſée zerplatzt, und der Erinnerung nichts
mehr zurückläßt, ſo daß der pedantiſche Deutſche ſo-
gar eine Art Unbehaglichkeit darnach fühlt, und be-
dauert, ſeine Zeit unnütz verloren zu haben. Wäre
dem deutſchen Element, das ſich ſeine Sprache gebil-
det, es auch noch möglich geweſen, ihr jene Leichtig-
keit, Rundung, angenehme Zweideutigkeit und zu-
gleich Präciſion und Abgeſchloſſenheit zu geben, welche
Eigenſchaften auch die franzöſiſche Dreiſtigkeit in den
geſellſchaftlichen Verhältniſſen hervorrufen, ſo müßte
des Deutſchen Converſation gewiß die befriedigendſte
von beiden ſeyn, da er nie verſäumen würde, dem
Angenehmen auch das Nützliche beizufügen. So aber
bleibt uns Deutſchen gewöhnlich in der Geſellſchaft
nur die Art Verſtand übrig, welche die Franzoſen
ſo treffend l’esprit des escaliers nennen, nämlich der,
welcher Einem erſt auf der Treppe eingiebt, was
man hätte im Salon ſagen ſollen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0358" n="312"/>
als Herr R., und liefert zugleich einen Beweis, daß<lb/>
die&#x017F;es Talent allein Folge der dazu &#x017F;o vortrefflich<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;enden Sprache, und einer aus die&#x017F;er wiederum<lb/>
ent&#x017F;pringenden Erziehung i&#x017F;t. Denn Herr R. i&#x017F;t ein<lb/>
Deut&#x017F;cher, ich glaube ein Schwabe, aber als zwei-<lb/>
jähriges Kind nach Frankreich gekommen, und daher<lb/>
als Franzo&#x017F;e erzogen worden. Die Sprache macht<lb/>
den Men&#x017F;chen mehr, als das Blut, aber das Blut<lb/>
hat freilich früher die Sprache gemacht.</p><lb/>
          <p>Uebrigens muß man auch wieder bekennen, daß,<lb/>
&#x017F;o brillant ein &#x017F;olches liebenswürdiges Ge&#x017F;chwätz auch<lb/>
im er&#x017F;ten Augenblick er&#x017F;cheint, es zuletzt doch nur<lb/>
wie eine Fu&#x017F;<hi rendition="#aq">é</hi>e zerplatzt, und der Erinnerung nichts<lb/>
mehr zurückläßt, &#x017F;o daß der pedanti&#x017F;che Deut&#x017F;che &#x017F;o-<lb/>
gar eine Art Unbehaglichkeit darnach fühlt, und be-<lb/>
dauert, &#x017F;eine Zeit unnütz verloren zu haben. Wäre<lb/>
dem deut&#x017F;chen Element, das &#x017F;ich &#x017F;eine Sprache gebil-<lb/>
det, es auch noch möglich gewe&#x017F;en, ihr jene Leichtig-<lb/>
keit, Rundung, angenehme Zweideutigkeit und zu-<lb/>
gleich Präci&#x017F;ion und Abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit zu geben, welche<lb/>
Eigen&#x017F;chaften auch die franzö&#x017F;i&#x017F;che Drei&#x017F;tigkeit in den<lb/>
ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Verhältni&#x017F;&#x017F;en hervorrufen, &#x017F;o müßte<lb/>
des Deut&#x017F;chen Conver&#x017F;ation gewiß die befriedigend&#x017F;te<lb/>
von beiden &#x017F;eyn, da er nie ver&#x017F;äumen würde, dem<lb/>
Angenehmen auch das Nützliche beizufügen. So aber<lb/>
bleibt uns Deut&#x017F;chen gewöhnlich in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
nur die Art Ver&#x017F;tand übrig, welche die Franzo&#x017F;en<lb/>
&#x017F;o treffend <hi rendition="#aq">l&#x2019;esprit des escaliers</hi> nennen, nämlich der,<lb/>
welcher Einem er&#x017F;t auf der Treppe eingiebt, was<lb/>
man hätte im Salon &#x017F;agen &#x017F;ollen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0358] als Herr R., und liefert zugleich einen Beweis, daß dieſes Talent allein Folge der dazu ſo vortrefflich paſſenden Sprache, und einer aus dieſer wiederum entſpringenden Erziehung iſt. Denn Herr R. iſt ein Deutſcher, ich glaube ein Schwabe, aber als zwei- jähriges Kind nach Frankreich gekommen, und daher als Franzoſe erzogen worden. Die Sprache macht den Menſchen mehr, als das Blut, aber das Blut hat freilich früher die Sprache gemacht. Uebrigens muß man auch wieder bekennen, daß, ſo brillant ein ſolches liebenswürdiges Geſchwätz auch im erſten Augenblick erſcheint, es zuletzt doch nur wie eine Fuſée zerplatzt, und der Erinnerung nichts mehr zurückläßt, ſo daß der pedantiſche Deutſche ſo- gar eine Art Unbehaglichkeit darnach fühlt, und be- dauert, ſeine Zeit unnütz verloren zu haben. Wäre dem deutſchen Element, das ſich ſeine Sprache gebil- det, es auch noch möglich geweſen, ihr jene Leichtig- keit, Rundung, angenehme Zweideutigkeit und zu- gleich Präciſion und Abgeſchloſſenheit zu geben, welche Eigenſchaften auch die franzöſiſche Dreiſtigkeit in den geſellſchaftlichen Verhältniſſen hervorrufen, ſo müßte des Deutſchen Converſation gewiß die befriedigendſte von beiden ſeyn, da er nie verſäumen würde, dem Angenehmen auch das Nützliche beizufügen. So aber bleibt uns Deutſchen gewöhnlich in der Geſellſchaft nur die Art Verſtand übrig, welche die Franzoſen ſo treffend l’esprit des escaliers nennen, nämlich der, welcher Einem erſt auf der Treppe eingiebt, was man hätte im Salon ſagen ſollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/358
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/358>, abgerufen am 23.11.2024.