ist, ihr seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der große Philosoph Locke, von Gibson, erscheint als ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein schö- ner, fetter Luther, von Holbein, der stattliche Hen- del, von Hodson, und ein Portrait von Hugo Gro- tius, mit einem feinen, schlauen und doch ritterlich ehrlichen Gesicht, mehr den rüstigen Weltmann als den Gelehrten zeigend. Das sind ungefähr die Ge- genstände, die mich am meisten anzogen.
Den 9ten.
Heute bin ich erst recht in Oxford umbergeirrt, und kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü- gen ich in dieser gothischen Stadt, von Kloster zu Kloster wandernd, mir die alten Zeiten aufgefrischt habe. Unter andern gibt es eine prachtvolle Allee von Rüstern hier, die, gleich den von dieser Prome- nade sichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren Ursprung verdankt. Von dieser Königin aller Alleen, in der auch nicht ein Baum fehlt, und die mitten durch eine Wiese am Wasser hinführt, sieht man von der einen Seite eine reizende Landschaft, von der an- dern einen Theil der Stadt mit fünf bis sechs der schönsten gothischen Thürme, an sich schon ein herr- licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo- genen Himmel, an dem der Wind schwarze, phanta- stische Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und
iſt, ihr ſeinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der große Philoſoph Locke, von Gibſon, erſcheint als ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein ſchö- ner, fetter Luther, von Holbein, der ſtattliche Hen- del, von Hodſon, und ein Portrait von Hugo Gro- tius, mit einem feinen, ſchlauen und doch ritterlich ehrlichen Geſicht, mehr den rüſtigen Weltmann als den Gelehrten zeigend. Das ſind ungefähr die Ge- genſtände, die mich am meiſten anzogen.
Den 9ten.
Heute bin ich erſt recht in Oxford umbergeirrt, und kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü- gen ich in dieſer gothiſchen Stadt, von Kloſter zu Kloſter wandernd, mir die alten Zeiten aufgefriſcht habe. Unter andern gibt es eine prachtvolle Allee von Rüſtern hier, die, gleich den von dieſer Prome- nade ſichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren Urſprung verdankt. Von dieſer Königin aller Alleen, in der auch nicht ein Baum fehlt, und die mitten durch eine Wieſe am Waſſer hinführt, ſieht man von der einen Seite eine reizende Landſchaft, von der an- dern einen Theil der Stadt mit fünf bis ſechs der ſchönſten gothiſchen Thürme, an ſich ſchon ein herr- licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo- genen Himmel, an dem der Wind ſchwarze, phanta- ſtiſche Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und
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iſt, ihr ſeinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der
große Philoſoph Locke, von Gibſon, erſcheint als
ein magrer Stubengelehrter; daneben hängen ein ſchö-
ner, fetter Luther, von Holbein, der ſtattliche Hen-
del, von Hodſon, und ein Portrait von Hugo Gro-
tius, mit einem feinen, ſchlauen und doch ritterlich
ehrlichen Geſicht, mehr den rüſtigen Weltmann als
den Gelehrten zeigend. Das ſind ungefähr die Ge-
genſtände, die mich am meiſten anzogen.
Den 9ten.
Heute bin ich erſt recht in Oxford umbergeirrt, und
kann nicht ausdrücken, mit welchem innigen Vergnü-
gen ich in dieſer gothiſchen Stadt, von Kloſter zu
Kloſter wandernd, mir die alten Zeiten aufgefriſcht
habe. Unter andern gibt es eine prachtvolle Allee
von Rüſtern hier, die, gleich den von dieſer Prome-
nade ſichtbaren Gebäuden, dem Jahre 1520 ihren
Urſprung verdankt. Von dieſer Königin aller Alleen,
in der auch nicht ein Baum fehlt, und die mitten
durch eine Wieſe am Waſſer hinführt, ſieht man von
der einen Seite eine reizende Landſchaft, von der an-
dern einen Theil der Stadt mit fünf bis ſechs der
ſchönſten gothiſchen Thürme, an ſich ſchon ein herr-
licher Anblick, der aber heute noch durch einen bezo-
genen Himmel, an dem der Wind ſchwarze, phanta-
ſtiſche Wolken, gleich dem wilden Heere hinjagte, und
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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