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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Menschheit zu einer höhern Existenz auf einem an-
dern Planeten reif seyn möchte. Demungeachtet bin
ich mit dem Katholiken in so weit einverstanden, daß
die unüberlegte Vertheilung der Bibeln an Alle (auch
die ungebildetsten Wilden) das Kind mit dem Bade
verschütten heißt.

Ich wanderte von hier nach dem Museum, das
eine Mischung sehr verschiedener Gegenstände enthält.
Gleich beim Eingange sieht man auf der Treppe ein
Bild der Schlacht von Pavia, worin die wichtigsten
Personen Pertraits sind, in ihrer Zeit nach dem Le-
ben gemalt, wie daneben bemerkt ist. Das Bild ist
ganz in dem Styl der alten Miniaturen, und auch
sehr merkwürdig wegen der vielen genauen Trachten
und Rüstungen jener Zeit. Darunter steht: Comen
les gens de Lempereur deffirent les francoys en lan

1525. Des Kardinal Wolsey und Kardinal Richelieu
Bildnisse, so wie mehrerer anderer historischer Perso-
nen zierten diese Treppe. Unter ihnen befand sich
auch das eines berühmten Gärtners Carls I., Tre-
descant mit Namen, von welchem Collegen R ....
nicht wegzubringen war, das Bild mit einer Art Pro-
tektion betrachtend, und besonders sehr zufrieden mit
einer Guirlande von Mohrrüben und Gurken, die
den Gartenahn malerisch umschlang. Für mich war
das Interessanteste auf diesem Gemälde das Konterfey
eines seltsamen, ganz Tausend und eine Nacht ähn-
lichen großen Vogels, mit Namen Dodo, der diesem
Gärtner lebendig zugehört haben, seitdem aber nie

Menſchheit zu einer höhern Exiſtenz auf einem an-
dern Planeten reif ſeyn möchte. Demungeachtet bin
ich mit dem Katholiken in ſo weit einverſtanden, daß
die unüberlegte Vertheilung der Bibeln an Alle (auch
die ungebildetſten Wilden) das Kind mit dem Bade
verſchütten heißt.

Ich wanderte von hier nach dem Muſeum, das
eine Miſchung ſehr verſchiedener Gegenſtände enthält.
Gleich beim Eingange ſieht man auf der Treppe ein
Bild der Schlacht von Pavia, worin die wichtigſten
Perſonen Pertraits ſind, in ihrer Zeit nach dem Le-
ben gemalt, wie daneben bemerkt iſt. Das Bild iſt
ganz in dem Styl der alten Miniaturen, und auch
ſehr merkwürdig wegen der vielen genauen Trachten
und Rüſtungen jener Zeit. Darunter ſteht: Comen
les gens de Lempereur deffirent les francoys en lan

1525. Des Kardinal Wolſey und Kardinal Richelieu
Bildniſſe, ſo wie mehrerer anderer hiſtoriſcher Perſo-
nen zierten dieſe Treppe. Unter ihnen befand ſich
auch das eines berühmten Gärtners Carls I., Tre-
descant mit Namen, von welchem Collegen R ....
nicht wegzubringen war, das Bild mit einer Art Pro-
tektion betrachtend, und beſonders ſehr zufrieden mit
einer Guirlande von Mohrrüben und Gurken, die
den Gartenahn maleriſch umſchlang. Für mich war
das Intereſſanteſte auf dieſem Gemälde das Konterfey
eines ſeltſamen, ganz Tauſend und eine Nacht ähn-
lichen großen Vogels, mit Namen Dodo, der dieſem
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[281/0327] Menſchheit zu einer höhern Exiſtenz auf einem an- dern Planeten reif ſeyn möchte. Demungeachtet bin ich mit dem Katholiken in ſo weit einverſtanden, daß die unüberlegte Vertheilung der Bibeln an Alle (auch die ungebildetſten Wilden) das Kind mit dem Bade verſchütten heißt. Ich wanderte von hier nach dem Muſeum, das eine Miſchung ſehr verſchiedener Gegenſtände enthält. Gleich beim Eingange ſieht man auf der Treppe ein Bild der Schlacht von Pavia, worin die wichtigſten Perſonen Pertraits ſind, in ihrer Zeit nach dem Le- ben gemalt, wie daneben bemerkt iſt. Das Bild iſt ganz in dem Styl der alten Miniaturen, und auch ſehr merkwürdig wegen der vielen genauen Trachten und Rüſtungen jener Zeit. Darunter ſteht: Comen les gens de Lempereur deffirent les francoys en lan 1525. Des Kardinal Wolſey und Kardinal Richelieu Bildniſſe, ſo wie mehrerer anderer hiſtoriſcher Perſo- nen zierten dieſe Treppe. Unter ihnen befand ſich auch das eines berühmten Gärtners Carls I., Tre- descant mit Namen, von welchem Collegen R .... nicht wegzubringen war, das Bild mit einer Art Pro- tektion betrachtend, und beſonders ſehr zufrieden mit einer Guirlande von Mohrrüben und Gurken, die den Gartenahn maleriſch umſchlang. Für mich war das Intereſſanteſte auf dieſem Gemälde das Konterfey eines ſeltſamen, ganz Tauſend und eine Nacht ähn- lichen großen Vogels, mit Namen Dodo, der dieſem Gärtner lebendig zugehört haben, ſeitdem aber nie

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/327>, abgerufen am 03.09.2024.