wo England auf derselben Stufe der Cultur stand, die bei uns der gemeine Mann noch jetzt einnimmt. Millionen Namen, von Königen und Bettlern hinge- schrieben, bedecken die Wände des kleinen Zimmers, und obgleich ich dieses Anhängen an fremde Größe, wie Ungeziefer an Marmorpallästen klebt, nicht be- sonders liebe, so konnte ich doch hier dem Drange nicht widerstehen, auch meinen Namen mit einer tie- fen Empfindung von Dankbarkeit und Ehrfurcht den übrigen beizugesellen.
Die Kirche am Avon (derselbe Fluß, der War- wicks ehrwürdige Schloßmauern bespült) wo Sha- kespeare begraben liegt, ist ein schöner Ueberrest des Alterthums, mit vielen merkwürdigen Monumenten geziert, unter denen natürlich das des unsterblichen Dichters oben an steht. Es war früher, so wie seine Büste, in bunten Farben gemalt und vergoldet, ist aber durch die Stupidität eines gewissen Malone vor nahe 100 Jahren überweißt worden, wodurch es viel von seiner Eigenthümlichkeit verloren haben muß. Die Büste ist übrigens nichts weniger als von künst- lerischem Werth, und auch ohne Ausdruck, wahr- scheinlich also auch ohne Aehnlichkeit. Es gelang mir nur mit vieler Mühe und Geld, ein kleines Bild des Denkmals in den alten Farben, welches das letzte noch vorräthige Exemplar war, von der Küsterin zu erlangen, was ich diesem Briefe beilege.
Außerdem kaufte ich im Buchladen mehrere An- sichten des Orts, und der erwähnten Gegenstände
wo England auf derſelben Stufe der Cultur ſtand, die bei uns der gemeine Mann noch jetzt einnimmt. Millionen Namen, von Königen und Bettlern hinge- ſchrieben, bedecken die Wände des kleinen Zimmers, und obgleich ich dieſes Anhängen an fremde Größe, wie Ungeziefer an Marmorpalläſten klebt, nicht be- ſonders liebe, ſo konnte ich doch hier dem Drange nicht widerſtehen, auch meinen Namen mit einer tie- fen Empfindung von Dankbarkeit und Ehrfurcht den übrigen beizugeſellen.
Die Kirche am Avon (derſelbe Fluß, der War- wicks ehrwürdige Schloßmauern beſpült) wo Sha- kespeare begraben liegt, iſt ein ſchöner Ueberreſt des Alterthums, mit vielen merkwürdigen Monumenten geziert, unter denen natürlich das des unſterblichen Dichters oben an ſteht. Es war früher, ſo wie ſeine Büſte, in bunten Farben gemalt und vergoldet, iſt aber durch die Stupidität eines gewiſſen Malone vor nahe 100 Jahren überweißt worden, wodurch es viel von ſeiner Eigenthümlichkeit verloren haben muß. Die Büſte iſt übrigens nichts weniger als von künſt- leriſchem Werth, und auch ohne Ausdruck, wahr- ſcheinlich alſo auch ohne Aehnlichkeit. Es gelang mir nur mit vieler Mühe und Geld, ein kleines Bild des Denkmals in den alten Farben, welches das letzte noch vorräthige Exemplar war, von der Küſterin zu erlangen, was ich dieſem Briefe beilege.
Außerdem kaufte ich im Buchladen mehrere An- ſichten des Orts, und der erwähnten Gegenſtände
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wo England auf derſelben Stufe der Cultur ſtand,
die bei uns der gemeine Mann noch jetzt einnimmt.
Millionen Namen, von Königen und Bettlern hinge-
ſchrieben, bedecken die Wände des kleinen Zimmers,
und obgleich ich dieſes Anhängen an fremde Größe,
wie Ungeziefer an Marmorpalläſten klebt, nicht be-
ſonders liebe, ſo konnte ich doch hier dem Drange
nicht widerſtehen, auch meinen Namen mit einer tie-
fen Empfindung von Dankbarkeit und Ehrfurcht den
übrigen beizugeſellen.
Die Kirche am Avon (derſelbe Fluß, der War-
wicks ehrwürdige Schloßmauern beſpült) wo Sha-
kespeare begraben liegt, iſt ein ſchöner Ueberreſt des
Alterthums, mit vielen merkwürdigen Monumenten
geziert, unter denen natürlich das des unſterblichen
Dichters oben an ſteht. Es war früher, ſo wie ſeine
Büſte, in bunten Farben gemalt und vergoldet, iſt
aber durch die Stupidität eines gewiſſen Malone vor
nahe 100 Jahren überweißt worden, wodurch es viel
von ſeiner Eigenthümlichkeit verloren haben muß.
Die Büſte iſt übrigens nichts weniger als von künſt-
leriſchem Werth, und auch ohne Ausdruck, wahr-
ſcheinlich alſo auch ohne Aehnlichkeit. Es gelang mir
nur mit vieler Mühe und Geld, ein kleines Bild des
Denkmals in den alten Farben, welches das letzte
noch vorräthige Exemplar war, von der Küſterin zu
erlangen, was ich dieſem Briefe beilege.
Außerdem kaufte ich im Buchladen mehrere An-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/313>, abgerufen am 25.11.2024.
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