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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Potsdam den biesigen Blumengarten nach. Ich hätte
mir, ich gestehe es, an seiner Stelle ein andres Mu-
ster gewählt, doch paßt dieser Styl sich allerdings vor
dem dortigen Palais weit besser, als vor einer gothi-
schen Burg. Kunstschätze sind mir hier gar nicht vor-
gekommen, bis auf einige mittelmäßige Gemälde von
West; alle Pracht liegt in den Stoffen und dem auf-
gewandten Gelde, wie der colossalen Größe der Staats-
zimmer und der Bibliothek, die als Reitbahn dienen
könnte. Das große Portrait des Besitzers und seiner
Gemahlin im Speisesaal gewährt auch wenig Interesse,
außer für Bekannte. Eine Menge affreuse gothische
Tempelchen verunstalten den pleasure ground, der
überdieß, so wie der Park, keine schönen Bäume hat,
indem der Boden ungünstig ist, und die Anlage überall
nicht alt zu seyn scheint. Die Gegend ist indeß recht
leidlich, obwohl nicht sehr pittoresk, und zu flach.

Da uns noch Zeit übrig blieb, besahen wir das
königliche Schloß in Chester, welches jetzt in ein vor-
treffliches Grafschafts-Gefängniß umgewandelt ist,
dessen Einrichtung mir eben so menschlich als muster-
haft in jeder Hinsicht erschien. Der Anblick von der
Terrasse des Corps de Logis, in dem die Gerichts-
säle sind, auf die Gefangenen in ihren Höfen tief
darunter, ist höchst überraschend.

Denke Dir eine hohe Felsenterrasse, auf der ein
Schloß mit zwei Flügeln steht. Das Corps de Logis
ist, wie gesagt, für die Gerichts-Lokale bestimmt, die
sehr geräumig sind, und die Flügel für die Gefan-

Potsdam den bieſigen Blumengarten nach. Ich hätte
mir, ich geſtehe es, an ſeiner Stelle ein andres Mu-
ſter gewählt, doch paßt dieſer Styl ſich allerdings vor
dem dortigen Palais weit beſſer, als vor einer gothi-
ſchen Burg. Kunſtſchätze ſind mir hier gar nicht vor-
gekommen, bis auf einige mittelmäßige Gemälde von
Weſt; alle Pracht liegt in den Stoffen und dem auf-
gewandten Gelde, wie der coloſſalen Größe der Staats-
zimmer und der Bibliothek, die als Reitbahn dienen
könnte. Das große Portrait des Beſitzers und ſeiner
Gemahlin im Speiſeſaal gewährt auch wenig Intereſſe,
außer für Bekannte. Eine Menge affreuſe gothiſche
Tempelchen verunſtalten den pleasure ground, der
überdieß, ſo wie der Park, keine ſchönen Bäume hat,
indem der Boden ungünſtig iſt, und die Anlage überall
nicht alt zu ſeyn ſcheint. Die Gegend iſt indeß recht
leidlich, obwohl nicht ſehr pittoresk, und zu flach.

Da uns noch Zeit übrig blieb, beſahen wir das
königliche Schloß in Cheſter, welches jetzt in ein vor-
treffliches Grafſchafts-Gefängniß umgewandelt iſt,
deſſen Einrichtung mir eben ſo menſchlich als muſter-
haft in jeder Hinſicht erſchien. Der Anblick von der
Terraſſe des Corps de Logis, in dem die Gerichts-
ſäle ſind, auf die Gefangenen in ihren Höfen tief
darunter, iſt höchſt überraſchend.

Denke Dir eine hohe Felſenterraſſe, auf der ein
Schloß mit zwei Flügeln ſteht. Das Corps de Logis
iſt, wie geſagt, für die Gerichts-Lokale beſtimmt, die
ſehr geräumig ſind, und die Flügel für die Gefan-

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[253/0299] Potsdam den bieſigen Blumengarten nach. Ich hätte mir, ich geſtehe es, an ſeiner Stelle ein andres Mu- ſter gewählt, doch paßt dieſer Styl ſich allerdings vor dem dortigen Palais weit beſſer, als vor einer gothi- ſchen Burg. Kunſtſchätze ſind mir hier gar nicht vor- gekommen, bis auf einige mittelmäßige Gemälde von Weſt; alle Pracht liegt in den Stoffen und dem auf- gewandten Gelde, wie der coloſſalen Größe der Staats- zimmer und der Bibliothek, die als Reitbahn dienen könnte. Das große Portrait des Beſitzers und ſeiner Gemahlin im Speiſeſaal gewährt auch wenig Intereſſe, außer für Bekannte. Eine Menge affreuſe gothiſche Tempelchen verunſtalten den pleasure ground, der überdieß, ſo wie der Park, keine ſchönen Bäume hat, indem der Boden ungünſtig iſt, und die Anlage überall nicht alt zu ſeyn ſcheint. Die Gegend iſt indeß recht leidlich, obwohl nicht ſehr pittoresk, und zu flach. Da uns noch Zeit übrig blieb, beſahen wir das königliche Schloß in Cheſter, welches jetzt in ein vor- treffliches Grafſchafts-Gefängniß umgewandelt iſt, deſſen Einrichtung mir eben ſo menſchlich als muſter- haft in jeder Hinſicht erſchien. Der Anblick von der Terraſſe des Corps de Logis, in dem die Gerichts- ſäle ſind, auf die Gefangenen in ihren Höfen tief darunter, iſt höchſt überraſchend. Denke Dir eine hohe Felſenterraſſe, auf der ein Schloß mit zwei Flügeln ſteht. Das Corps de Logis iſt, wie geſagt, für die Gerichts-Lokale beſtimmt, die ſehr geräumig ſind, und die Flügel für die Gefan-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/299>, abgerufen am 17.05.2024.