erwachsene Macht erhalten zu können. Sein Buch ist und bleibt für ewige Zeiten das unübertreffliche, das wahre Evangelium für Solche, und wir Preußen insbesondere mögen uns Glück wünschen, daß in neuester Zeit Napoleon seinen Machiavell so schlecht inne hatte, weil wir sonst wohl noch unter seinem Joche seufzen möchten!
Wie herrlich geht aber über diesen Abgrund, dem seine relative Wahrheit nicht abzustreiten ist, die Sonne des repräsentativen Volksfürsten neuerer Zeit auf! Wie nichtig wird dann, von dieser Basis aus- gehend, das ganze Gebäude der Finsterniß, welches Machiavell so meisterhaft entwickelt, und sinkt vor ihren Strahlen in nichts zusammen, denn es braucht ja nun weder mehr der List und Unwahrheit, noch der despotischen Gewalt und Furcht, um zu regieren. Humanität und Recht tritt, hundertmal mächtiger und wohlthätiger für Fürst und Völker, an die Stelle jenes trüben Glanzes, und dem fortwährenden Kriege folgt einst ein ewiger Frieden! Dies aber fühlte und ahnete, und wünschte Machiavell, und gar viele Stellen seines Buchs deuten deutlich darauf hin, un- ter andern, wenn er sagt: "Wer eine freie Stadt erobert hat, dem bleibt kein sicheres Mittel, sie zu behalten, als sie zu zerstören, oder ihre Einwoh- ner zu erneuen; denn keine Wohlthat des Souverains wird sie ihre verlorne Freiheit vergessen lassen."
erwachſene Macht erhalten zu können. Sein Buch iſt und bleibt für ewige Zeiten das unübertreffliche, das wahre Evangelium für Solche, und wir Preußen insbeſondere mögen uns Glück wünſchen, daß in neueſter Zeit Napoleon ſeinen Machiavell ſo ſchlecht inne hatte, weil wir ſonſt wohl noch unter ſeinem Joche ſeufzen möchten!
Wie herrlich geht aber über dieſen Abgrund, dem ſeine relative Wahrheit nicht abzuſtreiten iſt, die Sonne des repräſentativen Volksfürſten neuerer Zeit auf! Wie nichtig wird dann, von dieſer Baſis aus- gehend, das ganze Gebäude der Finſterniß, welches Machiavell ſo meiſterhaft entwickelt, und ſinkt vor ihren Strahlen in nichts zuſammen, denn es braucht ja nun weder mehr der Liſt und Unwahrheit, noch der deſpotiſchen Gewalt und Furcht, um zu regieren. Humanität und Recht tritt, hundertmal mächtiger und wohlthätiger für Fürſt und Völker, an die Stelle jenes trüben Glanzes, und dem fortwährenden Kriege folgt einſt ein ewiger Frieden! Dies aber fühlte und ahnete, und wünſchte Machiavell, und gar viele Stellen ſeines Buchs deuten deutlich darauf hin, un- ter andern, wenn er ſagt: „Wer eine freie Stadt erobert hat, dem bleibt kein ſicheres Mittel, ſie zu behalten, als ſie zu zerſtören, oder ihre Einwoh- ner zu erneuen; denn keine Wohlthat des Souverains wird ſie ihre verlorne Freiheit vergeſſen laſſen.“
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erwachſene Macht erhalten zu können. Sein Buch
iſt und bleibt für ewige Zeiten das unübertreffliche,
das wahre Evangelium für Solche, und wir Preußen
insbeſondere mögen uns Glück wünſchen, daß in
neueſter Zeit Napoleon ſeinen Machiavell ſo ſchlecht
inne hatte, weil wir ſonſt wohl noch unter ſeinem
Joche ſeufzen möchten!
Wie herrlich geht aber über dieſen Abgrund, dem
ſeine relative Wahrheit nicht abzuſtreiten iſt, die
Sonne des repräſentativen Volksfürſten neuerer Zeit
auf! Wie nichtig wird dann, von dieſer Baſis aus-
gehend, das ganze Gebäude der Finſterniß, welches
Machiavell ſo meiſterhaft entwickelt, und ſinkt vor
ihren Strahlen in nichts zuſammen, denn es braucht
ja nun weder mehr der Liſt und Unwahrheit, noch
der deſpotiſchen Gewalt und Furcht, um zu regieren.
Humanität und Recht tritt, hundertmal mächtiger
und wohlthätiger für Fürſt und Völker, an die Stelle
jenes trüben Glanzes, und dem fortwährenden Kriege
folgt einſt ein ewiger Frieden! Dies aber fühlte und
ahnete, und wünſchte Machiavell, und gar viele
Stellen ſeines Buchs deuten deutlich darauf hin, un-
ter andern, wenn er ſagt: „Wer eine freie Stadt
erobert hat, dem bleibt kein ſicheres Mittel, ſie
zu behalten, als ſie zu zerſtören, oder ihre Einwoh-
ner zu erneuen; denn keine Wohlthat des Souverains
wird ſie ihre verlorne Freiheit vergeſſen
laſſen.“
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/279>, abgerufen am 27.11.2024.
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