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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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hier der mächtigste Monarch der Erde als Hauptac-
teur vor einem in seiner Meinung so tief unter ihm
stehenden Publikum auftreten mußte! In der That
erinnerte die ganze Scene des Ein- und Ausgangs,
wie das Costume des Königs, frappant an die Art,
wie hier die historischen Theaterstücke aufgeführt zu
werden pflegen, und es fehlte blos der obligate Flou-
rish (Dusch der Trompeten) der das Kommen und
Gehen eines Shakespear'schen Königs stets begleitet,
um die Täuschung vollkommen zu machen.

Uebrigens las Georg IV. ohngeachtet seiner Schwäche
mit vielem Anstande und schönem Organ, aber auch
mit königlicher nonchalance, die nicht viel darnach
frägt, ob die Majestät sich verspricht, oder ein Wort
nicht gleich dechiffriren kann, die banale Rede ab.
Man sah indeß deutlich, daß der Monarch erfreut
war, als die Corvee ihr Ende erreicht hatte, so daß
der Abgang auch etwas rüstiger von statten ging als
der Einzug.

Seit meinem letzten Briefe war ich zweimal im
Theater, was man wegen der späten Eßstunden nie
besuchen kann, wenn man irgendwo eingeladen ist.

Ich fand Mozarts Figaro in Drurylane angekün-
digt, und freute mich, die süßen, vaterländischen
Töne wieder zu hören, ward aber nicht wenig von
der unerhörten Behandlung überrascht, die des unsterb-
lichen Componisten meisterhaftes Werk hier erfahren
mußte. Du wirst es mir gewiß kaum glauben wol-

hier der mächtigſte Monarch der Erde als Hauptac-
teur vor einem in ſeiner Meinung ſo tief unter ihm
ſtehenden Publikum auftreten mußte! In der That
erinnerte die ganze Scene des Ein- und Ausgangs,
wie das Coſtume des Königs, frappant an die Art,
wie hier die hiſtoriſchen Theaterſtücke aufgeführt zu
werden pflegen, und es fehlte blos der obligate Flou-
rish (Duſch der Trompeten) der das Kommen und
Gehen eines Shakespear’ſchen Königs ſtets begleitet,
um die Täuſchung vollkommen zu machen.

Uebrigens las Georg IV. ohngeachtet ſeiner Schwäche
mit vielem Anſtande und ſchönem Organ, aber auch
mit königlicher nonchalance, die nicht viel darnach
frägt, ob die Majeſtät ſich verſpricht, oder ein Wort
nicht gleich dechiffriren kann, die banale Rede ab.
Man ſah indeß deutlich, daß der Monarch erfreut
war, als die Corvée ihr Ende erreicht hatte, ſo daß
der Abgang auch etwas rüſtiger von ſtatten ging als
der Einzug.

Seit meinem letzten Briefe war ich zweimal im
Theater, was man wegen der ſpäten Eßſtunden nie
beſuchen kann, wenn man irgendwo eingeladen iſt.

Ich fand Mozarts Figaro in Drurylane angekün-
digt, und freute mich, die ſüßen, vaterländiſchen
Töne wieder zu hören, ward aber nicht wenig von
der unerhörten Behandlung überraſcht, die des unſterb-
lichen Componiſten meiſterhaftes Werk hier erfahren
mußte. Du wirſt es mir gewiß kaum glauben wol-

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[156/0200] hier der mächtigſte Monarch der Erde als Hauptac- teur vor einem in ſeiner Meinung ſo tief unter ihm ſtehenden Publikum auftreten mußte! In der That erinnerte die ganze Scene des Ein- und Ausgangs, wie das Coſtume des Königs, frappant an die Art, wie hier die hiſtoriſchen Theaterſtücke aufgeführt zu werden pflegen, und es fehlte blos der obligate Flou- rish (Duſch der Trompeten) der das Kommen und Gehen eines Shakespear’ſchen Königs ſtets begleitet, um die Täuſchung vollkommen zu machen. Uebrigens las Georg IV. ohngeachtet ſeiner Schwäche mit vielem Anſtande und ſchönem Organ, aber auch mit königlicher nonchalance, die nicht viel darnach frägt, ob die Majeſtät ſich verſpricht, oder ein Wort nicht gleich dechiffriren kann, die banale Rede ab. Man ſah indeß deutlich, daß der Monarch erfreut war, als die Corvée ihr Ende erreicht hatte, ſo daß der Abgang auch etwas rüſtiger von ſtatten ging als der Einzug. Seit meinem letzten Briefe war ich zweimal im Theater, was man wegen der ſpäten Eßſtunden nie beſuchen kann, wenn man irgendwo eingeladen iſt. Ich fand Mozarts Figaro in Drurylane angekün- digt, und freute mich, die ſüßen, vaterländiſchen Töne wieder zu hören, ward aber nicht wenig von der unerhörten Behandlung überraſcht, die des unſterb- lichen Componiſten meiſterhaftes Werk hier erfahren mußte. Du wirſt es mir gewiß kaum glauben wol-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/200>, abgerufen am 23.11.2024.