Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

cirt, als wir bei den Damen ankamen, die uns im
Salon, um einen großen Tisch gruppirt, mit Kaffee
und Thee erwarteten *).

Als die ganze Gesellschaft wieder vereinigt war,
theilte sich Alles, völlig ungenirt, in beliebige Grup-
pen. Einige machten Musik, wobei die melancholische
Schöne auf einer Orgel spielte, die wahrscheinlich zu
religiösem Gebrauch hier aufgestellt war, andere spiel-
ten Whist, hie und da flüsterte ein Pärchen in der
Fenster-Embrasure, Mehrere politisirten, nur der
Dandy war allein geblieben; in einen großen Lehn-
stuhl versunken, hatte er seinen rechten zierlich beschuh-
ten Fuß auf sein linkes Knie gelegt, und sich in die-
ser Stellung in Mde. de Stael's Buch sur l'Alle-

*) Beim Könige müssen die Damen, wie mir eine derselben
erzählt hat, rückwärts hinausgehen, um Seiner Majestät
nicht die verkehrte Seite zuzuwenden, welches gegen die,
in England zum Theil sehr streng beobachtete Etikette
ist. Dies hat sich jetzt zu einer völlig militärischen Evo-
lution ausgebildet, welche eine junge Neulingin oft in
Verlegenheit setzt. Die Damen schließen rückwärts, die
Richtung nach der Thüre, nach welcher sie sich in der
Diagonale ziehen. Sobald die Flügelfrau an dieser ange-
langt, macht sie rechtsum, traversirt hindurch, und so
jede folgende ihr nach. Lady C. commandirt. Im Gy-
näceum angekommen, präsentirt sich ihnen, ebenfalls in
Reih und Glied, eine Anzahl eleganter Porcellainvasen.
Apres cela nippt man von einem Glase Liqueur, setzt
sich zu Thee und Kaffee nieder, und nun beginnt die Da-
menunterhaltung. Man weiß, woraus sie gewöhnlich
besteht: Putz, Scandal und Liebe. "Such is the cus-
tom of Branksomchall."

cirt, als wir bei den Damen ankamen, die uns im
Salon, um einen großen Tiſch gruppirt, mit Kaffee
und Thee erwarteten *).

Als die ganze Geſellſchaft wieder vereinigt war,
theilte ſich Alles, völlig ungenirt, in beliebige Grup-
pen. Einige machten Muſik, wobei die melancholiſche
Schöne auf einer Orgel ſpielte, die wahrſcheinlich zu
religiöſem Gebrauch hier aufgeſtellt war, andere ſpiel-
ten Whiſt, hie und da flüſterte ein Pärchen in der
Fenſter-Embraſure, Mehrere politiſirten, nur der
Dandy war allein geblieben; in einen großen Lehn-
ſtuhl verſunken, hatte er ſeinen rechten zierlich beſchuh-
ten Fuß auf ſein linkes Knie gelegt, und ſich in die-
ſer Stellung in Mde. de Staël’s Buch sur l’Alle-

*) Beim Koͤnige muͤſſen die Damen, wie mir eine derſelben
erzaͤhlt hat, ruͤckwaͤrts hinausgehen, um Seiner Majeſtaͤt
nicht die verkehrte Seite zuzuwenden, welches gegen die,
in England zum Theil ſehr ſtreng beobachtete Etikette
iſt. Dies hat ſich jetzt zu einer voͤllig militaͤriſchen Evo-
lution ausgebildet, welche eine junge Neulingin oft in
Verlegenheit ſetzt. Die Damen ſchließen ruͤckwaͤrts, die
Richtung nach der Thuͤre, nach welcher ſie ſich in der
Diagonale ziehen. Sobald die Fluͤgelfrau an dieſer ange-
langt, macht ſie rechtsum, traverſirt hindurch, und ſo
jede folgende ihr nach. Lady C. commandirt. Im Gy-
naͤceum angekommen, praͤſentirt ſich ihnen, ebenfalls in
Reih und Glied, eine Anzahl eleganter Porcellainvaſen.
Après cela nippt man von einem Glaſe Liqueur, ſetzt
ſich zu Thee und Kaffee nieder, und nun beginnt die Da-
menunterhaltung. Man weiß, woraus ſie gewoͤhnlich
beſteht: Putz, Scandal und Liebe. „Such is the cus-
tom of Branksomchall.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="89"/>
cirt, als wir bei den Damen ankamen, die uns im<lb/>
Salon, um einen großen Ti&#x017F;ch gruppirt, mit Kaffee<lb/>
und Thee erwarteten <note place="foot" n="*)">Beim Ko&#x0364;nige mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Damen, wie mir eine der&#x017F;elben<lb/>
erza&#x0364;hlt hat, ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts hinausgehen, um Seiner Maje&#x017F;ta&#x0364;t<lb/>
nicht die verkehrte Seite zuzuwenden, welches gegen die,<lb/>
in England zum Theil &#x017F;ehr &#x017F;treng beobachtete Etikette<lb/>
i&#x017F;t. Dies hat &#x017F;ich jetzt zu einer vo&#x0364;llig milita&#x0364;ri&#x017F;chen Evo-<lb/>
lution ausgebildet, welche eine junge Neulingin oft in<lb/>
Verlegenheit &#x017F;etzt. Die Damen &#x017F;chließen ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts, die<lb/>
Richtung nach der Thu&#x0364;re, nach welcher &#x017F;ie &#x017F;ich in der<lb/>
Diagonale ziehen. Sobald die Flu&#x0364;gelfrau an die&#x017F;er ange-<lb/>
langt, macht &#x017F;ie rechtsum, traver&#x017F;irt hindurch, und &#x017F;o<lb/>
jede folgende ihr nach. Lady C. commandirt. Im Gy-<lb/>
na&#x0364;ceum angekommen, pra&#x0364;&#x017F;entirt &#x017F;ich ihnen, ebenfalls in<lb/>
Reih und Glied, eine Anzahl eleganter Porcellainva&#x017F;en.<lb/><hi rendition="#aq">Après cela</hi> nippt man von einem Gla&#x017F;e Liqueur, &#x017F;etzt<lb/>
&#x017F;ich zu Thee und Kaffee nieder, und nun beginnt die Da-<lb/>
menunterhaltung. Man weiß, woraus &#x017F;ie gewo&#x0364;hnlich<lb/>
be&#x017F;teht: Putz, Scandal und Liebe. <hi rendition="#aq">&#x201E;Such is the cus-<lb/>
tom of Branksomchall.&#x201C;</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Als die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wieder vereinigt war,<lb/>
theilte &#x017F;ich Alles, völlig ungenirt, in beliebige Grup-<lb/>
pen. Einige machten Mu&#x017F;ik, wobei die melancholi&#x017F;che<lb/>
Schöne auf einer Orgel &#x017F;pielte, die wahr&#x017F;cheinlich zu<lb/>
religiö&#x017F;em Gebrauch hier aufge&#x017F;tellt war, andere &#x017F;piel-<lb/>
ten Whi&#x017F;t, hie und da flü&#x017F;terte ein Pärchen in der<lb/>
Fen&#x017F;ter-Embra&#x017F;ure, Mehrere politi&#x017F;irten, nur der<lb/>
Dandy war <hi rendition="#g">allein</hi> geblieben; in einen großen Lehn-<lb/>
&#x017F;tuhl ver&#x017F;unken, hatte er &#x017F;einen rechten zierlich be&#x017F;chuh-<lb/>
ten Fuß auf &#x017F;ein linkes Knie gelegt, und &#x017F;ich in die-<lb/>
&#x017F;er Stellung in <hi rendition="#aq">Mde. de Staël&#x2019;</hi>s Buch <hi rendition="#aq">sur l&#x2019;Alle-<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0129] cirt, als wir bei den Damen ankamen, die uns im Salon, um einen großen Tiſch gruppirt, mit Kaffee und Thee erwarteten *). Als die ganze Geſellſchaft wieder vereinigt war, theilte ſich Alles, völlig ungenirt, in beliebige Grup- pen. Einige machten Muſik, wobei die melancholiſche Schöne auf einer Orgel ſpielte, die wahrſcheinlich zu religiöſem Gebrauch hier aufgeſtellt war, andere ſpiel- ten Whiſt, hie und da flüſterte ein Pärchen in der Fenſter-Embraſure, Mehrere politiſirten, nur der Dandy war allein geblieben; in einen großen Lehn- ſtuhl verſunken, hatte er ſeinen rechten zierlich beſchuh- ten Fuß auf ſein linkes Knie gelegt, und ſich in die- ſer Stellung in Mde. de Staël’s Buch sur l’Alle- *) Beim Koͤnige muͤſſen die Damen, wie mir eine derſelben erzaͤhlt hat, ruͤckwaͤrts hinausgehen, um Seiner Majeſtaͤt nicht die verkehrte Seite zuzuwenden, welches gegen die, in England zum Theil ſehr ſtreng beobachtete Etikette iſt. Dies hat ſich jetzt zu einer voͤllig militaͤriſchen Evo- lution ausgebildet, welche eine junge Neulingin oft in Verlegenheit ſetzt. Die Damen ſchließen ruͤckwaͤrts, die Richtung nach der Thuͤre, nach welcher ſie ſich in der Diagonale ziehen. Sobald die Fluͤgelfrau an dieſer ange- langt, macht ſie rechtsum, traverſirt hindurch, und ſo jede folgende ihr nach. Lady C. commandirt. Im Gy- naͤceum angekommen, praͤſentirt ſich ihnen, ebenfalls in Reih und Glied, eine Anzahl eleganter Porcellainvaſen. Après cela nippt man von einem Glaſe Liqueur, ſetzt ſich zu Thee und Kaffee nieder, und nun beginnt die Da- menunterhaltung. Man weiß, woraus ſie gewoͤhnlich beſteht: Putz, Scandal und Liebe. „Such is the cus- tom of Branksomchall.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/129
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/129>, abgerufen am 22.11.2024.