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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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schmack, ihre Abgeschiedenheit. Ein Wagen kann sie
kaum erreichen und, wenige neugierige Reisende von
meiner Art ausgenommen, wird keiner versucht, die
schwierigen Approschen zu besiegen. Ein gutmüthi-
ges Volk wohnt hier, nicht in Dörfern vereinigt,
sondern einzeln im Gebürge zerstreut, und führt,
unverdorben vom Gewühl der Städte ein patriarcha-
lisches Leben. Es ist auch nicht so widerlich arm,
als in andern Theilen des Landes. Die Bedürfnisse
dieser Leute sind gering; Torf zum Feuern dürfen
sie holen, wo es ihnen gutdünkt, Gras für ihre Kühe
ebenfalls in den Sümpfen, und Fische zur Nahrung
liefert ihnen das Meer, mehr als sie bedürfen. Für
den mit Schaffungslust ausgerüsteten Besitzer, eröff-
net sich hier ein unerschöpfliches Feld. Wäre ich ein
Capitalist, hier ließe ich mich nieder. --

Mein freundlicher Wirth sorgt für die schnelle Be-
förderung dieses Briefes. Der Himmel gebe, daß er,
in froher Stimmung geschrieben, auch Dich in froher
Stimmung antreffe. Erinnere Dich immer des Wahl-
spruchs meiner Ahnfrau: Coeur content, grand ta-
lent!

Dein treu ergebener L ....

ſchmack, ihre Abgeſchiedenheit. Ein Wagen kann ſie
kaum erreichen und, wenige neugierige Reiſende von
meiner Art ausgenommen, wird keiner verſucht, die
ſchwierigen Approſchen zu beſiegen. Ein gutmüthi-
ges Volk wohnt hier, nicht in Dörfern vereinigt,
ſondern einzeln im Gebürge zerſtreut, und führt,
unverdorben vom Gewühl der Städte ein patriarcha-
liſches Leben. Es iſt auch nicht ſo widerlich arm,
als in andern Theilen des Landes. Die Bedürfniſſe
dieſer Leute ſind gering; Torf zum Feuern dürfen
ſie holen, wo es ihnen gutdünkt, Gras für ihre Kühe
ebenfalls in den Sümpfen, und Fiſche zur Nahrung
liefert ihnen das Meer, mehr als ſie bedürfen. Für
den mit Schaffungsluſt ausgerüſteten Beſitzer, eröff-
net ſich hier ein unerſchöpfliches Feld. Wäre ich ein
Capitaliſt, hier ließe ich mich nieder. —

Mein freundlicher Wirth ſorgt für die ſchnelle Be-
förderung dieſes Briefes. Der Himmel gebe, daß er,
in froher Stimmung geſchrieben, auch Dich in froher
Stimmung antreffe. Erinnere Dich immer des Wahl-
ſpruchs meiner Ahnfrau: Coeur content, grand ta-
lent!

Dein treu ergebener L ....

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[39/0061] ſchmack, ihre Abgeſchiedenheit. Ein Wagen kann ſie kaum erreichen und, wenige neugierige Reiſende von meiner Art ausgenommen, wird keiner verſucht, die ſchwierigen Approſchen zu beſiegen. Ein gutmüthi- ges Volk wohnt hier, nicht in Dörfern vereinigt, ſondern einzeln im Gebürge zerſtreut, und führt, unverdorben vom Gewühl der Städte ein patriarcha- liſches Leben. Es iſt auch nicht ſo widerlich arm, als in andern Theilen des Landes. Die Bedürfniſſe dieſer Leute ſind gering; Torf zum Feuern dürfen ſie holen, wo es ihnen gutdünkt, Gras für ihre Kühe ebenfalls in den Sümpfen, und Fiſche zur Nahrung liefert ihnen das Meer, mehr als ſie bedürfen. Für den mit Schaffungsluſt ausgerüſteten Beſitzer, eröff- net ſich hier ein unerſchöpfliches Feld. Wäre ich ein Capitaliſt, hier ließe ich mich nieder. — Mein freundlicher Wirth ſorgt für die ſchnelle Be- förderung dieſes Briefes. Der Himmel gebe, daß er, in froher Stimmung geſchrieben, auch Dich in froher Stimmung antreffe. Erinnere Dich immer des Wahl- ſpruchs meiner Ahnfrau: Coeur content, grand ta- lent! Dein treu ergebener L ....

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/61>, abgerufen am 22.11.2024.