als dem unersättlichen Ehrgeiz seines Bruders, über den er, bei jeder Gelegenheit ganz ohne Rückhalt, sprach. Das Zutrauen des alten Königs pour son grand ami, wie er Napoleon nannte, blieb jedoch bis zum letzten Augenblick unerschütterlich.
Vor seinem Abgang setzte Lucien seiner Populari- tät noch durch ein prachtvolles Fest die Krone auf, dessengleichen man in Spanien nie gesehen und wel- ches gegen 400,000 Franken gekostet haben soll. Die höchsten Personen des Hofs, viele Grands, und die ganze königliche Familie beehrten es mit ihrer Ge- genwart, und Letztere namentlich schien dem Ambas- sadeur nicht genug Verbindliches darüber sagen zu können. Wenige Tage darauf erhielten alle Mitglie- der der Gesandtschaft prächtige Geschenke, nur der Ambassadeur ging leer aus, und die republikanische Familiarität erlaubte sich daher, im Palais des Ge- sandten, mehrere deshalb an ihn gerichtete Necke- reien. Indeß war die Abschieds-Audienz vorüber gegangen, Luciens Abreise auf den nächsten Tag bestimmt, und alle Hoffnung auf das erwartete Prä- sent nun ganz aufgegeben, als ein Offizier der wal- lonischen Garden mit Escorte im Hotel ankam, und dem Gesandtschafts-Sekretaire ein in eine Kiste ge- packtes, großes Gemälde, als ein Andenken des Kö- nigs für den Bruder Napoleons, überbrachte. Als man Lucien dies meldete, äußerte er, es sey ohne Zweifel die Venus von Titian, die er mehreremal in des Königs Beiseyn gerühmt, und allerdings ein
als dem unerſättlichen Ehrgeiz ſeines Bruders, über den er, bei jeder Gelegenheit ganz ohne Rückhalt, ſprach. Das Zutrauen des alten Königs pour son grand ami, wie er Napoleon nannte, blieb jedoch bis zum letzten Augenblick unerſchütterlich.
Vor ſeinem Abgang ſetzte Lucien ſeiner Populari- tät noch durch ein prachtvolles Feſt die Krone auf, deſſengleichen man in Spanien nie geſehen und wel- ches gegen 400,000 Franken gekoſtet haben ſoll. Die höchſten Perſonen des Hofs, viele Grands, und die ganze königliche Familie beehrten es mit ihrer Ge- genwart, und Letztere namentlich ſchien dem Ambaſ- ſadeur nicht genug Verbindliches darüber ſagen zu können. Wenige Tage darauf erhielten alle Mitglie- der der Geſandtſchaft prächtige Geſchenke, nur der Ambaſſadeur ging leer aus, und die republikaniſche Familiarität erlaubte ſich daher, im Palais des Ge- ſandten, mehrere deshalb an ihn gerichtete Necke- reien. Indeß war die Abſchieds-Audienz vorüber gegangen, Luciens Abreiſe auf den nächſten Tag beſtimmt, und alle Hoffnung auf das erwartete Prä- ſent nun ganz aufgegeben, als ein Offizier der wal- loniſchen Garden mit Escorte im Hotel ankam, und dem Geſandtſchafts-Sekretaire ein in eine Kiſte ge- packtes, großes Gemälde, als ein Andenken des Kö- nigs für den Bruder Napoleons, überbrachte. Als man Lucien dies meldete, äußerte er, es ſey ohne Zweifel die Venus von Titian, die er mehreremal in des Königs Beiſeyn gerühmt, und allerdings ein
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als dem unerſättlichen Ehrgeiz ſeines Bruders, über
den er, bei jeder Gelegenheit ganz ohne Rückhalt,
ſprach. Das Zutrauen des alten Königs pour son
grand ami, wie er Napoleon nannte, blieb jedoch
bis zum letzten Augenblick unerſchütterlich.
Vor ſeinem Abgang ſetzte Lucien ſeiner Populari-
tät noch durch ein prachtvolles Feſt die Krone auf,
deſſengleichen man in Spanien nie geſehen und wel-
ches gegen 400,000 Franken gekoſtet haben ſoll. Die
höchſten Perſonen des Hofs, viele Grands, und die
ganze königliche Familie beehrten es mit ihrer Ge-
genwart, und Letztere namentlich ſchien dem Ambaſ-
ſadeur nicht genug Verbindliches darüber ſagen zu
können. Wenige Tage darauf erhielten alle Mitglie-
der der Geſandtſchaft prächtige Geſchenke, nur der
Ambaſſadeur ging leer aus, und die republikaniſche
Familiarität erlaubte ſich daher, im Palais des Ge-
ſandten, mehrere deshalb an ihn gerichtete Necke-
reien. Indeß war die Abſchieds-Audienz vorüber
gegangen, Luciens Abreiſe auf den nächſten Tag
beſtimmt, und alle Hoffnung auf das erwartete Prä-
ſent nun ganz aufgegeben, als ein Offizier der wal-
loniſchen Garden mit Escorte im Hotel ankam, und
dem Geſandtſchafts-Sekretaire ein in eine Kiſte ge-
packtes, großes Gemälde, als ein Andenken des Kö-
nigs für den Bruder Napoleons, überbrachte. Als
man Lucien dies meldete, äußerte er, es ſey ohne
Zweifel die Venus von Titian, die er mehreremal in
des Königs Beiſeyn gerühmt, und allerdings ein
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/380>, abgerufen am 22.11.2024.
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