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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Hauptmann? Oeffnet dieses Thor, erwiederte ich
spöttisch. Als würde die ganze Bande es erst jetzt
gewahr, stürzt nun Alles darauf los, der Haupt-
mann voran -- doch ehe er es noch berührt, öffnen
sich schon schweigend und langsam die ungeheuren
Pforten. Ein seltsamer Anblick erschließt sich. Wir
seben in einen tiefen, tiefen Saal hinein, der uns
endlos dünkt; in schwindelnder Höhe wölbt sich die
Decke; prachtvoll ist alles verziert mit farbigem trans-
parentem Gold, kunstvollen Basreliefs und Gemäl-
den, die alle Leben und Bewegung zu haben scheinen.
Auf beiden Seiten aber erstreckt sich an den Wänden hin,
eine unabsehbare Reihe grimmig aussehender Holz-
figuren, mit grob gemalten Gesichtern, in Gold und
Stahl gekleidet, Schwert und Lanze gezückt, und auf
ausgestopften Pferden reitend. In der Mitte schließt
die Perspektive ein schwarzes Riesenroß, das einen
Ritter trägt, dreimal größer und dreimal furchtbarer
als die übrigen. Vom Scheitel bis zur Zehe ist auch
er in schwarzes Eisen gehüllt. -- Wie inspirirt rufe
ich aus: Ha, Rüdiger, du bist's, ehrwürd'ger Ahn-
herr, rette mich! Die Worte hallten, wie lauter Don-
ner, hundertfach in den Gewölben wieder, und wir
glaubten die Holzfiguren wie ihre Pferdebälge die
Augen gräßlich verdrehen zu sehen. Alle schauderten
-- da plötzlich schleudert der Riese sein furchtbares
Schlachtschwert, wie einen Blitz in die Höhe, und
schon ist uns sein Roß, in entsetzlichen Sätzen vor-
wärts springend, ganz nahe, als eine Glocke mit
dröhnenden Schlägen ertönt, und der Riese wieder

Hauptmann? Oeffnet dieſes Thor, erwiederte ich
ſpöttiſch. Als würde die ganze Bande es erſt jetzt
gewahr, ſtürzt nun Alles darauf los, der Haupt-
mann voran — doch ehe er es noch berührt, öffnen
ſich ſchon ſchweigend und langſam die ungeheuren
Pforten. Ein ſeltſamer Anblick erſchließt ſich. Wir
ſeben in einen tiefen, tiefen Saal hinein, der uns
endlos dünkt; in ſchwindelnder Höhe wölbt ſich die
Decke; prachtvoll iſt alles verziert mit farbigem trans-
parentem Gold, kunſtvollen Basreliefs und Gemäl-
den, die alle Leben und Bewegung zu haben ſcheinen.
Auf beiden Seiten aber erſtreckt ſich an den Wänden hin,
eine unabſehbare Reihe grimmig ausſehender Holz-
figuren, mit grob gemalten Geſichtern, in Gold und
Stahl gekleidet, Schwert und Lanze gezückt, und auf
ausgeſtopften Pferden reitend. In der Mitte ſchließt
die Perſpektive ein ſchwarzes Rieſenroß, das einen
Ritter trägt, dreimal größer und dreimal furchtbarer
als die übrigen. Vom Scheitel bis zur Zehe iſt auch
er in ſchwarzes Eiſen gehüllt. — Wie inſpirirt rufe
ich aus: Ha, Rüdiger, du biſt’s, ehrwürd’ger Ahn-
herr, rette mich! Die Worte hallten, wie lauter Don-
ner, hundertfach in den Gewölben wieder, und wir
glaubten die Holzfiguren wie ihre Pferdebälge die
Augen gräßlich verdrehen zu ſehen. Alle ſchauderten
— da plötzlich ſchleudert der Rieſe ſein furchtbares
Schlachtſchwert, wie einen Blitz in die Höhe, und
ſchon iſt uns ſein Roß, in entſetzlichen Sätzen vor-
wärts ſpringend, ganz nahe, als eine Glocke mit
dröhnenden Schlägen ertönt, und der Rieſe wieder

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[239/0261] Hauptmann? Oeffnet dieſes Thor, erwiederte ich ſpöttiſch. Als würde die ganze Bande es erſt jetzt gewahr, ſtürzt nun Alles darauf los, der Haupt- mann voran — doch ehe er es noch berührt, öffnen ſich ſchon ſchweigend und langſam die ungeheuren Pforten. Ein ſeltſamer Anblick erſchließt ſich. Wir ſeben in einen tiefen, tiefen Saal hinein, der uns endlos dünkt; in ſchwindelnder Höhe wölbt ſich die Decke; prachtvoll iſt alles verziert mit farbigem trans- parentem Gold, kunſtvollen Basreliefs und Gemäl- den, die alle Leben und Bewegung zu haben ſcheinen. Auf beiden Seiten aber erſtreckt ſich an den Wänden hin, eine unabſehbare Reihe grimmig ausſehender Holz- figuren, mit grob gemalten Geſichtern, in Gold und Stahl gekleidet, Schwert und Lanze gezückt, und auf ausgeſtopften Pferden reitend. In der Mitte ſchließt die Perſpektive ein ſchwarzes Rieſenroß, das einen Ritter trägt, dreimal größer und dreimal furchtbarer als die übrigen. Vom Scheitel bis zur Zehe iſt auch er in ſchwarzes Eiſen gehüllt. — Wie inſpirirt rufe ich aus: Ha, Rüdiger, du biſt’s, ehrwürd’ger Ahn- herr, rette mich! Die Worte hallten, wie lauter Don- ner, hundertfach in den Gewölben wieder, und wir glaubten die Holzfiguren wie ihre Pferdebälge die Augen gräßlich verdrehen zu ſehen. Alle ſchauderten — da plötzlich ſchleudert der Rieſe ſein furchtbares Schlachtſchwert, wie einen Blitz in die Höhe, und ſchon iſt uns ſein Roß, in entſetzlichen Sätzen vor- wärts ſpringend, ganz nahe, als eine Glocke mit dröhnenden Schlägen ertönt, und der Rieſe wieder

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/261>, abgerufen am 22.11.2024.