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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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bens giebt, als das hohe Hazard-Spiel, nichts so-
gar eine bessere Maßgabe für den Beobachter, um
seinen eignen und den Charakter Anderer zu ergrün-
den. Alle Regeln, die im Kampf des Lebens gelten,
gelten auch in diesem, und die Einsicht mit Charak-
ter-Stärke verbunden, ist jedenfalls sicher, wenn nicht
zu siegen, doch sich mit Erfolg zu vertheidigen. Ist
sie aber mit der Glücksfähigkeit gepaart, so wird ein
Spiel-Napoleon daraus, ein Eroberer am Pharao-
Tische! Von den filous, qui corrigent la fortune,
spreche ich nicht. Aber auch hier bleibt das Gleich-
niß treu, denn wie oft begegnest Du nicht in der
Welt Solchen, die das Glück bannen durch Betrug
-- beiläufig gesagt, die unglücklichsten aller Speku-
lanten. Ihre Beschäftigung ist das wahre Wasser-
schöpfen mit einem Sieb, das Aufsammeln stets leerer
Nüsse. Denn was ist Genuß ohne Sicherheit, und
wie kann äußeres Glück helfen, wo das innere
Gleichgewicht fehlt!


Es giebt Menschen, die, obgleich mit ausgezeichne-
ten Geisteseigenschaften begabt, doch damit nicht in
der Welt fortzukommen wissen, wenn sie nicht durch
das Schicksal von Hause aus an ihren wahren Platz
gestellt worden sind. Mit eignen Kräften wissen sie
diesen nie zu erreichen, weil eine zu weibliche Phan-
tasie, in die sich fortwährend fremde Formen ein-
drücken, sie verhindert, die Wirklichkeit zu sehen, wie

bens giebt, als das hohe Hazard-Spiel, nichts ſo-
gar eine beſſere Maßgabe für den Beobachter, um
ſeinen eignen und den Charakter Anderer zu ergrün-
den. Alle Regeln, die im Kampf des Lebens gelten,
gelten auch in dieſem, und die Einſicht mit Charak-
ter-Stärke verbunden, iſt jedenfalls ſicher, wenn nicht
zu ſiegen, doch ſich mit Erfolg zu vertheidigen. Iſt
ſie aber mit der Glücksfähigkeit gepaart, ſo wird ein
Spiel-Napoleon daraus, ein Eroberer am Pharao-
Tiſche! Von den filous, qui corrigent la fortune,
ſpreche ich nicht. Aber auch hier bleibt das Gleich-
niß treu, denn wie oft begegneſt Du nicht in der
Welt Solchen, die das Glück bannen durch Betrug
— beiläufig geſagt, die unglücklichſten aller Speku-
lanten. Ihre Beſchäftigung iſt das wahre Waſſer-
ſchöpfen mit einem Sieb, das Aufſammeln ſtets leerer
Nüſſe. Denn was iſt Genuß ohne Sicherheit, und
wie kann äußeres Glück helfen, wo das innere
Gleichgewicht fehlt!


Es giebt Menſchen, die, obgleich mit ausgezeichne-
ten Geiſteseigenſchaften begabt, doch damit nicht in
der Welt fortzukommen wiſſen, wenn ſie nicht durch
das Schickſal von Hauſe aus an ihren wahren Platz
geſtellt worden ſind. Mit eignen Kräften wiſſen ſie
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[215/0237] bens giebt, als das hohe Hazard-Spiel, nichts ſo- gar eine beſſere Maßgabe für den Beobachter, um ſeinen eignen und den Charakter Anderer zu ergrün- den. Alle Regeln, die im Kampf des Lebens gelten, gelten auch in dieſem, und die Einſicht mit Charak- ter-Stärke verbunden, iſt jedenfalls ſicher, wenn nicht zu ſiegen, doch ſich mit Erfolg zu vertheidigen. Iſt ſie aber mit der Glücksfähigkeit gepaart, ſo wird ein Spiel-Napoleon daraus, ein Eroberer am Pharao- Tiſche! Von den filous, qui corrigent la fortune, ſpreche ich nicht. Aber auch hier bleibt das Gleich- niß treu, denn wie oft begegneſt Du nicht in der Welt Solchen, die das Glück bannen durch Betrug — beiläufig geſagt, die unglücklichſten aller Speku- lanten. Ihre Beſchäftigung iſt das wahre Waſſer- ſchöpfen mit einem Sieb, das Aufſammeln ſtets leerer Nüſſe. Denn was iſt Genuß ohne Sicherheit, und wie kann äußeres Glück helfen, wo das innere Gleichgewicht fehlt! Es giebt Menſchen, die, obgleich mit ausgezeichne- ten Geiſteseigenſchaften begabt, doch damit nicht in der Welt fortzukommen wiſſen, wenn ſie nicht durch das Schickſal von Hauſe aus an ihren wahren Platz geſtellt worden ſind. Mit eignen Kräften wiſſen ſie dieſen nie zu erreichen, weil eine zu weibliche Phan- taſie, in die ſich fortwährend fremde Formen ein- drücken, ſie verhindert, die Wirklichkeit zu ſehen, wie

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/237>, abgerufen am 02.05.2024.