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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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wenn auch nicht so empfindlich, meinen Tag, und
hielt mich bis mitten in der Nacht wach. Voila tont
ce que j'ai a vous conter d'aujourdhui
.



Ich bringe fortwährend mein Leben bei den klei-
nen Nachtigall-Engeln zu, sehe öfters Lady M....
und vermeide, soviel ich kann, die übrige Gesell-
schaft. Die Mädchen führen ein burleskes Journal,
wo sie, mit den extravagantesten Zeichnungen dane-
ben, eine Chronik unsrer täglichen Fata verfassen,
die höchst belustigend ist. Nachher singen, schwatzen
wir, oder stellen Tableaux dar, wobei die Mutter,
mit ihrem Schauspielertalent, uns aufs schönste mit
den heterogensten Dingen drappirt. Du würdest
wenigstens haben lächeln müssen, wenn Du heute
gesehen hättest, wie die wild irish giel sich einen
Schnurbart und Favoriten mit Kohle malte, einen
Ueberrock ihres Vaters anzog, und Schnupftuch und
Stöckchen in der Hand, als meine Karikatur herein-
trat, um ihrer Schwester, nach meiner Art, wie sie
sagte, die Cour zu machen. Diese Mädchen haben
eine unerschöpfliche gar nicht englische, aber ächt ir-
ländische Grazie und Lustigkeit, und man erlaubt
mir glücklicherweise, von der in diesen Ländern übli-
chen Etiquette etwas abgehend, alle Abende hier zu-
zubringen (sonst darf dies in England nur gebeten

wenn auch nicht ſo empfindlich, meinen Tag, und
hielt mich bis mitten in der Nacht wach. Voilà tont
ce que j’ai à vous conter d’aujourdhui
.



Ich bringe fortwährend mein Leben bei den klei-
nen Nachtigall-Engeln zu, ſehe öfters Lady M....
und vermeide, ſoviel ich kann, die übrige Geſell-
ſchaft. Die Mädchen führen ein burleskes Journal,
wo ſie, mit den extravaganteſten Zeichnungen dane-
ben, eine Chronik unſrer täglichen Fata verfaſſen,
die höchſt beluſtigend iſt. Nachher ſingen, ſchwatzen
wir, oder ſtellen Tableaux dar, wobei die Mutter,
mit ihrem Schauſpielertalent, uns aufs ſchönſte mit
den heterogenſten Dingen drappirt. Du würdeſt
wenigſtens haben lächeln müſſen, wenn Du heute
geſehen hätteſt, wie die wild irish giel ſich einen
Schnurbart und Favoriten mit Kohle malte, einen
Ueberrock ihres Vaters anzog, und Schnupftuch und
Stöckchen in der Hand, als meine Karikatur herein-
trat, um ihrer Schweſter, nach meiner Art, wie ſie
ſagte, die Cour zu machen. Dieſe Mädchen haben
eine unerſchöpfliche gar nicht engliſche, aber ächt ir-
ländiſche Grazie und Luſtigkeit, und man erlaubt
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chen Etiquette etwas abgehend, alle Abende hier zu-
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[176/0198] wenn auch nicht ſo empfindlich, meinen Tag, und hielt mich bis mitten in der Nacht wach. Voilà tont ce que j’ai à vous conter d’aujourdhui. Den 16ten. Ich bringe fortwährend mein Leben bei den klei- nen Nachtigall-Engeln zu, ſehe öfters Lady M.... und vermeide, ſoviel ich kann, die übrige Geſell- ſchaft. Die Mädchen führen ein burleskes Journal, wo ſie, mit den extravaganteſten Zeichnungen dane- ben, eine Chronik unſrer täglichen Fata verfaſſen, die höchſt beluſtigend iſt. Nachher ſingen, ſchwatzen wir, oder ſtellen Tableaux dar, wobei die Mutter, mit ihrem Schauſpielertalent, uns aufs ſchönſte mit den heterogenſten Dingen drappirt. Du würdeſt wenigſtens haben lächeln müſſen, wenn Du heute geſehen hätteſt, wie die wild irish giel ſich einen Schnurbart und Favoriten mit Kohle malte, einen Ueberrock ihres Vaters anzog, und Schnupftuch und Stöckchen in der Hand, als meine Karikatur herein- trat, um ihrer Schweſter, nach meiner Art, wie ſie ſagte, die Cour zu machen. Dieſe Mädchen haben eine unerſchöpfliche gar nicht engliſche, aber ächt ir- ländiſche Grazie und Luſtigkeit, und man erlaubt mir glücklicherweiſe, von der in dieſen Ländern übli- chen Etiquette etwas abgehend, alle Abende hier zu- zubringen (ſonſt darf dies in England nur gebeten

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/198>, abgerufen am 22.11.2024.