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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Von meinem Feste sage ich nichts. Es glich den
andern, und dauerte mehr als zu lange. Nur zweier
Anekdoten will ich erwähnen, aus Venus und Bacchus
Reiche entlehnt, weil sie mir bemerkenswerth, und die
Sitten gut schildernd erscheinen. Ich bitte im Voraus
um Verzeihung, wenn die erste Dir ein wenig zu
frei vorkömmt, aber man kann ohnmöglich wie Du,
so vielen Gelagen in der Provinz beiwohnen, ohne
auch einmal etwas Verfängliches zu hören. Uebrigens
ist das Ganze eine öffentlich verhandelte Kriminal-
Geschichte, und in so fern wohl auch einem vertrau-
ten Briefe einzuverleiben.

Man neckte einen der Gäste mit seinen Liebesge-
schichten, und Jemand meinte, er wäre wohl auch
im Stande, es seinem Cousin R ..... nachzuthun.
Ich frug, was dieser Cousin gethan, und erhielt fol-
gende Auskunft: Voriges Jahr, sagte mein Bericht-
erstatter, brach der Gentleman, von dem die Rede
ist, den Hals auf einer Fuchsjagd, was gewiß manche
Tugend gerettet hat, und auch vielleicht ihn selbst
vor einem schlimmern Tode bewahrt, dem er schon
einmal ganz nahe war. Die Sache hat in unsrer
Criminal-Geschichte nicht wenig Aufsehen gemacht,
und möchte nicht so leicht einen Nachahmer finden.

M. R., schon berühmt durch vielfache Avantüren,
stellte lange vergebens der hübschen Tochter eines
Pächters nach, ohne daß es ihm gelingen wollte, sie
zu einem rendez-vous zu bringen, oder sonst allein
zu treffen. Endlich begegnete er ihr einmal, ohnfern

Von meinem Feſte ſage ich nichts. Es glich den
andern, und dauerte mehr als zu lange. Nur zweier
Anekdoten will ich erwähnen, aus Venus und Bacchus
Reiche entlehnt, weil ſie mir bemerkenswerth, und die
Sitten gut ſchildernd erſcheinen. Ich bitte im Voraus
um Verzeihung, wenn die erſte Dir ein wenig zu
frei vorkömmt, aber man kann ohnmöglich wie Du,
ſo vielen Gelagen in der Provinz beiwohnen, ohne
auch einmal etwas Verfängliches zu hören. Uebrigens
iſt das Ganze eine öffentlich verhandelte Kriminal-
Geſchichte, und in ſo fern wohl auch einem vertrau-
ten Briefe einzuverleiben.

Man neckte einen der Gäſte mit ſeinen Liebesge-
ſchichten, und Jemand meinte, er wäre wohl auch
im Stande, es ſeinem Couſin R ..... nachzuthun.
Ich frug, was dieſer Couſin gethan, und erhielt fol-
gende Auskunft: Voriges Jahr, ſagte mein Bericht-
erſtatter, brach der Gentleman, von dem die Rede
iſt, den Hals auf einer Fuchsjagd, was gewiß manche
Tugend gerettet hat, und auch vielleicht ihn ſelbſt
vor einem ſchlimmern Tode bewahrt, dem er ſchon
einmal ganz nahe war. Die Sache hat in unſrer
Criminal-Geſchichte nicht wenig Aufſehen gemacht,
und möchte nicht ſo leicht einen Nachahmer finden.

M. R., ſchon berühmt durch vielfache Avantüren,
ſtellte lange vergebens der hübſchen Tochter eines
Pächters nach, ohne daß es ihm gelingen wollte, ſie
zu einem rendez-vous zu bringen, oder ſonſt allein
zu treffen. Endlich begegnete er ihr einmal, ohnfern

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[136/0158] Von meinem Feſte ſage ich nichts. Es glich den andern, und dauerte mehr als zu lange. Nur zweier Anekdoten will ich erwähnen, aus Venus und Bacchus Reiche entlehnt, weil ſie mir bemerkenswerth, und die Sitten gut ſchildernd erſcheinen. Ich bitte im Voraus um Verzeihung, wenn die erſte Dir ein wenig zu frei vorkömmt, aber man kann ohnmöglich wie Du, ſo vielen Gelagen in der Provinz beiwohnen, ohne auch einmal etwas Verfängliches zu hören. Uebrigens iſt das Ganze eine öffentlich verhandelte Kriminal- Geſchichte, und in ſo fern wohl auch einem vertrau- ten Briefe einzuverleiben. Man neckte einen der Gäſte mit ſeinen Liebesge- ſchichten, und Jemand meinte, er wäre wohl auch im Stande, es ſeinem Couſin R ..... nachzuthun. Ich frug, was dieſer Couſin gethan, und erhielt fol- gende Auskunft: Voriges Jahr, ſagte mein Bericht- erſtatter, brach der Gentleman, von dem die Rede iſt, den Hals auf einer Fuchsjagd, was gewiß manche Tugend gerettet hat, und auch vielleicht ihn ſelbſt vor einem ſchlimmern Tode bewahrt, dem er ſchon einmal ganz nahe war. Die Sache hat in unſrer Criminal-Geſchichte nicht wenig Aufſehen gemacht, und möchte nicht ſo leicht einen Nachahmer finden. M. R., ſchon berühmt durch vielfache Avantüren, ſtellte lange vergebens der hübſchen Tochter eines Pächters nach, ohne daß es ihm gelingen wollte, ſie zu einem rendez-vous zu bringen, oder ſonſt allein zu treffen. Endlich begegnete er ihr einmal, ohnfern

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/158>, abgerufen am 22.11.2024.