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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Hause, von einem Detachement Soldaten gefolgt,
und frug gleisnerisch die, mit ihrem siebenten Kinde
eben schwanger gehende Frau, ob sie etwas von im
Hause versteckten Waffen wisse, da eine schwere An-
klage gegen ihren Mann gemacht worden sey. Diese
versicherte gutes Muths, daß so etwas in ihrem
Hause gewiß nicht existire, da ihr Mann nie sich
dergleichen Umtriebe zu Schulden kommen lassen, wie
er ja selbst, als sein alter Bekannter, am besten wis-
sen müsse. Gebt wohl acht, was ihr sagt, rief
Baker, denn findet man etwas und ihr habt es ver-
läugnet, so verurtheilt Euch das Gesetz ohne Gnade
zur lebenslänglichen Transportation. Die Frau blieb
bei ihrer Aussage. "Nun wohlan, auf Eure Ge-
fahr! Soldaten!" befahl er, "durchsucht Haus und
Scheune aufs genauste, und bringt mir Rapport,
was ihr gefunden." Man fand nichts -- als aber
unter Bakers eigner Anführung eine zweite Nach-
suchung gehalten ward, brachte Jemand eine geladne
Pistole hervor, die angeblich unter dem Stroh ver-
steckt gewesen seyn sollte, von der man aber immer
vermuthet hat, daß Baker sie selbst dahin praktizirte.
Die Frau wurde sogleich fortgeschleppt, und durch
das Corpus delicti bereits als überführt betrachtet,
nach kurzem Prozeß zur Transportation verdammt.
Ihr Mann kam wenige Tage darauf zurück und
suchte Himmel und Erde für ihre Freiheit zu bewe-
gen. Vergebens flehte er, daß man wenigstens ihn
an die Stelle der unglücklichen Frau, einer schwan-
gern Mutter von sechs Kindern, nach Botanybay

Hauſe, von einem Detachement Soldaten gefolgt,
und frug gleiſneriſch die, mit ihrem ſiebenten Kinde
eben ſchwanger gehende Frau, ob ſie etwas von im
Hauſe verſteckten Waffen wiſſe, da eine ſchwere An-
klage gegen ihren Mann gemacht worden ſey. Dieſe
verſicherte gutes Muths, daß ſo etwas in ihrem
Hauſe gewiß nicht exiſtire, da ihr Mann nie ſich
dergleichen Umtriebe zu Schulden kommen laſſen, wie
er ja ſelbſt, als ſein alter Bekannter, am beſten wiſ-
ſen müſſe. Gebt wohl acht, was ihr ſagt, rief
Baker, denn findet man etwas und ihr habt es ver-
läugnet, ſo verurtheilt Euch das Geſetz ohne Gnade
zur lebenslänglichen Transportation. Die Frau blieb
bei ihrer Ausſage. „Nun wohlan, auf Eure Ge-
fahr! Soldaten!“ befahl er, „durchſucht Haus und
Scheune aufs genauſte, und bringt mir Rapport,
was ihr gefunden.“ Man fand nichts — als aber
unter Bakers eigner Anführung eine zweite Nach-
ſuchung gehalten ward, brachte Jemand eine geladne
Piſtole hervor, die angeblich unter dem Stroh ver-
ſteckt geweſen ſeyn ſollte, von der man aber immer
vermuthet hat, daß Baker ſie ſelbſt dahin praktizirte.
Die Frau wurde ſogleich fortgeſchleppt, und durch
das Corpus delicti bereits als überführt betrachtet,
nach kurzem Prozeß zur Transportation verdammt.
Ihr Mann kam wenige Tage darauf zurück und
ſuchte Himmel und Erde für ihre Freiheit zu bewe-
gen. Vergebens flehte er, daß man wenigſtens ihn
an die Stelle der unglücklichen Frau, einer ſchwan-
gern Mutter von ſechs Kindern, nach Botanybay

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[134/0156] Hauſe, von einem Detachement Soldaten gefolgt, und frug gleiſneriſch die, mit ihrem ſiebenten Kinde eben ſchwanger gehende Frau, ob ſie etwas von im Hauſe verſteckten Waffen wiſſe, da eine ſchwere An- klage gegen ihren Mann gemacht worden ſey. Dieſe verſicherte gutes Muths, daß ſo etwas in ihrem Hauſe gewiß nicht exiſtire, da ihr Mann nie ſich dergleichen Umtriebe zu Schulden kommen laſſen, wie er ja ſelbſt, als ſein alter Bekannter, am beſten wiſ- ſen müſſe. Gebt wohl acht, was ihr ſagt, rief Baker, denn findet man etwas und ihr habt es ver- läugnet, ſo verurtheilt Euch das Geſetz ohne Gnade zur lebenslänglichen Transportation. Die Frau blieb bei ihrer Ausſage. „Nun wohlan, auf Eure Ge- fahr! Soldaten!“ befahl er, „durchſucht Haus und Scheune aufs genauſte, und bringt mir Rapport, was ihr gefunden.“ Man fand nichts — als aber unter Bakers eigner Anführung eine zweite Nach- ſuchung gehalten ward, brachte Jemand eine geladne Piſtole hervor, die angeblich unter dem Stroh ver- ſteckt geweſen ſeyn ſollte, von der man aber immer vermuthet hat, daß Baker ſie ſelbſt dahin praktizirte. Die Frau wurde ſogleich fortgeſchleppt, und durch das Corpus delicti bereits als überführt betrachtet, nach kurzem Prozeß zur Transportation verdammt. Ihr Mann kam wenige Tage darauf zurück und ſuchte Himmel und Erde für ihre Freiheit zu bewe- gen. Vergebens flehte er, daß man wenigſtens ihn an die Stelle der unglücklichen Frau, einer ſchwan- gern Mutter von ſechs Kindern, nach Botanybay

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/156>, abgerufen am 03.05.2024.