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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Potheenpunsch, von dem Mancher 12--16 große
Tumblers zu sich nahm, während O. R . . . . die
ganze Gesellschaft, mit unerschöpflichem Witz und
Narrenspossen, in einem "roar of laughter" er-
hielt. Ueberdieß mußte jeder ein Lied singen, auch
ich ein deutsches, von dem zwar niemand etwas
verstand, Alle aber höflichst erbaut waren. Um 2
Uhr retirirte ich mich, die Andern blieben aber noch
Alle, und lange konnte ich vor ihrem Lärm und La-
chen, in meiner unglücklicherweise grade über ihnen
liegenden Stube, nicht einschlafen.



Du wirst Dich über das etwas gemeine Leben ver-
wundern, das ich hier führe -- und aufrichtig ge-
standen, ich selbst wundere mich darüber, aber es ist
genuine, d. h. bei den Leuten ächt natürlich und
nicht etwas Angenommenes -- das hat immer eine
Art Reiz, wenigstens für mich. Ueberdem ist die
Frau vom Hause wirklich allerliebst, lebhaft und gra-
zieus, wie eine Französin, und einem Füßchen, wie
Zephyr, das ich schon oft geküßt, wenn ich ihr, wäh-
rend die andern tafelten, eine kurze Abendvisite
machte, und mich anstellen durfte, als sey mir der
ungewohnte Punsch ein wenig zu Kopfe gestiegen.

Potheenpunſch, von dem Mancher 12—16 große
Tumblers zu ſich nahm, während O. R . . . . die
ganze Geſellſchaft, mit unerſchöpflichem Witz und
Narrenspoſſen, in einem „roar of laughter“ er-
hielt. Ueberdieß mußte jeder ein Lied ſingen, auch
ich ein deutſches, von dem zwar niemand etwas
verſtand, Alle aber höflichſt erbaut waren. Um 2
Uhr retirirte ich mich, die Andern blieben aber noch
Alle, und lange konnte ich vor ihrem Lärm und La-
chen, in meiner unglücklicherweiſe grade über ihnen
liegenden Stube, nicht einſchlafen.



Du wirſt Dich über das etwas gemeine Leben ver-
wundern, das ich hier führe — und aufrichtig ge-
ſtanden, ich ſelbſt wundere mich darüber, aber es iſt
genuine, d. h. bei den Leuten ächt natürlich und
nicht etwas Angenommenes — das hat immer eine
Art Reiz, wenigſtens für mich. Ueberdem iſt die
Frau vom Hauſe wirklich allerliebſt, lebhaft und gra-
zieus, wie eine Franzöſin, und einem Füßchen, wie
Zephyr, das ich ſchon oft geküßt, wenn ich ihr, wäh-
rend die andern tafelten, eine kurze Abendviſite
machte, und mich anſtellen durfte, als ſey mir der
ungewohnte Punſch ein wenig zu Kopfe geſtiegen.

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[118/0140] Potheenpunſch, von dem Mancher 12—16 große Tumblers zu ſich nahm, während O. R . . . . die ganze Geſellſchaft, mit unerſchöpflichem Witz und Narrenspoſſen, in einem „roar of laughter“ er- hielt. Ueberdieß mußte jeder ein Lied ſingen, auch ich ein deutſches, von dem zwar niemand etwas verſtand, Alle aber höflichſt erbaut waren. Um 2 Uhr retirirte ich mich, die Andern blieben aber noch Alle, und lange konnte ich vor ihrem Lärm und La- chen, in meiner unglücklicherweiſe grade über ihnen liegenden Stube, nicht einſchlafen. Den 18ten. Du wirſt Dich über das etwas gemeine Leben ver- wundern, das ich hier führe — und aufrichtig ge- ſtanden, ich ſelbſt wundere mich darüber, aber es iſt genuine, d. h. bei den Leuten ächt natürlich und nicht etwas Angenommenes — das hat immer eine Art Reiz, wenigſtens für mich. Ueberdem iſt die Frau vom Hauſe wirklich allerliebſt, lebhaft und gra- zieus, wie eine Franzöſin, und einem Füßchen, wie Zephyr, das ich ſchon oft geküßt, wenn ich ihr, wäh- rend die andern tafelten, eine kurze Abendviſite machte, und mich anſtellen durfte, als ſey mir der ungewohnte Punſch ein wenig zu Kopfe geſtiegen.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/140>, abgerufen am 23.11.2024.