Seit gestern befinde ich mich zum Besuch in einem hübschen gothischen Schlößlein, am Fuß des Gebür- ges. Aus einem Fenster sehe ich fruchtbare Fluren, aus dem andern Wald, See und Felsen. Der Hausherr ist Mr. O. R . . . . . s Bruder, und, außer seinem Schloß, auch der Besitzer einer sehr hübschen Frau, der ich ein wenig die Cour mache, denn die Herrn jagen und trinken mir doch zu viel. Das Fa- miliengut hätte eigentlich meinem drolligen Freunde gebührt, weil er aber stets ein lockerer Zeisig war, der von Jugend auf Whiskeypunsch und gutem Le- ben zu ergeben schien, so vermachte der Vater, der die Disposition hatte, das Gut dem jüngsten Sohne. Beide Brüder sind dennoch die besten Freunde, und die harmlose, gutmüthige Natur des Aeltern findet durchaus keinen Wermuth in dem Wein, den er bei
Neun und dreißigſter Brief.
Ban … den 17ten October 1828.
Liebſte Julie!
Seit geſtern befinde ich mich zum Beſuch in einem hübſchen gothiſchen Schlößlein, am Fuß des Gebür- ges. Aus einem Fenſter ſehe ich fruchtbare Fluren, aus dem andern Wald, See und Felſen. Der Hausherr iſt Mr. O. R . . . . . s Bruder, und, außer ſeinem Schloß, auch der Beſitzer einer ſehr hübſchen Frau, der ich ein wenig die Cour mache, denn die Herrn jagen und trinken mir doch zu viel. Das Fa- miliengut hätte eigentlich meinem drolligen Freunde gebührt, weil er aber ſtets ein lockerer Zeiſig war, der von Jugend auf Whiskeypunſch und gutem Le- ben zu ergeben ſchien, ſo vermachte der Vater, der die Dispoſition hatte, das Gut dem jüngſten Sohne. Beide Brüder ſind dennoch die beſten Freunde, und die harmloſe, gutmüthige Natur des Aeltern findet durchaus keinen Wermuth in dem Wein, den er bei
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[[116]/0138]
Neun und dreißigſter Brief.
Ban … den 17ten October 1828.
Liebſte Julie!
Seit geſtern befinde ich mich zum Beſuch in einem
hübſchen gothiſchen Schlößlein, am Fuß des Gebür-
ges. Aus einem Fenſter ſehe ich fruchtbare Fluren,
aus dem andern Wald, See und Felſen. Der
Hausherr iſt Mr. O. R . . . . . s Bruder, und, außer
ſeinem Schloß, auch der Beſitzer einer ſehr hübſchen
Frau, der ich ein wenig die Cour mache, denn die
Herrn jagen und trinken mir doch zu viel. Das Fa-
miliengut hätte eigentlich meinem drolligen Freunde
gebührt, weil er aber ſtets ein lockerer Zeiſig war,
der von Jugend auf Whiskeypunſch und gutem Le-
ben zu ergeben ſchien, ſo vermachte der Vater, der
die Dispoſition hatte, das Gut dem jüngſten Sohne.
Beide Brüder ſind dennoch die beſten Freunde, und
die harmloſe, gutmüthige Natur des Aeltern findet
durchaus keinen Wermuth in dem Wein, den er bei
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. [116]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/138>, abgerufen am 23.11.2024.
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