einer meiner Vorfahren aus den Gefängnissen der Inquisition entführte, und auf der die heilige Maria, statt Engeln, von Affen umgeben ist, deren einige die Violine spielen, während andere sich dazu mit Burzelbäumen in den Wolken überschlagen.
Ich besah Alles sehr gründlich, und war noch auf der höchsten accessiblen Thurmspitze, als die Sonne über dem Teufelsbisse unterging. Der Erzbischof hatte die Güte gehabt, mir seinen Bibliothekar zu schicken, um mir die Ruine zu zeigen. Von diesem erfuhr ich, daß der berühmte, oft citirte, in irischer Sprache geschriebene Psalter, der in jedem guide des voyageurs als stehende Merkwürdigkeit Cashels auf- geführt wird, eine bloße Fabel sey, wenigstens hier nie existirt habe. Dies interessirte mich jedoch we- nig, aber wahrhaft erschreckt ward ich, als ich hörte, daß die Katholiken mit der Idee umgingen, die Kirche wieder herzustellen und neu auszubauen, wenn sie das Grundstück zu aquiriren im Stande wären. Der Himmel beschütze doch vor diesen From- men die heilige Ruine!
Auf dem freien Platz vor der Kirche ruht S. Pa- trick's mütilirte uralte Statue, auf einem Piedestal von Granit. Neben diesem sah man sonst den Krö- nungssessel, der angeblich aus Portugal hierher ge- bracht, dann zur Krönung des schottischen Königs Fergus nach Scone gesendet wurde, von wo ihn zu- letzt Edward I. nach Westminster entführte. Dort befindet er sich noch jetzt.
einer meiner Vorfahren aus den Gefängniſſen der Inquiſition entführte, und auf der die heilige Maria, ſtatt Engeln, von Affen umgeben iſt, deren einige die Violine ſpielen, während andere ſich dazu mit Burzelbäumen in den Wolken überſchlagen.
Ich beſah Alles ſehr gründlich, und war noch auf der höchſten acceſſiblen Thurmſpitze, als die Sonne über dem Teufelsbiſſe unterging. Der Erzbiſchof hatte die Güte gehabt, mir ſeinen Bibliothekar zu ſchicken, um mir die Ruine zu zeigen. Von dieſem erfuhr ich, daß der berühmte, oft citirte, in iriſcher Sprache geſchriebene Pſalter, der in jedem guide des voyageurs als ſtehende Merkwürdigkeit Caſhels auf- geführt wird, eine bloße Fabel ſey, wenigſtens hier nie exiſtirt habe. Dies intereſſirte mich jedoch we- nig, aber wahrhaft erſchreckt ward ich, als ich hörte, daß die Katholiken mit der Idee umgingen, die Kirche wieder herzuſtellen und neu auszubauen, wenn ſie das Grundſtück zu aquiriren im Stande wären. Der Himmel beſchütze doch vor dieſen From- men die heilige Ruine!
Auf dem freien Platz vor der Kirche ruht S. Pa- trick’s mütilirte uralte Statue, auf einem Piedeſtal von Granit. Neben dieſem ſah man ſonſt den Krö- nungsſeſſel, der angeblich aus Portugal hierher ge- bracht, dann zur Krönung des ſchottiſchen Königs Fergus nach Scone geſendet wurde, von wo ihn zu- letzt Edward I. nach Weſtminſter entführte. Dort befindet er ſich noch jetzt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0106"n="84"/>
einer meiner Vorfahren aus den Gefängniſſen der<lb/>
Inquiſition entführte, und auf der die heilige Maria,<lb/>ſtatt Engeln, von Affen umgeben iſt, deren einige<lb/>
die Violine ſpielen, während andere ſich dazu mit<lb/>
Burzelbäumen in den Wolken überſchlagen.</p><lb/><p>Ich beſah Alles ſehr gründlich, und war noch auf<lb/>
der höchſten acceſſiblen Thurmſpitze, als die Sonne<lb/>
über dem Teufelsbiſſe unterging. Der Erzbiſchof<lb/>
hatte die Güte gehabt, mir ſeinen Bibliothekar zu<lb/>ſchicken, um mir die Ruine zu zeigen. Von dieſem<lb/>
erfuhr ich, daß der berühmte, oft citirte, in iriſcher<lb/>
Sprache geſchriebene Pſalter, der in jedem <hirendition="#aq">guide des<lb/>
voyageurs</hi> als ſtehende Merkwürdigkeit Caſhels auf-<lb/>
geführt wird, eine bloße Fabel ſey, wenigſtens hier<lb/>
nie exiſtirt habe. Dies intereſſirte mich jedoch we-<lb/>
nig, aber wahrhaft erſchreckt ward ich, als ich hörte,<lb/>
daß die Katholiken mit der Idee umgingen, die<lb/>
Kirche wieder herzuſtellen und neu auszubauen,<lb/>
wenn ſie das Grundſtück zu aquiriren im Stande<lb/>
wären. Der Himmel beſchütze doch vor dieſen From-<lb/>
men die heilige Ruine!</p><lb/><p>Auf dem freien Platz vor der Kirche ruht S. Pa-<lb/>
trick’s mütilirte uralte Statue, auf einem Piedeſtal<lb/>
von Granit. Neben dieſem ſah man ſonſt den Krö-<lb/>
nungsſeſſel, der angeblich aus Portugal hierher ge-<lb/>
bracht, dann zur Krönung des ſchottiſchen Königs<lb/>
Fergus nach Scone geſendet wurde, von wo ihn zu-<lb/>
letzt Edward <hirendition="#aq">I.</hi> nach Weſtminſter entführte. Dort<lb/>
befindet er ſich noch jetzt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[84/0106]
einer meiner Vorfahren aus den Gefängniſſen der
Inquiſition entführte, und auf der die heilige Maria,
ſtatt Engeln, von Affen umgeben iſt, deren einige
die Violine ſpielen, während andere ſich dazu mit
Burzelbäumen in den Wolken überſchlagen.
Ich beſah Alles ſehr gründlich, und war noch auf
der höchſten acceſſiblen Thurmſpitze, als die Sonne
über dem Teufelsbiſſe unterging. Der Erzbiſchof
hatte die Güte gehabt, mir ſeinen Bibliothekar zu
ſchicken, um mir die Ruine zu zeigen. Von dieſem
erfuhr ich, daß der berühmte, oft citirte, in iriſcher
Sprache geſchriebene Pſalter, der in jedem guide des
voyageurs als ſtehende Merkwürdigkeit Caſhels auf-
geführt wird, eine bloße Fabel ſey, wenigſtens hier
nie exiſtirt habe. Dies intereſſirte mich jedoch we-
nig, aber wahrhaft erſchreckt ward ich, als ich hörte,
daß die Katholiken mit der Idee umgingen, die
Kirche wieder herzuſtellen und neu auszubauen,
wenn ſie das Grundſtück zu aquiriren im Stande
wären. Der Himmel beſchütze doch vor dieſen From-
men die heilige Ruine!
Auf dem freien Platz vor der Kirche ruht S. Pa-
trick’s mütilirte uralte Statue, auf einem Piedeſtal
von Granit. Neben dieſem ſah man ſonſt den Krö-
nungsſeſſel, der angeblich aus Portugal hierher ge-
bracht, dann zur Krönung des ſchottiſchen Königs
Fergus nach Scone geſendet wurde, von wo ihn zu-
letzt Edward I. nach Weſtminſter entführte. Dort
befindet er ſich noch jetzt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/106>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.