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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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ten hege. Ich dachte nun lange nach, was ich wohl
wählen sollte. Rosenstöcke und alle botanischen Ge-
schenke, wie Früchte u. s. w. sind so alltäglich, Putz
durfte es nicht seyn, denn dies würde einer indirek-
ten Andeutung geglichen haben, daß ich sie für eitel
halte, noch weniger hätte ich ihr mögen etwas Kost-
bares anbieten, um sie nicht für interessirt zu erklä-
ren, ein frommes Gesang- oder Erbauungsbüchlein
wagte ich nicht zu wählen, um nicht sündlich bei ir-
dischen Zwecken Heiliges zu profaniren -- nein, nur
etwas Gefühlvolles und zugleich zart auf unsre Ver-
hältnisse Anspielendes mußte es seyn. -- Da fiel mir
plötzlich, wie ein Blitz in dunkler Nacht, der Gedanke
ein, daß die Zeit der frischen Heringe herannahe.
Dies Wort elektrisirte mich, und mit der gewöhnli-
chen Schnelligkeit meiner Conceptionen, gewahrte ich
im Augenblick was hier alles verborgen liege. So-
gleich schickte ich eine Staffette nach Berlin, um dort,
wo alles Neue bekanntlich stets zuerst zu finden ist,
wo möglich noch vor der jährlichen Annonce in den
zwei löschpapiernen Zeitungen, besagte Geschöpfe Got-
tes zu erhalten. Alles ging nach Wunsch -- beide
lagen vor mir, ehe wenige Tage vergingen. Ich ließ
sie nun noch, statt der Petersilie, auf einigen Liebe-
vollen Blättern des Clauren'schen Vergißmeinnichts
(die nie verblühen) anrichten, und überdachte noch-
mals, was ihre stumme Sprache (nämlich der He-
ringe) außerdem noch alles auszudrücken fähig sey.

Es wäre vielleicht zu weit hergeholt, wenn ich es
geltend machen wollte, wie Hering an Hymen erin-

ten hege. Ich dachte nun lange nach, was ich wohl
wählen ſollte. Roſenſtöcke und alle botaniſchen Ge-
ſchenke, wie Früchte u. ſ. w. ſind ſo alltäglich, Putz
durfte es nicht ſeyn, denn dies würde einer indirek-
ten Andeutung geglichen haben, daß ich ſie für eitel
halte, noch weniger hätte ich ihr mögen etwas Koſt-
bares anbieten, um ſie nicht für intereſſirt zu erklä-
ren, ein frommes Geſang- oder Erbauungsbüchlein
wagte ich nicht zu wählen, um nicht ſündlich bei ir-
diſchen Zwecken Heiliges zu profaniren — nein, nur
etwas Gefühlvolles und zugleich zart auf unſre Ver-
hältniſſe Anſpielendes mußte es ſeyn. — Da fiel mir
plötzlich, wie ein Blitz in dunkler Nacht, der Gedanke
ein, daß die Zeit der friſchen Heringe herannahe.
Dies Wort elektriſirte mich, und mit der gewöhnli-
chen Schnelligkeit meiner Conceptionen, gewahrte ich
im Augenblick was hier alles verborgen liege. So-
gleich ſchickte ich eine Staffette nach Berlin, um dort,
wo alles Neue bekanntlich ſtets zuerſt zu finden iſt,
wo möglich noch vor der jährlichen Annonce in den
zwei löſchpapiernen Zeitungen, beſagte Geſchöpfe Got-
tes zu erhalten. Alles ging nach Wunſch — beide
lagen vor mir, ehe wenige Tage vergingen. Ich ließ
ſie nun noch, ſtatt der Peterſilie, auf einigen Liebe-
vollen Blättern des Clauren’ſchen Vergißmeinnichts
(die nie verblühen) anrichten, und überdachte noch-
mals, was ihre ſtumme Sprache (nämlich der He-
ringe) außerdem noch alles auszudrücken fähig ſey.

Es wäre vielleicht zu weit hergeholt, wenn ich es
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[59/0083] ten hege. Ich dachte nun lange nach, was ich wohl wählen ſollte. Roſenſtöcke und alle botaniſchen Ge- ſchenke, wie Früchte u. ſ. w. ſind ſo alltäglich, Putz durfte es nicht ſeyn, denn dies würde einer indirek- ten Andeutung geglichen haben, daß ich ſie für eitel halte, noch weniger hätte ich ihr mögen etwas Koſt- bares anbieten, um ſie nicht für intereſſirt zu erklä- ren, ein frommes Geſang- oder Erbauungsbüchlein wagte ich nicht zu wählen, um nicht ſündlich bei ir- diſchen Zwecken Heiliges zu profaniren — nein, nur etwas Gefühlvolles und zugleich zart auf unſre Ver- hältniſſe Anſpielendes mußte es ſeyn. — Da fiel mir plötzlich, wie ein Blitz in dunkler Nacht, der Gedanke ein, daß die Zeit der friſchen Heringe herannahe. Dies Wort elektriſirte mich, und mit der gewöhnli- chen Schnelligkeit meiner Conceptionen, gewahrte ich im Augenblick was hier alles verborgen liege. So- gleich ſchickte ich eine Staffette nach Berlin, um dort, wo alles Neue bekanntlich ſtets zuerſt zu finden iſt, wo möglich noch vor der jährlichen Annonce in den zwei löſchpapiernen Zeitungen, beſagte Geſchöpfe Got- tes zu erhalten. Alles ging nach Wunſch — beide lagen vor mir, ehe wenige Tage vergingen. Ich ließ ſie nun noch, ſtatt der Peterſilie, auf einigen Liebe- vollen Blättern des Clauren’ſchen Vergißmeinnichts (die nie verblühen) anrichten, und überdachte noch- mals, was ihre ſtumme Sprache (nämlich der He- ringe) außerdem noch alles auszudrücken fähig ſey. Es wäre vielleicht zu weit hergeholt, wenn ich es geltend machen wollte, wie Hering an Hymen erin-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/83>, abgerufen am 02.05.2024.