stadt einen alten Juden, mit dessen Handel es nicht mehr recht fort wollte, zur Taufe vermochte, wofür er noch jetzt eine Pension von mir erhält -- suchte auch mein Scherflein zu der Sinneswandelung eines wirklichen Indiers beizutragen, der nach vielen wunderbaren Schicksalen bis in unsere hyperborei- schen Gegenden verschlagen worden war, woselbst die Herrnhuter sich lange, und dennoch vergebens, mit seiner Bekehrung bemüht hatten. Er hörte mir recht geduldig zu, und ich muß gestehen, ich bewun- derte, von der Wichtigkeit des Gegenstandes hinge- rissen, meine eigne Beredsamkeit. Aber was war der ganze Erfolg? Er sah mich lächelnd an, nahm mein Allmosen, schüttelte mit dem Kopf, wie eine Pagode, und ließ mich ohne alle weitere Antwort stehen!
P. S. Eben erhalte ich zu meinem großen Schrecken die Nachricht, daß der von mir bekehrte Jude gestorben, und auf dem Todbette, aus Ge- wissensbissen -- (sollte man so etwas für möglich halten!) wieder ein Jude gewor- den ist!
5., Als ich vom Begräbniß der Madame R ... zurückkam.
Vor einigen Tagen begab sich hier eine höchst merk- würdige Geschichte! Es sind erst kürzlich zehn Jahre verflossen, daß ein hübsches, und was mehr sagen will, auch ein frommes Mädchen in einem hiesigen Conditorladen angestellt war. Obgleich vielen Ver-
ſtadt einen alten Juden, mit deſſen Handel es nicht mehr recht fort wollte, zur Taufe vermochte, wofür er noch jetzt eine Penſion von mir erhält — ſuchte auch mein Scherflein zu der Sinneswandelung eines wirklichen Indiers beizutragen, der nach vielen wunderbaren Schickſalen bis in unſere hyperborei- ſchen Gegenden verſchlagen worden war, woſelbſt die Herrnhuter ſich lange, und dennoch vergebens, mit ſeiner Bekehrung bemüht hatten. Er hörte mir recht geduldig zu, und ich muß geſtehen, ich bewun- derte, von der Wichtigkeit des Gegenſtandes hinge- riſſen, meine eigne Beredſamkeit. Aber was war der ganze Erfolg? Er ſah mich lächelnd an, nahm mein Allmoſen, ſchüttelte mit dem Kopf, wie eine Pagode, und ließ mich ohne alle weitere Antwort ſtehen!
P. S. Eben erhalte ich zu meinem großen Schrecken die Nachricht, daß der von mir bekehrte Jude geſtorben, und auf dem Todbette, aus Ge- wiſſensbiſſen — (ſollte man ſo etwas für möglich halten!) wieder ein Jude gewor- den iſt!
5., Als ich vom Begräbniß der Madame R … zurückkam.
Vor einigen Tagen begab ſich hier eine höchſt merk- würdige Geſchichte! Es ſind erſt kürzlich zehn Jahre verfloſſen, daß ein hübſches, und was mehr ſagen will, auch ein frommes Mädchen in einem hieſigen Conditorladen angeſtellt war. Obgleich vielen Ver-
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ſtadt einen alten Juden, mit deſſen Handel es nicht
mehr recht fort wollte, zur Taufe vermochte, wofür
er noch jetzt eine Penſion von mir erhält — ſuchte
auch mein Scherflein zu der Sinneswandelung eines
wirklichen Indiers beizutragen, der nach vielen
wunderbaren Schickſalen bis in unſere hyperborei-
ſchen Gegenden verſchlagen worden war, woſelbſt
die Herrnhuter ſich lange, und dennoch vergebens,
mit ſeiner Bekehrung bemüht hatten. Er hörte mir
recht geduldig zu, und ich muß geſtehen, ich bewun-
derte, von der Wichtigkeit des Gegenſtandes hinge-
riſſen, meine eigne Beredſamkeit. Aber was war der
ganze Erfolg? Er ſah mich lächelnd an, nahm mein
Allmoſen, ſchüttelte mit dem Kopf, wie eine Pagode,
und ließ mich ohne alle weitere Antwort ſtehen!
P. S. Eben erhalte ich zu meinem großen Schrecken
die Nachricht, daß der von mir bekehrte Jude
geſtorben, und auf dem Todbette, aus Ge-
wiſſensbiſſen — (ſollte man ſo etwas für
möglich halten!) wieder ein Jude gewor-
den iſt!
5., Als ich vom Begräbniß der Madame R …
zurückkam.
Vor einigen Tagen begab ſich hier eine höchſt merk-
würdige Geſchichte! Es ſind erſt kürzlich zehn Jahre
verfloſſen, daß ein hübſches, und was mehr ſagen
will, auch ein frommes Mädchen in einem hieſigen
Conditorladen angeſtellt war. Obgleich vielen Ver-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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