Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

So behelfen sich denn Viele auf's Beste; nur mit
dem armen Adel, besonders dem alten, (insofern er
nicht auch in den sichern Hafen der Bureaukratie ein-
gelaufen ist) sieht es kläglich aus! Ohne Geld und
freien Grundbesitz, seine Adels-Titel ins Unendliche
vervielfältigend, und seine Stammgüter ins Unend-
liche theilend, ohne Antheil an der Gesetzgebung als
den, welcher ihm in einer ständischen Schule vergönnt
wird, wo man ihn zur graduellen Ausbildung einst-
weilen nach Quinta gesetzt hat, von seinen früher
innegehabten Stiftern und Pfründen schon längst ab-
gelöst, *) von den Behörden mehr als billig gehudelt,
ja oft wegen seiner so schlecht soutenirten Ansprüche
nicht nur ausgelacht, sondern auch angefeindet und
verfolgt, hat er, als Corporation, sein Ansehen
beim Volke gänzlich verloren, und es bleibt ihm
kaum eine andere wesentliche Eigenschaft mehr übrig,
als die, zur einzigen Pflanzschule für Kammerherrn

*) Ablösen, reguliren, separiren -- welcher Guts- und
auch bäuerliche Besitzer in jenem aufgeklärten Lande
kennt nicht die eigentliche Bedeutung dieser Worte!
Schön und liberal, obgleich den Knoten etwas ge-
waltsam
durchhauend, war die Idee des Gesetzes,
aber wie wird es ausgeführt! Hierüber wäre ein
Buch zu schreiben, und sollte geschrieben werden.
Die Ausführung dieses Geschäfts ist nämlich vollkom-
men von der Art, wie ein gewisser Herr von Wanze
als Pächter verkleidet, den wohlhabenden Bauern zu
A ... auf ihrer Kirmeß das Pharao lehrte. Ihr
setzt Euer Geld, sagte er, ich theile die Karten rechts
und links. Was links fällt, gewinne ich, was rechts
fällt, verliert Ihr. A. d. H.

So behelfen ſich denn Viele auf’s Beſte; nur mit
dem armen Adel, beſonders dem alten, (inſofern er
nicht auch in den ſichern Hafen der Bureaukratie ein-
gelaufen iſt) ſieht es kläglich aus! Ohne Geld und
freien Grundbeſitz, ſeine Adels-Titel ins Unendliche
vervielfältigend, und ſeine Stammgüter ins Unend-
liche theilend, ohne Antheil an der Geſetzgebung als
den, welcher ihm in einer ſtändiſchen Schule vergönnt
wird, wo man ihn zur graduellen Ausbildung einſt-
weilen nach Quinta geſetzt hat, von ſeinen früher
innegehabten Stiftern und Pfründen ſchon längſt ab-
gelöst, *) von den Behörden mehr als billig gehudelt,
ja oft wegen ſeiner ſo ſchlecht ſoutenirten Anſprüche
nicht nur ausgelacht, ſondern auch angefeindet und
verfolgt, hat er, als Corporation, ſein Anſehen
beim Volke gänzlich verloren, und es bleibt ihm
kaum eine andere weſentliche Eigenſchaft mehr übrig,
als die, zur einzigen Pflanzſchule für Kammerherrn

*) Ablöſen, reguliren, ſepariren — welcher Guts- und
auch bäuerliche Beſitzer in jenem aufgeklärten Lande
kennt nicht die eigentliche Bedeutung dieſer Worte!
Schön und liberal, obgleich den Knoten etwas ge-
waltſam
durchhauend, war die Idee des Geſetzes,
aber wie wird es ausgeführt! Hierüber wäre ein
Buch zu ſchreiben, und ſollte geſchrieben werden.
Die Ausführung dieſes Geſchäfts iſt nämlich vollkom-
men von der Art, wie ein gewiſſer Herr von Wanze
als Pächter verkleidet, den wohlhabenden Bauern zu
A … auf ihrer Kirmeß das Pharao lehrte. Ihr
ſetzt Euer Geld, ſagte er, ich theile die Karten rechts
und links. Was links fällt, gewinne ich, was rechts
fällt, verliert Ihr. A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0060" n="36"/>
          <p>So behelfen &#x017F;ich denn Viele auf&#x2019;s Be&#x017F;te; nur mit<lb/>
dem armen Adel, be&#x017F;onders dem alten, (in&#x017F;ofern er<lb/>
nicht auch in den &#x017F;ichern Hafen der Bureaukratie ein-<lb/>
gelaufen i&#x017F;t) &#x017F;ieht es kläglich aus! Ohne Geld und<lb/>
freien Grundbe&#x017F;itz, &#x017F;eine Adels-Titel ins Unendliche<lb/>
vervielfältigend, und &#x017F;eine Stammgüter ins Unend-<lb/>
liche theilend, ohne Antheil an der Ge&#x017F;etzgebung als<lb/>
den, welcher ihm in einer &#x017F;tändi&#x017F;chen Schule vergönnt<lb/>
wird, wo man ihn zur graduellen Ausbildung ein&#x017F;t-<lb/>
weilen nach Quinta ge&#x017F;etzt hat, von &#x017F;einen früher<lb/>
innegehabten Stiftern und Pfründen &#x017F;chon läng&#x017F;t ab-<lb/>
gelöst, <note place="foot" n="*)">Ablö&#x017F;en, reguliren, &#x017F;epariren &#x2014; welcher Guts- und<lb/>
auch bäuerliche Be&#x017F;itzer in jenem aufgeklärten Lande<lb/>
kennt nicht die eigentliche Bedeutung die&#x017F;er Worte!<lb/>
Schön und liberal, obgleich den Knoten etwas <hi rendition="#g">ge-<lb/>
walt&#x017F;am</hi> durchhauend, war die Idee des Ge&#x017F;etzes,<lb/>
aber wie wird es <hi rendition="#g">ausgeführt!</hi> Hierüber wäre ein<lb/>
Buch zu &#x017F;chreiben, und <hi rendition="#g">&#x017F;ollte</hi> ge&#x017F;chrieben werden.<lb/>
Die Ausführung die&#x017F;es Ge&#x017F;chäfts i&#x017F;t nämlich vollkom-<lb/>
men von der Art, wie ein gewi&#x017F;&#x017F;er Herr von Wanze<lb/>
als Pächter verkleidet, den wohlhabenden Bauern zu<lb/>
A &#x2026; auf ihrer Kirmeß das Pharao lehrte. <hi rendition="#g">Ihr</hi><lb/>
&#x017F;etzt Euer Geld, &#x017F;agte er, <hi rendition="#g">ich</hi> theile die Karten rechts<lb/>
und links. Was links <choice><sic>fa&#x0307;llt</sic><corr>fällt</corr></choice>, gewinne ich, was rechts<lb/>
fällt, verliert Ihr. <hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note> von den Behörden mehr als billig gehudelt,<lb/>
ja oft wegen &#x017F;einer &#x017F;o &#x017F;chlecht &#x017F;outenirten An&#x017F;prüche<lb/>
nicht nur ausgelacht, &#x017F;ondern auch angefeindet und<lb/>
verfolgt, hat er, als <hi rendition="#g">Corporation,</hi> &#x017F;ein An&#x017F;ehen<lb/>
beim Volke gänzlich verloren, und es bleibt ihm<lb/>
kaum eine andere we&#x017F;entliche Eigen&#x017F;chaft mehr übrig,<lb/>
als die, zur einzigen Pflanz&#x017F;chule für Kammerherrn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0060] So behelfen ſich denn Viele auf’s Beſte; nur mit dem armen Adel, beſonders dem alten, (inſofern er nicht auch in den ſichern Hafen der Bureaukratie ein- gelaufen iſt) ſieht es kläglich aus! Ohne Geld und freien Grundbeſitz, ſeine Adels-Titel ins Unendliche vervielfältigend, und ſeine Stammgüter ins Unend- liche theilend, ohne Antheil an der Geſetzgebung als den, welcher ihm in einer ſtändiſchen Schule vergönnt wird, wo man ihn zur graduellen Ausbildung einſt- weilen nach Quinta geſetzt hat, von ſeinen früher innegehabten Stiftern und Pfründen ſchon längſt ab- gelöst, *) von den Behörden mehr als billig gehudelt, ja oft wegen ſeiner ſo ſchlecht ſoutenirten Anſprüche nicht nur ausgelacht, ſondern auch angefeindet und verfolgt, hat er, als Corporation, ſein Anſehen beim Volke gänzlich verloren, und es bleibt ihm kaum eine andere weſentliche Eigenſchaft mehr übrig, als die, zur einzigen Pflanzſchule für Kammerherrn *) Ablöſen, reguliren, ſepariren — welcher Guts- und auch bäuerliche Beſitzer in jenem aufgeklärten Lande kennt nicht die eigentliche Bedeutung dieſer Worte! Schön und liberal, obgleich den Knoten etwas ge- waltſam durchhauend, war die Idee des Geſetzes, aber wie wird es ausgeführt! Hierüber wäre ein Buch zu ſchreiben, und ſollte geſchrieben werden. Die Ausführung dieſes Geſchäfts iſt nämlich vollkom- men von der Art, wie ein gewiſſer Herr von Wanze als Pächter verkleidet, den wohlhabenden Bauern zu A … auf ihrer Kirmeß das Pharao lehrte. Ihr ſetzt Euer Geld, ſagte er, ich theile die Karten rechts und links. Was links fällt, gewinne ich, was rechts fällt, verliert Ihr. A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/60
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/60>, abgerufen am 24.11.2024.