Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Daß ich wünschen mußte, einen so braven Mann
kennen zu lernen, magst Du voraussetzen. Es war
daher eine wahre Gunst des Schicksals, daß ich ihm,
seine Arbeiter inspicirend, im Parke begegnete. Unser
Gespräch nahm bald eine interessante, für mich höchst
lehrreiche Wendung. Eine Einladung, mit ihm und
seiner Familie zu frühstücken, schlug ich nicht ab, und
fand in seiner Gemahlin eine flüchtige Bekannte aus
dem Londner Trouble. Sie nahm das unerwartete
Wiedersehen herzlich auf und präsentirte mir zwei
Töchter von 18 und 17 Jahren, die noch nicht
"brought out" waren, denn wie ich Dir schon neu-
lich schrieb, während man in England die Pferde
(sans comparaison) zu früh ausbringt, nämlich im
zweiten Jahr schon Wette laufen läßt, müssen die
armen Mädchen fast alt werden, ehe man ihnen das
Gängelband löst, um sie in die böse Welt zu lan-
ciren.

Die Familie erschöpfte alle Artigkeit und Freund-
schaft an mir, und da mich die Damen so leiden-
schaftlich für schöne Natur eingenommen sahen, baten
sie mich dringend, einige Tage hier zu bleiben, um
so manche Merkwürdigkeit, namentlich den berühmten
Wasserfall und Aussicht von Hungryhill, mit ihnen
zu besuchen. Es war mir unmöglich, jetzt mich län-
ger aufzuhalten, da ich mich bei H. O' Connel ange-
sagt, gewiß aber werde ich auf meiner Weiterreise
nach Cork von einer so lieben Einladung Gebrauch
machen, denn solche Gesellschaft gehört nicht zu de-
nen, die ich scheue.

Daß ich wünſchen mußte, einen ſo braven Mann
kennen zu lernen, magſt Du vorausſetzen. Es war
daher eine wahre Gunſt des Schickſals, daß ich ihm,
ſeine Arbeiter inſpicirend, im Parke begegnete. Unſer
Geſpräch nahm bald eine intereſſante, für mich höchſt
lehrreiche Wendung. Eine Einladung, mit ihm und
ſeiner Familie zu frühſtücken, ſchlug ich nicht ab, und
fand in ſeiner Gemahlin eine flüchtige Bekannte aus
dem Londner Trouble. Sie nahm das unerwartete
Wiederſehen herzlich auf und präſentirte mir zwei
Töchter von 18 und 17 Jahren, die noch nicht
„brought out“ waren, denn wie ich Dir ſchon neu-
lich ſchrieb, während man in England die Pferde
(sans comparaison) zu früh ausbringt, nämlich im
zweiten Jahr ſchon Wette laufen läßt, müſſen die
armen Mädchen faſt alt werden, ehe man ihnen das
Gängelband löst, um ſie in die böſe Welt zu lan-
çiren.

Die Familie erſchöpfte alle Artigkeit und Freund-
ſchaft an mir, und da mich die Damen ſo leiden-
ſchaftlich für ſchöne Natur eingenommen ſahen, baten
ſie mich dringend, einige Tage hier zu bleiben, um
ſo manche Merkwürdigkeit, namentlich den berühmten
Waſſerfall und Ausſicht von Hungryhill, mit ihnen
zu beſuchen. Es war mir unmöglich, jetzt mich län-
ger aufzuhalten, da ich mich bei H. O’ Connel ange-
ſagt, gewiß aber werde ich auf meiner Weiterreiſe
nach Cork von einer ſo lieben Einladung Gebrauch
machen, denn ſolche Geſellſchaft gehört nicht zu de-
nen, die ich ſcheue.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0342" n="318"/>
          <p>Daß ich wün&#x017F;chen mußte, einen &#x017F;o braven Mann<lb/>
kennen zu lernen, mag&#x017F;t Du voraus&#x017F;etzen. Es war<lb/>
daher eine wahre Gun&#x017F;t des Schick&#x017F;als, daß ich ihm,<lb/>
&#x017F;eine Arbeiter in&#x017F;picirend, im Parke begegnete. Un&#x017F;er<lb/>
Ge&#x017F;präch nahm bald eine intere&#x017F;&#x017F;ante, für mich höch&#x017F;t<lb/>
lehrreiche Wendung. Eine Einladung, mit ihm und<lb/>
&#x017F;einer Familie zu früh&#x017F;tücken, &#x017F;chlug ich nicht ab, und<lb/>
fand in &#x017F;einer Gemahlin eine flüchtige Bekannte aus<lb/>
dem Londner Trouble. Sie nahm das unerwartete<lb/>
Wieder&#x017F;ehen herzlich auf und prä&#x017F;entirte mir zwei<lb/>
Töchter von 18 und 17 Jahren, die noch nicht<lb/><hi rendition="#aq">&#x201E;brought out&#x201C;</hi> waren, denn wie ich Dir &#x017F;chon neu-<lb/>
lich &#x017F;chrieb, während man in England die Pferde<lb/>
(<hi rendition="#aq">sans comparaison</hi>) zu früh ausbringt, nämlich im<lb/>
zweiten Jahr &#x017F;chon Wette laufen läßt, mü&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
armen <choice><sic>Ma&#x0307;dchen</sic><corr>Mädchen</corr></choice> fa&#x017F;t alt werden, ehe man ihnen das<lb/>
Gängelband löst, um &#x017F;ie in die bö&#x017F;e Welt zu lan-<lb/><hi rendition="#aq">ç</hi>iren.</p><lb/>
          <p>Die Familie er&#x017F;chöpfte alle Artigkeit und Freund-<lb/>
&#x017F;chaft an mir, und da mich die Damen &#x017F;o leiden-<lb/>
&#x017F;chaftlich für &#x017F;chöne Natur eingenommen &#x017F;ahen, baten<lb/>
&#x017F;ie mich dringend, einige Tage hier zu bleiben, um<lb/>
&#x017F;o manche Merkwürdigkeit, namentlich den berühmten<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erfall und Aus&#x017F;icht von Hungryhill, mit ihnen<lb/>
zu be&#x017F;uchen. Es war mir unmöglich, jetzt mich län-<lb/>
ger aufzuhalten, da ich mich bei H. O&#x2019; Connel ange-<lb/>
&#x017F;agt, gewiß aber werde ich auf meiner Weiterrei&#x017F;e<lb/>
nach Cork von einer &#x017F;o lieben Einladung Gebrauch<lb/>
machen, denn <hi rendition="#g">&#x017F;olche</hi> Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gehört nicht zu de-<lb/>
nen, die ich &#x017F;cheue.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0342] Daß ich wünſchen mußte, einen ſo braven Mann kennen zu lernen, magſt Du vorausſetzen. Es war daher eine wahre Gunſt des Schickſals, daß ich ihm, ſeine Arbeiter inſpicirend, im Parke begegnete. Unſer Geſpräch nahm bald eine intereſſante, für mich höchſt lehrreiche Wendung. Eine Einladung, mit ihm und ſeiner Familie zu frühſtücken, ſchlug ich nicht ab, und fand in ſeiner Gemahlin eine flüchtige Bekannte aus dem Londner Trouble. Sie nahm das unerwartete Wiederſehen herzlich auf und präſentirte mir zwei Töchter von 18 und 17 Jahren, die noch nicht „brought out“ waren, denn wie ich Dir ſchon neu- lich ſchrieb, während man in England die Pferde (sans comparaison) zu früh ausbringt, nämlich im zweiten Jahr ſchon Wette laufen läßt, müſſen die armen Mädchen faſt alt werden, ehe man ihnen das Gängelband löst, um ſie in die böſe Welt zu lan- çiren. Die Familie erſchöpfte alle Artigkeit und Freund- ſchaft an mir, und da mich die Damen ſo leiden- ſchaftlich für ſchöne Natur eingenommen ſahen, baten ſie mich dringend, einige Tage hier zu bleiben, um ſo manche Merkwürdigkeit, namentlich den berühmten Waſſerfall und Ausſicht von Hungryhill, mit ihnen zu beſuchen. Es war mir unmöglich, jetzt mich län- ger aufzuhalten, da ich mich bei H. O’ Connel ange- ſagt, gewiß aber werde ich auf meiner Weiterreiſe nach Cork von einer ſo lieben Einladung Gebrauch machen, denn ſolche Geſellſchaft gehört nicht zu de- nen, die ich ſcheue.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/342
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/342>, abgerufen am 04.05.2024.