Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

verlieren, weil ihnen eine Hauptsache, der Vorgrund,
fehlt.

Neben einer hübschen Cascade, und in der reizend-
sten Wildniß, hat sich, nahe der Straße, ein Kauf-
mann Garten und Park mit einer ländlichen Villa
erbaut. Die Kosten dieser Anlage müssen wenigstens
5 -- 6000 Lst. betragen haben, vielleicht weit mehr,
dennoch steht der Grund und Boden nur 99 Jahre
der Familie des jetzigen Nutznießers zur Disposition;
nach dieser Zeit fällt er, mit Allem was darauf er-
baut ist, und was im vollkommen baulichen Zustande
übergeben werden muß, den Grundherren, den Lords
von Kenmare wieder zu. Kein Deutscher möchte Lust
haben, unter solchen Bedingungen sein Vermögen
auf Verschönerungs-Anlagen zu verwenden; in Eng-
land aber, wo fast aller Grund und Boden, entwe-
der der Regierung, der Kirche, oder der mächtigen
Aristokratie gehört, und daher sich nur selten Gele-
genheit darbietet, solchen frei zu aquiriren; auf der
andern Seite aber auch Industrie, durch ein weises
Gouvernement, im richtigen Verhältniß neben dem
Ackerbau befördert, den Handels- und Mittelstand
ebenfalls reich gemacht hat, -- kommen dergleichen
Contrakte alltäglich vor, und verhindern fast alle
Nachtheile des zu großen Landbesitzes, ohne seinen
großen Nutzen für den Staat zu schmälern.

Wir stiegen nun immer steiler heran, und befan-
den uns bald zwischen den kahlen Höhen, denn
Pflanzungen werden hier fast immer nur bis zur

verlieren, weil ihnen eine Hauptſache, der Vorgrund,
fehlt.

Neben einer hübſchen Cascade, und in der reizend-
ſten Wildniß, hat ſich, nahe der Straße, ein Kauf-
mann Garten und Park mit einer ländlichen Villa
erbaut. Die Koſten dieſer Anlage müſſen wenigſtens
5 — 6000 Lſt. betragen haben, vielleicht weit mehr,
dennoch ſteht der Grund und Boden nur 99 Jahre
der Familie des jetzigen Nutznießers zur Dispoſition;
nach dieſer Zeit fällt er, mit Allem was darauf er-
baut iſt, und was im vollkommen baulichen Zuſtande
übergeben werden muß, den Grundherren, den Lords
von Kenmare wieder zu. Kein Deutſcher möchte Luſt
haben, unter ſolchen Bedingungen ſein Vermögen
auf Verſchönerungs-Anlagen zu verwenden; in Eng-
land aber, wo faſt aller Grund und Boden, entwe-
der der Regierung, der Kirche, oder der mächtigen
Ariſtokratie gehört, und daher ſich nur ſelten Gele-
genheit darbietet, ſolchen frei zu aquiriren; auf der
andern Seite aber auch Induſtrie, durch ein weiſes
Gouvernement, im richtigen Verhältniß neben dem
Ackerbau befördert, den Handels- und Mittelſtand
ebenfalls reich gemacht hat, — kommen dergleichen
Contrakte alltäglich vor, und verhindern faſt alle
Nachtheile des zu großen Landbeſitzes, ohne ſeinen
großen Nutzen für den Staat zu ſchmälern.

Wir ſtiegen nun immer ſteiler heran, und befan-
den uns bald zwiſchen den kahlen Höhen, denn
Pflanzungen werden hier faſt immer nur bis zur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="308"/>
verlieren, weil ihnen eine Haupt&#x017F;ache, der Vorgrund,<lb/>
fehlt.</p><lb/>
          <p>Neben einer hüb&#x017F;chen Cascade, und in der reizend-<lb/>
&#x017F;ten Wildniß, hat &#x017F;ich, nahe der Straße, ein Kauf-<lb/>
mann Garten und Park mit einer ländlichen Villa<lb/>
erbaut. Die Ko&#x017F;ten die&#x017F;er Anlage mü&#x017F;&#x017F;en wenig&#x017F;tens<lb/>
5 &#x2014; 6000 L&#x017F;t. betragen haben, vielleicht weit mehr,<lb/>
dennoch &#x017F;teht der Grund und Boden nur 99 Jahre<lb/>
der Familie des jetzigen Nutznießers zur Dispo&#x017F;ition;<lb/>
nach die&#x017F;er Zeit <choice><sic>fa&#x0307;llt</sic><corr>fällt</corr></choice> er, mit Allem was darauf er-<lb/>
baut i&#x017F;t, und was im vollkommen baulichen Zu&#x017F;tande<lb/>
übergeben werden muß, den Grundherren, den Lords<lb/>
von Kenmare wieder zu. Kein Deut&#x017F;cher möchte Lu&#x017F;t<lb/>
haben, unter &#x017F;olchen Bedingungen &#x017F;ein Vermögen<lb/>
auf Ver&#x017F;chönerungs-Anlagen zu verwenden; in Eng-<lb/>
land aber, wo fa&#x017F;t aller Grund und Boden, entwe-<lb/>
der der Regierung, der Kirche, oder der mächtigen<lb/>
Ari&#x017F;tokratie gehört, und daher &#x017F;ich nur &#x017F;elten Gele-<lb/>
genheit darbietet, &#x017F;olchen frei zu aquiriren; auf der<lb/>
andern Seite aber auch Indu&#x017F;trie, durch ein wei&#x017F;es<lb/>
Gouvernement, im richtigen Verhältniß <hi rendition="#g">neben</hi> dem<lb/>
Ackerbau befördert, den Handels- und Mittel&#x017F;tand<lb/>
ebenfalls reich gemacht hat, &#x2014; kommen dergleichen<lb/>
Contrakte alltäglich vor, und verhindern fa&#x017F;t alle<lb/>
Nachtheile des zu großen Landbe&#x017F;itzes, ohne &#x017F;einen<lb/>
großen Nutzen für den Staat zu &#x017F;chmälern.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;tiegen nun immer &#x017F;teiler heran, und befan-<lb/>
den uns bald zwi&#x017F;chen den kahlen Höhen, denn<lb/>
Pflanzungen werden hier fa&#x017F;t immer nur bis zur<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0332] verlieren, weil ihnen eine Hauptſache, der Vorgrund, fehlt. Neben einer hübſchen Cascade, und in der reizend- ſten Wildniß, hat ſich, nahe der Straße, ein Kauf- mann Garten und Park mit einer ländlichen Villa erbaut. Die Koſten dieſer Anlage müſſen wenigſtens 5 — 6000 Lſt. betragen haben, vielleicht weit mehr, dennoch ſteht der Grund und Boden nur 99 Jahre der Familie des jetzigen Nutznießers zur Dispoſition; nach dieſer Zeit fällt er, mit Allem was darauf er- baut iſt, und was im vollkommen baulichen Zuſtande übergeben werden muß, den Grundherren, den Lords von Kenmare wieder zu. Kein Deutſcher möchte Luſt haben, unter ſolchen Bedingungen ſein Vermögen auf Verſchönerungs-Anlagen zu verwenden; in Eng- land aber, wo faſt aller Grund und Boden, entwe- der der Regierung, der Kirche, oder der mächtigen Ariſtokratie gehört, und daher ſich nur ſelten Gele- genheit darbietet, ſolchen frei zu aquiriren; auf der andern Seite aber auch Induſtrie, durch ein weiſes Gouvernement, im richtigen Verhältniß neben dem Ackerbau befördert, den Handels- und Mittelſtand ebenfalls reich gemacht hat, — kommen dergleichen Contrakte alltäglich vor, und verhindern faſt alle Nachtheile des zu großen Landbeſitzes, ohne ſeinen großen Nutzen für den Staat zu ſchmälern. Wir ſtiegen nun immer ſteiler heran, und befan- den uns bald zwiſchen den kahlen Höhen, denn Pflanzungen werden hier faſt immer nur bis zur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/332
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/332>, abgerufen am 04.05.2024.