tikel würde freilich die Augen gen Himmel verdreht, und die Stube verlassen haben, entweder -- um ihrem amant ein Rendezvous im Thiergarten zu geben, oder einer guten Freundin die Ehre abzu- schneiden, denn solche Dinge sind unschuldig!
Den 17ten.
Heute langte Herr L ... hier an. Wie sonder- bar sind doch die Güter dieser Welt vertheilt! das schönste lieblichste Weib mußte die Beute des wider- wärtigsten Menschen werden, der den Reichthum ihrer Natur weder zu erwiedern fähig ist, noch zu schätzen versteht! ein häßlicher, alter, in Galle ge- tauchter Pedant, in Allem grade der Antipode seiner Frau. Seine Conversation verdarb zum erstenmal die Heiterkeit, ja ich möchte sagen, die Unschuld unsres bisherigen Lebens. Er ist ein heftiger Oran- geman (beiläufig gesagt, ist auch Orange seine na- türliche Farbe,) und es war zu vermuthen, daß ein Charakter seiner Art, sich auch auf der Seite des Un- rechts und der Patheiwuth befinden würde, aber mit welchen Grundsätzen! Da dies zugleich eine Probe davon giebt, wie hoch hier der Partheigeist gestiegen, und wie er sich öffentlich zu äußern nicht schämt, will ich Dir die Quintessenz seiner Reden mittheilen.
"Ich habe," sagte er, "meinem König dreißig "Jahr lang in fast allen Welttheilen gedient, und
17*
tikel würde freilich die Augen gen Himmel verdreht, und die Stube verlaſſen haben, entweder — um ihrem amant ein Rendezvous im Thiergarten zu geben, oder einer guten Freundin die Ehre abzu- ſchneiden, denn ſolche Dinge ſind unſchuldig!
Den 17ten.
Heute langte Herr L … hier an. Wie ſonder- bar ſind doch die Güter dieſer Welt vertheilt! das ſchönſte lieblichſte Weib mußte die Beute des wider- wärtigſten Menſchen werden, der den Reichthum ihrer Natur weder zu erwiedern fähig iſt, noch zu ſchätzen verſteht! ein häßlicher, alter, in Galle ge- tauchter Pedant, in Allem grade der Antipode ſeiner Frau. Seine Converſation verdarb zum erſtenmal die Heiterkeit, ja ich möchte ſagen, die Unſchuld unſres bisherigen Lebens. Er iſt ein heftiger Oran- geman (beiläufig geſagt, iſt auch Orange ſeine na- türliche Farbe,) und es war zu vermuthen, daß ein Charakter ſeiner Art, ſich auch auf der Seite des Un- rechts und der Patheiwuth befinden würde, aber mit welchen Grundſätzen! Da dies zugleich eine Probe davon giebt, wie hoch hier der Partheigeiſt geſtiegen, und wie er ſich öffentlich zu äußern nicht ſchämt, will ich Dir die Quinteſſenz ſeiner Reden mittheilen.
„Ich habe,“ ſagte er, „meinem König dreißig „Jahr lang in faſt allen Welttheilen gedient, und
17*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0283"n="259"/>
tikel würde freilich die Augen gen Himmel verdreht,<lb/>
und die Stube verlaſſen haben, entweder — um<lb/>
ihrem <hirendition="#aq">amant</hi> ein <hirendition="#aq">Rendezvous</hi> im <hirendition="#g">Thierg</hi>arten zu<lb/>
geben, oder einer guten Freundin die Ehre abzu-<lb/>ſchneiden, denn <hirendition="#g">ſolche</hi> Dinge ſind unſchuldig!</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 17<hirendition="#sup">ten.</hi></hi></dateline></opener><lb/><p>Heute langte <hirendition="#g">Herr</hi> L … hier an. Wie ſonder-<lb/>
bar ſind doch die Güter dieſer Welt vertheilt! das<lb/>ſchönſte lieblichſte Weib mußte die Beute des wider-<lb/>
wärtigſten Menſchen werden, der den Reichthum<lb/>
ihrer Natur weder zu erwiedern <choice><sic>fȧhig</sic><corr>fähig</corr></choice> iſt, noch zu<lb/>ſchätzen verſteht! ein häßlicher, alter, in Galle ge-<lb/>
tauchter Pedant, in Allem grade der Antipode ſeiner<lb/>
Frau. Seine Converſation verdarb zum erſtenmal<lb/>
die Heiterkeit, ja ich möchte ſagen, die Unſchuld<lb/>
unſres bisherigen Lebens. Er iſt ein heftiger Oran-<lb/>
geman (beiläufig geſagt, iſt auch Orange ſeine na-<lb/>
türliche Farbe,) und es war zu vermuthen, daß ein<lb/>
Charakter ſeiner Art, ſich auch auf der Seite des Un-<lb/>
rechts und der Patheiwuth befinden würde, aber mit<lb/>
welchen Grundſätzen! Da dies zugleich eine Probe<lb/>
davon giebt, wie hoch hier der Partheigeiſt geſtiegen,<lb/>
und wie er ſich öffentlich zu äußern nicht ſchämt,<lb/>
will ich Dir die Quinteſſenz ſeiner Reden mittheilen.</p><lb/><p>„Ich habe,“ſagte er, „meinem König dreißig<lb/>„Jahr lang in faſt allen Welttheilen gedient, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[259/0283]
tikel würde freilich die Augen gen Himmel verdreht,
und die Stube verlaſſen haben, entweder — um
ihrem amant ein Rendezvous im Thiergarten zu
geben, oder einer guten Freundin die Ehre abzu-
ſchneiden, denn ſolche Dinge ſind unſchuldig!
Den 17ten.
Heute langte Herr L … hier an. Wie ſonder-
bar ſind doch die Güter dieſer Welt vertheilt! das
ſchönſte lieblichſte Weib mußte die Beute des wider-
wärtigſten Menſchen werden, der den Reichthum
ihrer Natur weder zu erwiedern fähig iſt, noch zu
ſchätzen verſteht! ein häßlicher, alter, in Galle ge-
tauchter Pedant, in Allem grade der Antipode ſeiner
Frau. Seine Converſation verdarb zum erſtenmal
die Heiterkeit, ja ich möchte ſagen, die Unſchuld
unſres bisherigen Lebens. Er iſt ein heftiger Oran-
geman (beiläufig geſagt, iſt auch Orange ſeine na-
türliche Farbe,) und es war zu vermuthen, daß ein
Charakter ſeiner Art, ſich auch auf der Seite des Un-
rechts und der Patheiwuth befinden würde, aber mit
welchen Grundſätzen! Da dies zugleich eine Probe
davon giebt, wie hoch hier der Partheigeiſt geſtiegen,
und wie er ſich öffentlich zu äußern nicht ſchämt,
will ich Dir die Quinteſſenz ſeiner Reden mittheilen.
„Ich habe,“ ſagte er, „meinem König dreißig
„Jahr lang in faſt allen Welttheilen gedient, und
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/283>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.