uns nicht, und eben so wenig verstehen wir dieser Welt zu gefallen. Drum wählen wir lieber -- Zu- rückgezogenheit, und in dieser Freiheit!
Wir erlebten heute ein sonderbares Eintreffen von Prophezeihungen. Miß Kitty, die artigste der Töch- ter meines Wirths, hatte gestern auf unserm Spa- ziergang sich von Zigeunern wahrsagen lassen, und ich selbst hörte mit an, wie die Frau ihr, unter vie- len andern gewöhnlichen Dingen, ankündigte: "daß "sie auf ihrer Hut seyn möchte, denn ehe vier und "zwanzig Stunden vergingen, würde in ihre Fenster "geschossen werden, und dann ihres Bleibens nicht "lange mehr in B . . . . m seyn." Wir fanden die Prophezeihung etwas bedenklich, und theilten sie da- her mit, als wir zu Haus kamen, wurden aber dar- über nur geneckt und ausgelacht. Den andern Mor- gen, ziemlich früh, entstand indeß wirklich Allarm über zwei Schüsse die man hörte, und Miß Kitty stürzte sich, halb angezogen und fast ohnmächtig vor Schreck, die Treppen herunter, worauf Alles hinzu lief, um zu untersuchen, was es denn eigentlich gäbe. Es fand sich nun, daß zwei der jüngeren Brüder Kitty's, welche sich zum Besuch bei Mistriß M . . . . befanden, ganz unerwartet heut früh zurückgekommen waren, um ihre Schwester ebenfalls dorthin abzuho- len, wobei sie, obgleich ganz unbekannt mit der Vor- hersagung der Zigeunerin, den albernen Spaß gemacht hatten, zwei Schlüsselbüchsen vor dem Fenster abzu- feuern, dies aber noch dazu so ungeschickt ausgeführt, daß einige Glasscheiben beschädigt wurden. Sie er-
uns nicht, und eben ſo wenig verſtehen wir dieſer Welt zu gefallen. Drum wählen wir lieber — Zu- rückgezogenheit, und in dieſer Freiheit!
Wir erlebten heute ein ſonderbares Eintreffen von Prophezeihungen. Miß Kitty, die artigſte der Töch- ter meines Wirths, hatte geſtern auf unſerm Spa- ziergang ſich von Zigeunern wahrſagen laſſen, und ich ſelbſt hörte mit an, wie die Frau ihr, unter vie- len andern gewöhnlichen Dingen, ankündigte: „daß „ſie auf ihrer Hut ſeyn möchte, denn ehe vier und „zwanzig Stunden vergingen, würde in ihre Fenſter „geſchoſſen werden, und dann ihres Bleibens nicht „lange mehr in B . . . . m ſeyn.“ Wir fanden die Prophezeihung etwas bedenklich, und theilten ſie da- her mit, als wir zu Haus kamen, wurden aber dar- über nur geneckt und ausgelacht. Den andern Mor- gen, ziemlich früh, entſtand indeß wirklich Allarm über zwei Schüſſe die man hörte, und Miß Kitty ſtürzte ſich, halb angezogen und faſt ohnmächtig vor Schreck, die Treppen herunter, worauf Alles hinzu lief, um zu unterſuchen, was es denn eigentlich gäbe. Es fand ſich nun, daß zwei der jüngeren Brüder Kitty’s, welche ſich zum Beſuch bei Miſtriß M . . . . befanden, ganz unerwartet heut früh zurückgekommen waren, um ihre Schweſter ebenfalls dorthin abzuho- len, wobei ſie, obgleich ganz unbekannt mit der Vor- herſagung der Zigeunerin, den albernen Spaß gemacht hatten, zwei Schlüſſelbüchſen vor dem Fenſter abzu- feuern, dies aber noch dazu ſo ungeſchickt ausgeführt, daß einige Glasſcheiben beſchädigt wurden. Sie er-
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uns nicht, und eben ſo wenig verſtehen wir dieſer
Welt zu gefallen. Drum wählen wir lieber — Zu-
rückgezogenheit, und in dieſer Freiheit!
Wir erlebten heute ein ſonderbares Eintreffen von
Prophezeihungen. Miß Kitty, die artigſte der Töch-
ter meines Wirths, hatte geſtern auf unſerm Spa-
ziergang ſich von Zigeunern wahrſagen laſſen, und
ich ſelbſt hörte mit an, wie die Frau ihr, unter vie-
len andern gewöhnlichen Dingen, ankündigte: „daß
„ſie auf ihrer Hut ſeyn möchte, denn ehe vier und
„zwanzig Stunden vergingen, würde in ihre Fenſter
„geſchoſſen werden, und dann ihres Bleibens nicht
„lange mehr in B . . . . m ſeyn.“ Wir fanden die
Prophezeihung etwas bedenklich, und theilten ſie da-
her mit, als wir zu Haus kamen, wurden aber dar-
über nur geneckt und ausgelacht. Den andern Mor-
gen, ziemlich früh, entſtand indeß wirklich Allarm
über zwei Schüſſe die man hörte, und Miß Kitty
ſtürzte ſich, halb angezogen und faſt ohnmächtig vor
Schreck, die Treppen herunter, worauf Alles hinzu
lief, um zu unterſuchen, was es denn eigentlich gäbe.
Es fand ſich nun, daß zwei der jüngeren Brüder
Kitty’s, welche ſich zum Beſuch bei Miſtriß M . . . .
befanden, ganz unerwartet heut früh zurückgekommen
waren, um ihre Schweſter ebenfalls dorthin abzuho-
len, wobei ſie, obgleich ganz unbekannt mit der Vor-
herſagung der Zigeunerin, den albernen Spaß gemacht
hatten, zwei Schlüſſelbüchſen vor dem Fenſter abzu-
feuern, dies aber noch dazu ſo ungeſchickt ausgeführt,
daß einige Glasſcheiben beſchädigt wurden. Sie er-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/276>, abgerufen am 21.11.2024.
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