B . . . . m im Westen Irlands, den 5 ten September 1828.
Gute Julie.
Du machst mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für mein fleißiges Schreiben. -- Erkennst Du nicht, daß es keinen größeren Genuß für mich geben kann? Nach den ersten Worten schon fühle ich mich wie zu Hause, und Trost und Kraft erfüllt mich von Neuem. So wie ich immer gesund zu werden pflegte, wenn ich einen Arzt konsultirt hatte, ehe ich noch seine Medizin nahm, so brauche ich auch nur mit der Feder in der Hand am Schreibtische die Worte "Liebe Julie" zu zeichnen, um meine Seele gesunder zu fühlen. Du bist übrigens in jeder Hinsicht der bessere Arzt, denn statt Medizin, ernährst Du mich mit Honig. Gare aux flatteurs! Vous me gatez. --
Erinnerst Du Dich noch des jungen Geistlichen aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran- nen aller Wesen machte, selbst aber ein herzensgu- ter Mensch ist, qui n'y entend pas malice? Nun dieser hat mich so herzlich gebeten, ihn zu seinem
Ein und dreißigſter Brief.
B . . . . m im Weſten Irlands, den 5 ten September 1828.
Gute Julie.
Du machſt mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für mein fleißiges Schreiben. — Erkennſt Du nicht, daß es keinen größeren Genuß für mich geben kann? Nach den erſten Worten ſchon fühle ich mich wie zu Hauſe, und Troſt und Kraft erfüllt mich von Neuem. So wie ich immer geſund zu werden pflegte, wenn ich einen Arzt konſultirt hatte, ehe ich noch ſeine Medizin nahm, ſo brauche ich auch nur mit der Feder in der Hand am Schreibtiſche die Worte „Liebe Julie“ zu zeichnen, um meine Seele geſunder zu fühlen. Du biſt übrigens in jeder Hinſicht der beſſere Arzt, denn ſtatt Medizin, ernährſt Du mich mit Honig. Gare aux flatteurs! Vous me gâtez. —
Erinnerſt Du Dich noch des jungen Geiſtlichen aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran- nen aller Weſen machte, ſelbſt aber ein herzensgu- ter Menſch iſt, qui n’y entend pas malice? Nun dieſer hat mich ſo herzlich gebeten, ihn zu ſeinem
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[[216]/0240]
Ein und dreißigſter Brief.
B . . . . m im Weſten Irlands,
den 5 ten September 1828.
Gute Julie.
Du machſt mich lachen mit Deiner Dankbarkeit für
mein fleißiges Schreiben. — Erkennſt Du nicht, daß
es keinen größeren Genuß für mich geben kann?
Nach den erſten Worten ſchon fühle ich mich wie zu
Hauſe, und Troſt und Kraft erfüllt mich von
Neuem. So wie ich immer geſund zu werden pflegte,
wenn ich einen Arzt konſultirt hatte, ehe ich noch
ſeine Medizin nahm, ſo brauche ich auch nur mit
der Feder in der Hand am Schreibtiſche die Worte
„Liebe Julie“ zu zeichnen, um meine Seele geſunder
zu fühlen. Du biſt übrigens in jeder Hinſicht der
beſſere Arzt, denn ſtatt Medizin, ernährſt Du mich
mit Honig. Gare aux flatteurs! Vous me gâtez. —
Erinnerſt Du Dich noch des jungen Geiſtlichen
aus Bray, der den lieben Gott zum größten Tyran-
nen aller Weſen machte, ſelbſt aber ein herzensgu-
ter Menſch iſt, qui n’y entend pas malice? Nun
dieſer hat mich ſo herzlich gebeten, ihn zu ſeinem
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. [216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/240>, abgerufen am 26.11.2024.
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