Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.Parthei, durch dick und dünn, verständig und unver- Begleitet von dem jungen Theologen, der eine Zeit *) Gemeine Engländer führen das breite Messer gleich
einer Gabel zum Munde. Die Gebildeteren dagegen halten solches für eine wahre Sünde gegen den heili- gen Geist, und kreuzigen sich innerlich, wenn sie z. B. einen deutschen Gesandten so essen sehen. Es ist hin- länglich ihnen die ganze Nation zu verleiden. Parthei, durch dick und dünn, verſtändig und unver- Begleitet von dem jungen Theologen, der eine Zeit *) Gemeine Engländer führen das breite Meſſer gleich
einer Gabel zum Munde. Die Gebildeteren dagegen halten ſolches für eine wahre Sünde gegen den heili- gen Geiſt, und kreuzigen ſich innerlich, wenn ſie z. B. einen deutſchen Geſandten ſo eſſen ſehen. Es iſt hin- länglich ihnen die ganze Nation zu verleiden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0202" n="178"/> Parthei, durch dick und dünn, verſtändig und unver-<lb/><choice><sic>ſtȧndig</sic><corr>ſtändig</corr></choice>, immer gleich unverrückt folgen, weil es <hi rendition="#g">ihre</hi><lb/> Parthei iſt, oder einer Gewohnheit immerfort ſcla-<lb/> viſch ſich unterwerfen, weil es ſo bei <hi rendition="#g">ihnen</hi> üblich<lb/> iſt — betrachten ſie auch die Religion, ohne alle Poe-<lb/> ſie, ganz aus demſelben Geſichtspunkt, gehen Sonn-<lb/> tags eben ſo ohnfehlbar in die Kirche, als ſie täglich<lb/> eine friſche Toilette machen, um ſich zu Tiſch zu ſe-<lb/> tzen, und ſchätzen den, welcher die Kirche vernachläſ-<lb/> ſigt, faſt eben ſo gering, als Jemand, der Fiſch mit<lb/> dem Meſſer ißt.<note place="foot" n="*)">Gemeine Engländer führen das breite Meſſer gleich<lb/> einer Gabel zum Munde. Die Gebildeteren dagegen<lb/> halten ſolches für eine wahre Sünde gegen den heili-<lb/> gen Geiſt, und kreuzigen ſich innerlich, wenn ſie z. B.<lb/> einen deutſchen Geſandten ſo eſſen ſehen. Es iſt hin-<lb/> länglich ihnen die ganze Nation zu verleiden.</note></p><lb/> <p>Begleitet von dem jungen Theologen, der eine Zeit<lb/> lang denſelben Weg mit mir verfolgte, verließ ich<lb/> am andern Morgen Bray ſchon früh um 5 Uhr. In<lb/> einer ausgezeichnet ſchönen Gegend paſſirten wir Kil-<lb/> ruddery, ein neugebautes Schloß des Grafen Meath,<lb/> im Geſchmack der Häuſer aus den Zeiten der Köni-<lb/> gin Eliſabeth, welches aber, um einen guten Effect<lb/> zu machen, größere Maſſen verlangt hätte. Der Park<lb/> iſt nicht ſehr ausgedehnt, lang und ſchmal, die alt-<lb/> franzöſiſchen Gärten werden gerühmt, wir wurden<lb/> aber, wahrſcheinlich unſres beſcheidenen Aufzugs we-<lb/> gen, ſehr unhöflich abgewieſen als wir ſie zu ſehen<lb/> wünſchten. In England iſt dies etwas Gewöhnli-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0202]
Parthei, durch dick und dünn, verſtändig und unver-
ſtändig, immer gleich unverrückt folgen, weil es ihre
Parthei iſt, oder einer Gewohnheit immerfort ſcla-
viſch ſich unterwerfen, weil es ſo bei ihnen üblich
iſt — betrachten ſie auch die Religion, ohne alle Poe-
ſie, ganz aus demſelben Geſichtspunkt, gehen Sonn-
tags eben ſo ohnfehlbar in die Kirche, als ſie täglich
eine friſche Toilette machen, um ſich zu Tiſch zu ſe-
tzen, und ſchätzen den, welcher die Kirche vernachläſ-
ſigt, faſt eben ſo gering, als Jemand, der Fiſch mit
dem Meſſer ißt. *)
Begleitet von dem jungen Theologen, der eine Zeit
lang denſelben Weg mit mir verfolgte, verließ ich
am andern Morgen Bray ſchon früh um 5 Uhr. In
einer ausgezeichnet ſchönen Gegend paſſirten wir Kil-
ruddery, ein neugebautes Schloß des Grafen Meath,
im Geſchmack der Häuſer aus den Zeiten der Köni-
gin Eliſabeth, welches aber, um einen guten Effect
zu machen, größere Maſſen verlangt hätte. Der Park
iſt nicht ſehr ausgedehnt, lang und ſchmal, die alt-
franzöſiſchen Gärten werden gerühmt, wir wurden
aber, wahrſcheinlich unſres beſcheidenen Aufzugs we-
gen, ſehr unhöflich abgewieſen als wir ſie zu ſehen
wünſchten. In England iſt dies etwas Gewöhnli-
*) Gemeine Engländer führen das breite Meſſer gleich
einer Gabel zum Munde. Die Gebildeteren dagegen
halten ſolches für eine wahre Sünde gegen den heili-
gen Geiſt, und kreuzigen ſich innerlich, wenn ſie z. B.
einen deutſchen Geſandten ſo eſſen ſehen. Es iſt hin-
länglich ihnen die ganze Nation zu verleiden.
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