die ich kam, nach dem besten Weg, konnte aber nie genaue Antworten erlangen. Endlich versicherte man mich in einem Hause, das am Fuße des Bergs lag, man könne nur hinauf gehen, aber nicht rei- ten. Dies Erstere wäre bei dem Zustand meiner Brust nicht auszuführen gewesen, da ich aber die Unmöglichkeiten der Leute schon hinlänglich kennen gelernt habe, so folgte ich der angezeigten Richtung ganz getrost zu Pferde, um so mehr, da ich mich auf meine kleine gedrungene Stute sehr gut verlassen konnte, und die irländischen Pferde, wie Katzen, über Mauern und Felsen klettern. Eine Zeit lang verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußsteig, und als dieser aufhörte, das trockne Bette eines Berg- wassers, welches mich auch, nach ohngefähr 3/4 Stun- den, ohne besondre Beschwerde glücklich hinauf ge- leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah- len Plateau, und sah 1000 Schritt vor mir die drei Felsen, gleich Hexensteinen, ihre Kuppen hervorrecken. Das Ganze schien aber nichts als ein weiter un- gangbarer Sumpf. Ich probirte sehr vorsichtig, und fand bald, daß 8 -- 10 Zoll tief unter dem Moder überall eine kiesige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus; nach einiger Zeit erreichte ich ganz festen Boden, und stand auf dem höchsten Punkte. Da lag die ersehnte Aussicht endlich vor mir. -- Irland, wie eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk- ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen- dampf ließ auch nicht ein Gebäude erkennen) die Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn sich
die ich kam, nach dem beſten Weg, konnte aber nie genaue Antworten erlangen. Endlich verſicherte man mich in einem Hauſe, das am Fuße des Bergs lag, man könne nur hinauf gehen, aber nicht rei- ten. Dies Erſtere wäre bei dem Zuſtand meiner Bruſt nicht auszuführen geweſen, da ich aber die Unmöglichkeiten der Leute ſchon hinlänglich kennen gelernt habe, ſo folgte ich der angezeigten Richtung ganz getroſt zu Pferde, um ſo mehr, da ich mich auf meine kleine gedrungene Stute ſehr gut verlaſſen konnte, und die irländiſchen Pferde, wie Katzen, über Mauern und Felſen klettern. Eine Zeit lang verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußſteig, und als dieſer aufhörte, das trockne Bette eines Berg- waſſers, welches mich auch, nach ohngefähr ¾ Stun- den, ohne beſondre Beſchwerde glücklich hinauf ge- leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah- len Plateau, und ſah 1000 Schritt vor mir die drei Felſen, gleich Hexenſteinen, ihre Kuppen hervorrecken. Das Ganze ſchien aber nichts als ein weiter un- gangbarer Sumpf. Ich probirte ſehr vorſichtig, und fand bald, daß 8 — 10 Zoll tief unter dem Moder überall eine kieſige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus; nach einiger Zeit erreichte ich ganz feſten Boden, und ſtand auf dem höchſten Punkte. Da lag die erſehnte Ausſicht endlich vor mir. — Irland, wie eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk- ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen- dampf ließ auch nicht ein Gebäude erkennen) die Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0191"n="167"/>
die ich kam, nach dem beſten Weg, konnte aber nie<lb/>
genaue Antworten erlangen. Endlich verſicherte<lb/>
man mich in einem Hauſe, das am Fuße des Bergs<lb/>
lag, man könne nur hinauf <hirendition="#g">gehen</hi>, aber nicht rei-<lb/>
ten. Dies Erſtere wäre bei dem Zuſtand meiner<lb/>
Bruſt nicht auszuführen geweſen, da ich aber die<lb/>
Unmöglichkeiten der Leute ſchon hinlänglich kennen<lb/>
gelernt habe, ſo folgte ich der angezeigten Richtung<lb/>
ganz getroſt zu Pferde, um ſo mehr, da ich mich auf<lb/>
meine kleine gedrungene Stute ſehr gut verlaſſen<lb/>
konnte, und die irländiſchen Pferde, wie Katzen,<lb/>
über Mauern und Felſen klettern. Eine Zeit lang<lb/>
verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußſteig, und<lb/>
als dieſer aufhörte, das trockne Bette eines Berg-<lb/>
waſſers, welches mich auch, nach ohngefähr ¾ Stun-<lb/>
den, ohne beſondre Beſchwerde glücklich hinauf ge-<lb/>
leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah-<lb/>
len Plateau, und ſah 1000 Schritt vor mir die drei<lb/>
Felſen, gleich Hexenſteinen, ihre Kuppen hervorrecken.<lb/>
Das Ganze ſchien aber nichts als ein weiter un-<lb/>
gangbarer Sumpf. Ich probirte ſehr vorſichtig, und fand<lb/>
bald, daß 8 — 10 Zoll tief unter dem Moder überall<lb/>
eine kieſige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus;<lb/>
nach einiger Zeit erreichte ich ganz feſten Boden,<lb/>
und ſtand auf dem höchſten Punkte. Da lag die<lb/>
erſehnte Ausſicht endlich vor mir. — Irland, wie<lb/>
eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk-<lb/>
ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen-<lb/>
dampf ließ auch nicht <hirendition="#g">ein</hi> Gebäude erkennen) die<lb/>
Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn ſich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0191]
die ich kam, nach dem beſten Weg, konnte aber nie
genaue Antworten erlangen. Endlich verſicherte
man mich in einem Hauſe, das am Fuße des Bergs
lag, man könne nur hinauf gehen, aber nicht rei-
ten. Dies Erſtere wäre bei dem Zuſtand meiner
Bruſt nicht auszuführen geweſen, da ich aber die
Unmöglichkeiten der Leute ſchon hinlänglich kennen
gelernt habe, ſo folgte ich der angezeigten Richtung
ganz getroſt zu Pferde, um ſo mehr, da ich mich auf
meine kleine gedrungene Stute ſehr gut verlaſſen
konnte, und die irländiſchen Pferde, wie Katzen,
über Mauern und Felſen klettern. Eine Zeit lang
verfolgte ich einen ziemlich gebahnten Fußſteig, und
als dieſer aufhörte, das trockne Bette eines Berg-
waſſers, welches mich auch, nach ohngefähr ¾ Stun-
den, ohne beſondre Beſchwerde glücklich hinauf ge-
leitete. Ich befand mich nun auf einem großen kah-
len Plateau, und ſah 1000 Schritt vor mir die drei
Felſen, gleich Hexenſteinen, ihre Kuppen hervorrecken.
Das Ganze ſchien aber nichts als ein weiter un-
gangbarer Sumpf. Ich probirte ſehr vorſichtig, und fand
bald, daß 8 — 10 Zoll tief unter dem Moder überall
eine kieſige Unterlage ruhte. Dies hielt auch aus;
nach einiger Zeit erreichte ich ganz feſten Boden,
und ſtand auf dem höchſten Punkte. Da lag die
erſehnte Ausſicht endlich vor mir. — Irland, wie
eine Landkarte, Dublin, wie ein rauchender Kalk-
ofen in der grünenden Ebne (denn der Steinkohlen-
dampf ließ auch nicht ein Gebäude erkennen) die
Bay aber mit ihren Leuchtthürmen, dem kühn ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/191>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.