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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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draußen warten, bis man wieder herauskömmt. Das
einzige Mittel ist, eine Stelle aufzusuchen, wo ein
starker Zugwind weht, den sie nicht vertragen kön-
nen. Dies wissen auch die an den Bergufern wei-
denden Kühe recht wohl, die man immer an solchen
Stellen einsam ruhen und wiederkäuen sieht. Ich
betrachtete heute lange ein solches Thier, wie es auf
einer ganz isolirten Felsenspitze, die Contoure schroff
sich gegen die Luft abzeichnend, stand -- unbeweg-
lich, bis auf die leise Arbeit seiner Kinnladen, und
nur zuweilen mit dem Schwanz sich an die Seite
schlagend. Wie schön, dachte ich mir, könnte ein
Künstler ein solches Bild kolossal und zum Apis er-
hoben, und auch mit dem Mechanismus dieser ein-
fachen Bewegungen versehen, nachahmen und welche
Acquisition wäre dies für einen deutsch-englischen
Park in der Heimath! z. B. in Cassel, dem Herku-
les gegenüber, oder gar in Wörlitz auf dem feuer-
speyenden Berge weidend. Gewiß eine verdienstvolle
Idee, die du fruchtbar zu machen suchen mußt. Er-
innerst Du Dich noch Clemens Brentano, als ihm und
dem genialen, liebenswürdigen Schinkel der Graf L ..
die Aussicht von seinem Jagdschlosse zeigte, von wo man
eine anmuthige aber flache Waldgegend übersieht, und
nun zu den beiden Herren gewandt, der Graf diese etwas
einfältig fragte, auf welche Art wohl hier eine recht
große Verschönerung anzubringen sey? Brentano
verfiel in tiefes Sinnen, und nach einiger Zeit sagte
er langsam, den erwartungsvoll zuhörenden Gönner
mit seinen kuriosen Augen ernsthaft anstarrend:

draußen warten, bis man wieder herauskömmt. Das
einzige Mittel iſt, eine Stelle aufzuſuchen, wo ein
ſtarker Zugwind weht, den ſie nicht vertragen kön-
nen. Dies wiſſen auch die an den Bergufern wei-
denden Kühe recht wohl, die man immer an ſolchen
Stellen einſam ruhen und wiederkäuen ſieht. Ich
betrachtete heute lange ein ſolches Thier, wie es auf
einer ganz iſolirten Felſenſpitze, die Contoure ſchroff
ſich gegen die Luft abzeichnend, ſtand — unbeweg-
lich, bis auf die leiſe Arbeit ſeiner Kinnladen, und
nur zuweilen mit dem Schwanz ſich an die Seite
ſchlagend. Wie ſchön, dachte ich mir, könnte ein
Künſtler ein ſolches Bild koloſſal und zum Apis er-
hoben, und auch mit dem Mechanismus dieſer ein-
fachen Bewegungen verſehen, nachahmen und welche
Acquiſition wäre dies für einen deutſch-engliſchen
Park in der Heimath! z. B. in Caſſel, dem Herku-
les gegenüber, oder gar in Wörlitz auf dem feuer-
ſpeyenden Berge weidend. Gewiß eine verdienſtvolle
Idee, die du fruchtbar zu machen ſuchen mußt. Er-
innerſt Du Dich noch Clemens Brentano, als ihm und
dem genialen, liebenswürdigen Schinkel der Graf L ..
die Ausſicht von ſeinem Jagdſchloſſe zeigte, von wo man
eine anmuthige aber flache Waldgegend überſieht, und
nun zu den beiden Herren gewandt, der Graf dieſe etwas
einfältig fragte, auf welche Art wohl hier eine recht
große Verſchönerung anzubringen ſey? Brentano
verfiel in tiefes Sinnen, und nach einiger Zeit ſagte
er langſam, den erwartungsvoll zuhörenden Gönner
mit ſeinen kurioſen Augen ernſthaft anſtarrend:

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[96/0120] draußen warten, bis man wieder herauskömmt. Das einzige Mittel iſt, eine Stelle aufzuſuchen, wo ein ſtarker Zugwind weht, den ſie nicht vertragen kön- nen. Dies wiſſen auch die an den Bergufern wei- denden Kühe recht wohl, die man immer an ſolchen Stellen einſam ruhen und wiederkäuen ſieht. Ich betrachtete heute lange ein ſolches Thier, wie es auf einer ganz iſolirten Felſenſpitze, die Contoure ſchroff ſich gegen die Luft abzeichnend, ſtand — unbeweg- lich, bis auf die leiſe Arbeit ſeiner Kinnladen, und nur zuweilen mit dem Schwanz ſich an die Seite ſchlagend. Wie ſchön, dachte ich mir, könnte ein Künſtler ein ſolches Bild koloſſal und zum Apis er- hoben, und auch mit dem Mechanismus dieſer ein- fachen Bewegungen verſehen, nachahmen und welche Acquiſition wäre dies für einen deutſch-engliſchen Park in der Heimath! z. B. in Caſſel, dem Herku- les gegenüber, oder gar in Wörlitz auf dem feuer- ſpeyenden Berge weidend. Gewiß eine verdienſtvolle Idee, die du fruchtbar zu machen ſuchen mußt. Er- innerſt Du Dich noch Clemens Brentano, als ihm und dem genialen, liebenswürdigen Schinkel der Graf L .. die Ausſicht von ſeinem Jagdſchloſſe zeigte, von wo man eine anmuthige aber flache Waldgegend überſieht, und nun zu den beiden Herren gewandt, der Graf dieſe etwas einfältig fragte, auf welche Art wohl hier eine recht große Verſchönerung anzubringen ſey? Brentano verfiel in tiefes Sinnen, und nach einiger Zeit ſagte er langſam, den erwartungsvoll zuhörenden Gönner mit ſeinen kurioſen Augen ernſthaft anſtarrend:

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/120>, abgerufen am 28.04.2024.