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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Saat, die dieser große!!! Mann gesäet, gänzlich
zertreten, ehe die letzte Spur jener elenden Vernunft,
der er huldigte, gänzlich ausgerottet seyn wird. Doch
verzweifelt deshalb nicht, meine Brüder in Christo;
einem so edlen Eifer als dem unsrigen ist nichts un-
möglich, und weltlicher Lohn erwartet Euch in viel-
facher Gestalt schon jetzt, von den erhabnen Quellen,
an denen wir selbst täglich schöpfen -- einst aber noch
größere Glorie im Palast des Herrn. Nur hütet
Euch vor dem Vernünfteln in jeder Gestalt, glaubet
-- nicht nach eigner Forschung -- sondern wie es
Euch vorgeschrieben ist, und vor allem hütet Euch vor
Duldung! Liebet Euern Heiland, nicht nur über Al-
les, sondern auch einzig und allein. Wer aber nicht
für ihn ist, ist wider ihn, und mit einem Solchen
habt kein Erbarmen. Ihn verfolgt rastlos, kann es
nicht offen geschehen, so untergrabt ihn mit böser
Nachrede, heimlicher Verläumdung, ja scheut die gröb-
sten Lügen nicht, vorausgesetzt daß ihr sie sicher und
im Verborgenen ausbreiten könnt, denn hier heiligt
der Zweck alle Mittel. -- Ach! wären wir doch stets
in der wahren Communion-Stimmung, um nimmer
in unserm Eifer zu erkalten! Nur weil sie weder
warm noch kalt sind, haben jene Philosophen die To-
leranz -- diese Tugend der Heiden -- gepredigt. Wir
haben gesehen, wohin sie uns gebracht, als der wahn-
sinnige Freiheitsschwindel die Canaille ergriff, und all-
gemeine Anarchie die Throne, die Kirche, unsern alten
Adel, und alles Ehrwürdige über den Haufen zu wer-
fen drohte -- darum fort mit jedem Gedanken an[ - 1 Zeichen fehlt]ver-

Saat, die dieſer große!!! Mann geſäet, gänzlich
zertreten, ehe die letzte Spur jener elenden Vernunft,
der er huldigte, gänzlich ausgerottet ſeyn wird. Doch
verzweifelt deshalb nicht, meine Brüder in Chriſto;
einem ſo edlen Eifer als dem unſrigen iſt nichts un-
möglich, und weltlicher Lohn erwartet Euch in viel-
facher Geſtalt ſchon jetzt, von den erhabnen Quellen,
an denen wir ſelbſt täglich ſchöpfen — einſt aber noch
größere Glorie im Palaſt des Herrn. Nur hütet
Euch vor dem Vernünfteln in jeder Geſtalt, glaubet
— nicht nach eigner Forſchung — ſondern wie es
Euch vorgeſchrieben iſt, und vor allem hütet Euch vor
Duldung! Liebet Euern Heiland, nicht nur über Al-
les, ſondern auch einzig und allein. Wer aber nicht
für ihn iſt, iſt wider ihn, und mit einem Solchen
habt kein Erbarmen. Ihn verfolgt raſtlos, kann es
nicht offen geſchehen, ſo untergrabt ihn mit böſer
Nachrede, heimlicher Verläumdung, ja ſcheut die gröb-
ſten Lügen nicht, vorausgeſetzt daß ihr ſie ſicher und
im Verborgenen ausbreiten könnt, denn hier heiligt
der Zweck alle Mittel. — Ach! wären wir doch ſtets
in der wahren Communion-Stimmung, um nimmer
in unſerm Eifer zu erkalten! Nur weil ſie weder
warm noch kalt ſind, haben jene Philoſophen die To-
leranz — dieſe Tugend der Heiden — gepredigt. Wir
haben geſehen, wohin ſie uns gebracht, als der wahn-
ſinnige Freiheitsſchwindel die Canaille ergriff, und all-
gemeine Anarchie die Throne, die Kirche, unſern alten
Adel, und alles Ehrwürdige über den Haufen zu wer-
fen drohte — darum fort mit jedem Gedanken an[ – 1 Zeichen fehlt]ver-

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[84/0108] Saat, die dieſer große!!! Mann geſäet, gänzlich zertreten, ehe die letzte Spur jener elenden Vernunft, der er huldigte, gänzlich ausgerottet ſeyn wird. Doch verzweifelt deshalb nicht, meine Brüder in Chriſto; einem ſo edlen Eifer als dem unſrigen iſt nichts un- möglich, und weltlicher Lohn erwartet Euch in viel- facher Geſtalt ſchon jetzt, von den erhabnen Quellen, an denen wir ſelbſt täglich ſchöpfen — einſt aber noch größere Glorie im Palaſt des Herrn. Nur hütet Euch vor dem Vernünfteln in jeder Geſtalt, glaubet — nicht nach eigner Forſchung — ſondern wie es Euch vorgeſchrieben iſt, und vor allem hütet Euch vor Duldung! Liebet Euern Heiland, nicht nur über Al- les, ſondern auch einzig und allein. Wer aber nicht für ihn iſt, iſt wider ihn, und mit einem Solchen habt kein Erbarmen. Ihn verfolgt raſtlos, kann es nicht offen geſchehen, ſo untergrabt ihn mit böſer Nachrede, heimlicher Verläumdung, ja ſcheut die gröb- ſten Lügen nicht, vorausgeſetzt daß ihr ſie ſicher und im Verborgenen ausbreiten könnt, denn hier heiligt der Zweck alle Mittel. — Ach! wären wir doch ſtets in der wahren Communion-Stimmung, um nimmer in unſerm Eifer zu erkalten! Nur weil ſie weder warm noch kalt ſind, haben jene Philoſophen die To- leranz — dieſe Tugend der Heiden — gepredigt. Wir haben geſehen, wohin ſie uns gebracht, als der wahn- ſinnige Freiheitsſchwindel die Canaille ergriff, und all- gemeine Anarchie die Throne, die Kirche, unſern alten Adel, und alles Ehrwürdige über den Haufen zu wer- fen drohte — darum fort mit jedem Gedanken an_ver-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/108>, abgerufen am 28.04.2024.