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Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.

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welche doch im schreienden Widerspruch zum Grundprinzip der freien Verfassung stand, im Norden durch die grenzenlose Corruption, welche das ganze politische Leben vergiftete, indem sie sich nicht scheute, ihren berüchtigten Wahlspruch: "dem Sieger gehört die Beute" schamlos zu befolgen. Dergleichen Richtungen trugen in sich einen natürlichen Gegensatz gegen jene wahre Freiheit, welche die weisen Gründer des Staates zum Fundament ihrer Schöpfung gemacht hatten, und strebten deshalb verhüllt oder offen danach, diese Freiheit durch die Tyrannei zu verdrängen, indem sie an die Stelle der repräsentativen die sogenannte reine Demokratie zu setzen suchten. Diese reine Demokratie ist aber nichts anderes, als der roheste und abscheulichste Absolutismus, die geist- und sinnlose Despotie bethörter Massen und ihrer verworfenen Treiber. Bezeichnend ist, daß in einem südlichen Sklavenstaate die wildesten demokratischen Schreier die Einführung des Paßzwanges und eines strammen Polizeiregimentes verlangten, um die Abolitionisten, die Gegner der Sklaverei, niederhalten zu können.

Lieber war zu scharfsinnig, um die Konsequenzen dieser Richtung nicht zu erkennen; zu liberal durch und durch, um sie nicht aus voller Seele zu, verabscheuen. "Je älter ich werde," schreibt er an Tocqueville, den berühmten Verfasser der democratie en Amerique, "desto heißer liebe ich die Freiheit, wahre und wirkliche Freiheit, und desto mehr hasse ich den Absolutismus, sei er monarchisch oder demokratisch." Er lernte die Auswüchse der Demokratie aus nächster Nähe kennen, denn er lebte in einem Sklavenstaate und erfreute sich der persönlichen Bekanntschaft des Senators Marcy, des Vaters jener Losung: "Dem Sieger gehört die Beute." Und diesen verderblichen Richtungen suchte er entgegenzutreten in seinen Schriften und Lehren mit seiner Hauptrechtsmaxime: Kein Recht ohne Pflicht,

welche doch im schreienden Widerspruch zum Grundprinzip der freien Verfassung stand, im Norden durch die grenzenlose Corruption, welche das ganze politische Leben vergiftete, indem sie sich nicht scheute, ihren berüchtigten Wahlspruch: „dem Sieger gehört die Beute“ schamlos zu befolgen. Dergleichen Richtungen trugen in sich einen natürlichen Gegensatz gegen jene wahre Freiheit, welche die weisen Gründer des Staates zum Fundament ihrer Schöpfung gemacht hatten, und strebten deshalb verhüllt oder offen danach, diese Freiheit durch die Tyrannei zu verdrängen, indem sie an die Stelle der repräsentativen die sogenannte reine Demokratie zu setzen suchten. Diese reine Demokratie ist aber nichts anderes, als der roheste und abscheulichste Absolutismus, die geist- und sinnlose Despotie bethörter Massen und ihrer verworfenen Treiber. Bezeichnend ist, daß in einem südlichen Sklavenstaate die wildesten demokratischen Schreier die Einführung des Paßzwanges und eines strammen Polizeiregimentes verlangten, um die Abolitionisten, die Gegner der Sklaverei, niederhalten zu können.

Lieber war zu scharfsinnig, um die Konsequenzen dieser Richtung nicht zu erkennen; zu liberal durch und durch, um sie nicht aus voller Seele zu, verabscheuen. „Je älter ich werde,“ schreibt er an Tocqueville, den berühmten Verfasser der démocratie en Amérique, „desto heißer liebe ich die Freiheit, wahre und wirkliche Freiheit, und desto mehr hasse ich den Absolutismus, sei er monarchisch oder demokratisch.“ Er lernte die Auswüchse der Demokratie aus nächster Nähe kennen, denn er lebte in einem Sklavenstaate und erfreute sich der persönlichen Bekanntschaft des Senators Marcy, des Vaters jener Losung: „Dem Sieger gehört die Beute.“ Und diesen verderblichen Richtungen suchte er entgegenzutreten in seinen Schriften und Lehren mit seiner Hauptrechtsmaxime: Kein Recht ohne Pflicht,

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[30/0030] welche doch im schreienden Widerspruch zum Grundprinzip der freien Verfassung stand, im Norden durch die grenzenlose Corruption, welche das ganze politische Leben vergiftete, indem sie sich nicht scheute, ihren berüchtigten Wahlspruch: „dem Sieger gehört die Beute“ schamlos zu befolgen. Dergleichen Richtungen trugen in sich einen natürlichen Gegensatz gegen jene wahre Freiheit, welche die weisen Gründer des Staates zum Fundament ihrer Schöpfung gemacht hatten, und strebten deshalb verhüllt oder offen danach, diese Freiheit durch die Tyrannei zu verdrängen, indem sie an die Stelle der repräsentativen die sogenannte reine Demokratie zu setzen suchten. Diese reine Demokratie ist aber nichts anderes, als der roheste und abscheulichste Absolutismus, die geist- und sinnlose Despotie bethörter Massen und ihrer verworfenen Treiber. Bezeichnend ist, daß in einem südlichen Sklavenstaate die wildesten demokratischen Schreier die Einführung des Paßzwanges und eines strammen Polizeiregimentes verlangten, um die Abolitionisten, die Gegner der Sklaverei, niederhalten zu können. Lieber war zu scharfsinnig, um die Konsequenzen dieser Richtung nicht zu erkennen; zu liberal durch und durch, um sie nicht aus voller Seele zu, verabscheuen. „Je älter ich werde,“ schreibt er an Tocqueville, den berühmten Verfasser der démocratie en Amérique, „desto heißer liebe ich die Freiheit, wahre und wirkliche Freiheit, und desto mehr hasse ich den Absolutismus, sei er monarchisch oder demokratisch.“ Er lernte die Auswüchse der Demokratie aus nächster Nähe kennen, denn er lebte in einem Sklavenstaate und erfreute sich der persönlichen Bekanntschaft des Senators Marcy, des Vaters jener Losung: „Dem Sieger gehört die Beute.“ Und diesen verderblichen Richtungen suchte er entgegenzutreten in seinen Schriften und Lehren mit seiner Hauptrechtsmaxime: Kein Recht ohne Pflicht,

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Zitationshilfe: Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/30>, abgerufen am 19.04.2024.