von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.Mancher Mann hatte sich ihr mit schönen Worten genähert, wenn sie von einem Vortrag in Berlin oder billigeren Stadteinkäufen zurückfuhr. Aber Indra war zwar eine romantische, doch eine durchaus loyale Natur. Sie haßte das leichte, galante Abenteuer, die Flirts der Ladenfräuleins. Sie schmachtete nach dem Wunder, nach der großen Liebe, dem Hohenlied ihres Lebens. Dies aber würde nimmer im Alltag beginnen. Wie sie den Alltag haßte! Fast wie einen lebenden Feind, der ihre Seele erwürgen wollte. -- Sie hatte sich ein Leihbibliotheks-Abonnement buchstäblich vom Munde abgespart, und nun las sie, nicht wahllos, denn sie besaß Kritik und Geschmack, aber ziellos die ganze neuere, neue und neueste Literatur. Mit den Klassikern hatte sie ihr Vater schon als Kind bekannt gemacht. Aber neuerdings war Ibsen ihr Gott, und sie wartete mit Nora auf das Wunderbare und wollte mit Hedda Gabler nur in Schönheit sterben. Eine lebende, persönliche Religion besaß sie noch nicht, aber eine gewisse romantische Frömmigkeit. Es war so beruhigend, zu denken, daß Mancher Mann hatte sich ihr mit schönen Worten genähert, wenn sie von einem Vortrag in Berlin oder billigeren Stadteinkäufen zurückfuhr. Aber Indra war zwar eine romantische, doch eine durchaus loyale Natur. Sie haßte das leichte, galante Abenteuer, die Flirts der Ladenfräuleins. Sie schmachtete nach dem Wunder, nach der großen Liebe, dem Hohenlied ihres Lebens. Dies aber würde nimmer im Alltag beginnen. Wie sie den Alltag haßte! Fast wie einen lebenden Feind, der ihre Seele erwürgen wollte. — Sie hatte sich ein Leihbibliotheks-Abonnement buchstäblich vom Munde abgespart, und nun las sie, nicht wahllos, denn sie besaß Kritik und Geschmack, aber ziellos die ganze neuere, neue und neueste Literatur. Mit den Klassikern hatte sie ihr Vater schon als Kind bekannt gemacht. Aber neuerdings war Ibsen ihr Gott, und sie wartete mit Nora auf das Wunderbare und wollte mit Hedda Gabler nur in Schönheit sterben. Eine lebende, persönliche Religion besaß sie noch nicht, aber eine gewisse romantische Frömmigkeit. Es war so beruhigend, zu denken, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0022" n="23"/> <p>Mancher Mann hatte sich ihr mit schönen Worten genähert, wenn sie von einem Vortrag in Berlin oder billigeren Stadteinkäufen zurückfuhr. Aber Indra war zwar eine romantische, doch eine durchaus loyale Natur. Sie haßte das leichte, galante Abenteuer, die Flirts der Ladenfräuleins. Sie schmachtete nach dem Wunder, nach der großen Liebe, dem Hohenlied ihres Lebens. Dies aber würde nimmer im Alltag beginnen. <hi rendition="#g">Wie</hi> sie den Alltag haßte! Fast wie einen lebenden Feind, der ihre Seele erwürgen wollte. — Sie hatte sich ein Leihbibliotheks-Abonnement buchstäblich vom Munde abgespart, und nun las sie, nicht wahllos, denn sie besaß Kritik und Geschmack, aber ziellos die ganze neuere, neue und neueste Literatur. Mit den Klassikern hatte sie ihr Vater schon als Kind bekannt gemacht. Aber neuerdings war Ibsen ihr Gott, und sie wartete mit Nora auf das Wunderbare und wollte mit Hedda Gabler nur in Schönheit sterben.</p> <p>Eine lebende, persönliche Religion besaß sie noch nicht, aber eine gewisse romantische Frömmigkeit. Es war so beruhigend, zu denken, daß </p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0022]
Mancher Mann hatte sich ihr mit schönen Worten genähert, wenn sie von einem Vortrag in Berlin oder billigeren Stadteinkäufen zurückfuhr. Aber Indra war zwar eine romantische, doch eine durchaus loyale Natur. Sie haßte das leichte, galante Abenteuer, die Flirts der Ladenfräuleins. Sie schmachtete nach dem Wunder, nach der großen Liebe, dem Hohenlied ihres Lebens. Dies aber würde nimmer im Alltag beginnen. Wie sie den Alltag haßte! Fast wie einen lebenden Feind, der ihre Seele erwürgen wollte. — Sie hatte sich ein Leihbibliotheks-Abonnement buchstäblich vom Munde abgespart, und nun las sie, nicht wahllos, denn sie besaß Kritik und Geschmack, aber ziellos die ganze neuere, neue und neueste Literatur. Mit den Klassikern hatte sie ihr Vater schon als Kind bekannt gemacht. Aber neuerdings war Ibsen ihr Gott, und sie wartete mit Nora auf das Wunderbare und wollte mit Hedda Gabler nur in Schönheit sterben.
Eine lebende, persönliche Religion besaß sie noch nicht, aber eine gewisse romantische Frömmigkeit. Es war so beruhigend, zu denken, daß
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