Rajahen sind verpflichtet, für den Unterhalt der Braminen zu sorgen. Zu dem Ende hat man ihnen gewisse Dörfer angewiesen, von de- ren Einkünften sie mit samt ihren Familien er- nährt werden. Indessen reichen doch die Ein- künfte, die von den angewiesenen Dörfern ge- zogen werden, noch lange nicht hin, eine so an- sehnliche Zunft zu unterhalten. Das ganze Land muß sie erhalten.
Wenn die Bramiuen ihre Söhne verheyra- then, so sehen sie dahin, daß sie ein Mägdchen aus ihrem eignen Stamme bekommen, welche ihre monatliche Reinigung noch nicht gehabt. Wenn sie die Familie besuchen, aus welcher sie ihrem Sohne ein Weib wählen, so geben sie auf alle Kleinigkeiten Acht, die sie für eine böse Ahndung halten, und wenn sie dergleichen drey- mal sehen, so stehen sie von ihrem Vorhaben ab. Sobald dem Vater des Mägdchens das Vorhaben eröfnet ist, so verlangt dieser gemei- niglich, den Freyer zu sehen; und wenn er ihm gefällt, und die Ausstattung, die er bekommen soll, ihm angenehm ist, so steht es dem Jüng- linge frey, die Familie zu besuchen. Wenn die Heyrath geschlossen ist, und der Vater die Hand seiner Tochter dem ihr zugedachten Bräutigam gegeben hat, so nimmt dieser letzte das Tali, ein kleiner Gürtel, der mit einem goldenen Kopfe eines Götzen geheftet ist, und legt es sei-
ner
Rajahen ſind verpflichtet, fuͤr den Unterhalt der Braminen zu ſorgen. Zu dem Ende hat man ihnen gewiſſe Doͤrfer angewieſen, von de- ren Einkuͤnften ſie mit ſamt ihren Familien er- naͤhrt werden. Indeſſen reichen doch die Ein- kuͤnfte, die von den angewieſenen Doͤrfern ge- zogen werden, noch lange nicht hin, eine ſo an- ſehnliche Zunft zu unterhalten. Das ganze Land muß ſie erhalten.
Wenn die Bramiuen ihre Soͤhne verheyra- then, ſo ſehen ſie dahin, daß ſie ein Maͤgdchen aus ihrem eignen Stamme bekommen, welche ihre monatliche Reinigung noch nicht gehabt. Wenn ſie die Familie beſuchen, aus welcher ſie ihrem Sohne ein Weib waͤhlen, ſo geben ſie auf alle Kleinigkeiten Acht, die ſie fuͤr eine boͤſe Ahndung halten, und wenn ſie dergleichen drey- mal ſehen, ſo ſtehen ſie von ihrem Vorhaben ab. Sobald dem Vater des Maͤgdchens das Vorhaben eroͤfnet iſt, ſo verlangt dieſer gemei- niglich, den Freyer zu ſehen; und wenn er ihm gefaͤllt, und die Ausſtattung, die er bekommen ſoll, ihm angenehm iſt, ſo ſteht es dem Juͤng- linge frey, die Familie zu beſuchen. Wenn die Heyrath geſchloſſen iſt, und der Vater die Hand ſeiner Tochter dem ihr zugedachten Braͤutigam gegeben hat, ſo nimmt dieſer letzte das Tali, ein kleiner Guͤrtel, der mit einem goldenen Kopfe eines Goͤtzen geheftet iſt, und legt es ſei-
ner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0508"n="482"/>
Rajahen ſind verpflichtet, fuͤr den Unterhalt<lb/>
der Braminen zu ſorgen. Zu dem Ende hat<lb/>
man ihnen gewiſſe Doͤrfer angewieſen, von de-<lb/>
ren Einkuͤnften ſie mit ſamt ihren Familien er-<lb/>
naͤhrt werden. Indeſſen reichen doch die Ein-<lb/>
kuͤnfte, die von den angewieſenen Doͤrfern ge-<lb/>
zogen werden, noch lange nicht hin, eine ſo an-<lb/>ſehnliche Zunft zu unterhalten. Das ganze<lb/>
Land muß ſie erhalten.</p><lb/><p>Wenn die Bramiuen ihre Soͤhne verheyra-<lb/>
then, ſo ſehen ſie dahin, daß ſie ein Maͤgdchen<lb/>
aus ihrem eignen Stamme bekommen, welche<lb/>
ihre monatliche Reinigung noch nicht gehabt.<lb/>
Wenn ſie die Familie beſuchen, aus welcher ſie<lb/>
ihrem Sohne ein Weib waͤhlen, ſo geben ſie auf<lb/>
alle Kleinigkeiten Acht, die ſie fuͤr eine boͤſe<lb/>
Ahndung halten, und wenn ſie dergleichen drey-<lb/>
mal ſehen, ſo ſtehen ſie von ihrem Vorhaben<lb/>
ab. Sobald dem Vater des Maͤgdchens das<lb/>
Vorhaben eroͤfnet iſt, ſo verlangt dieſer gemei-<lb/>
niglich, den Freyer zu ſehen; und wenn er ihm<lb/>
gefaͤllt, und die Ausſtattung, die er bekommen<lb/>ſoll, ihm angenehm iſt, ſo ſteht es dem Juͤng-<lb/>
linge frey, die Familie zu beſuchen. Wenn die<lb/>
Heyrath geſchloſſen iſt, und der Vater die Hand<lb/>ſeiner Tochter dem ihr zugedachten Braͤutigam<lb/>
gegeben hat, ſo nimmt dieſer letzte das <hirendition="#fr">Tali,</hi><lb/>
ein kleiner Guͤrtel, der mit einem goldenen<lb/>
Kopfe eines Goͤtzen geheftet iſt, und legt es ſei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ner</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[482/0508]
Rajahen ſind verpflichtet, fuͤr den Unterhalt
der Braminen zu ſorgen. Zu dem Ende hat
man ihnen gewiſſe Doͤrfer angewieſen, von de-
ren Einkuͤnften ſie mit ſamt ihren Familien er-
naͤhrt werden. Indeſſen reichen doch die Ein-
kuͤnfte, die von den angewieſenen Doͤrfern ge-
zogen werden, noch lange nicht hin, eine ſo an-
ſehnliche Zunft zu unterhalten. Das ganze
Land muß ſie erhalten.
Wenn die Bramiuen ihre Soͤhne verheyra-
then, ſo ſehen ſie dahin, daß ſie ein Maͤgdchen
aus ihrem eignen Stamme bekommen, welche
ihre monatliche Reinigung noch nicht gehabt.
Wenn ſie die Familie beſuchen, aus welcher ſie
ihrem Sohne ein Weib waͤhlen, ſo geben ſie auf
alle Kleinigkeiten Acht, die ſie fuͤr eine boͤſe
Ahndung halten, und wenn ſie dergleichen drey-
mal ſehen, ſo ſtehen ſie von ihrem Vorhaben
ab. Sobald dem Vater des Maͤgdchens das
Vorhaben eroͤfnet iſt, ſo verlangt dieſer gemei-
niglich, den Freyer zu ſehen; und wenn er ihm
gefaͤllt, und die Ausſtattung, die er bekommen
ſoll, ihm angenehm iſt, ſo ſteht es dem Juͤng-
linge frey, die Familie zu beſuchen. Wenn die
Heyrath geſchloſſen iſt, und der Vater die Hand
ſeiner Tochter dem ihr zugedachten Braͤutigam
gegeben hat, ſo nimmt dieſer letzte das Tali,
ein kleiner Guͤrtel, der mit einem goldenen
Kopfe eines Goͤtzen geheftet iſt, und legt es ſei-
ner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/508>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.