Reise dieß verursacht, oder weil sie ihren wahren Zustand nicht entdecken wollen *).
Sonderbar bleibt es bey allen dem, daß vornehme Leute eine dergleichen Pilgerschaft sehr selten in eigner Person unternehmen, sondern gemeiniglich einen an ihre Stelle schicken. Der gemeine Mann aber hält dieß für Unrecht, und er würde es für eine Sünde halten, wenn er nicht alle Jahre seine Pilgerschaft anträte. -- Einige reisen zu Pferde, andere laßen sich in Sänften tragen, und die, welche beydes zu thun nicht vermögen -- gehen zu Fuße. Auf dem Rücken befestigen sie eine Matte von Stroh, die ihnen statt des Bettes dient. In der Hand tragen sie einen Stock, und an den Gür- tel binden sie eine Büchse, worinn sie Allmosen annehmen. Auf dem Kopfe haben sie, wenig- stens die meisten, einen von Rohr geflochtenen Huth, an welchem ihr Name, Geburtsort, Ge- gend von der sie kommen, zu lesen ist, damit man sie, dafern sie unter Wegens das Zeitliche seegnen sollten, erkennen, und der Obrigkeit des Orts, besonders aber den Personen, die für ih- re Zurückkunft cavirt haben, Nachricht davon geben könne.
Wenn nun ein Pilger nach dem heiligen Orte abreißt; so hängt er ein Strick mit gehack-
tem
*) Denn ein solches Geständniß, würde sie für un- rein erklären, und dem Spott und der Verach- tung der Pilger aussetzen.
B 4
Reiſe dieß verurſacht, oder weil ſie ihren wahren Zuſtand nicht entdecken wollen *).
Sonderbar bleibt es bey allen dem, daß vornehme Leute eine dergleichen Pilgerſchaft ſehr ſelten in eigner Perſon unternehmen, ſondern gemeiniglich einen an ihre Stelle ſchicken. Der gemeine Mann aber haͤlt dieß fuͤr Unrecht, und er wuͤrde es fuͤr eine Suͤnde halten, wenn er nicht alle Jahre ſeine Pilgerſchaft antraͤte. — Einige reiſen zu Pferde, andere laßen ſich in Saͤnften tragen, und die, welche beydes zu thun nicht vermoͤgen — gehen zu Fuße. Auf dem Ruͤcken befeſtigen ſie eine Matte von Stroh, die ihnen ſtatt des Bettes dient. In der Hand tragen ſie einen Stock, und an den Guͤr- tel binden ſie eine Buͤchſe, worinn ſie Allmoſen annehmen. Auf dem Kopfe haben ſie, wenig- ſtens die meiſten, einen von Rohr geflochtenen Huth, an welchem ihr Name, Geburtsort, Ge- gend von der ſie kommen, zu leſen iſt, damit man ſie, dafern ſie unter Wegens das Zeitliche ſeegnen ſollten, erkennen, und der Obrigkeit des Orts, beſonders aber den Perſonen, die fuͤr ih- re Zuruͤckkunft cavirt haben, Nachricht davon geben koͤnne.
Wenn nun ein Pilger nach dem heiligen Orte abreißt; ſo haͤngt er ein Strick mit gehack-
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*) Denn ein ſolches Geſtaͤndniß, wuͤrde ſie fuͤr un- rein erklaͤren, und dem Spott und der Verach- tung der Pilger ausſetzen.
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[23/0049]
Reiſe dieß verurſacht, oder weil ſie ihren wahren
Zuſtand nicht entdecken wollen *).
Sonderbar bleibt es bey allen dem, daß
vornehme Leute eine dergleichen Pilgerſchaft ſehr
ſelten in eigner Perſon unternehmen, ſondern
gemeiniglich einen an ihre Stelle ſchicken. Der
gemeine Mann aber haͤlt dieß fuͤr Unrecht, und
er wuͤrde es fuͤr eine Suͤnde halten, wenn er
nicht alle Jahre ſeine Pilgerſchaft antraͤte. —
Einige reiſen zu Pferde, andere laßen ſich in
Saͤnften tragen, und die, welche beydes zu
thun nicht vermoͤgen — gehen zu Fuße. Auf
dem Ruͤcken befeſtigen ſie eine Matte von
Stroh, die ihnen ſtatt des Bettes dient. In der
Hand tragen ſie einen Stock, und an den Guͤr-
tel binden ſie eine Buͤchſe, worinn ſie Allmoſen
annehmen. Auf dem Kopfe haben ſie, wenig-
ſtens die meiſten, einen von Rohr geflochtenen
Huth, an welchem ihr Name, Geburtsort, Ge-
gend von der ſie kommen, zu leſen iſt, damit
man ſie, dafern ſie unter Wegens das Zeitliche
ſeegnen ſollten, erkennen, und der Obrigkeit des
Orts, beſonders aber den Perſonen, die fuͤr ih-
re Zuruͤckkunft cavirt haben, Nachricht davon
geben koͤnne.
Wenn nun ein Pilger nach dem heiligen
Orte abreißt; ſo haͤngt er ein Strick mit gehack-
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*) Denn ein ſolches Geſtaͤndniß, wuͤrde ſie fuͤr un-
rein erklaͤren, und dem Spott und der Verach-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/49>, abgerufen am 31.01.2025.
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