Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Demungeachtet werden sie für allwissend, all-
gegenwärtig, heilig, gerecht und gütig gehal-
ten. Und aus diesem Grunde, sagen die
Braminen, müßte man sein Gebet zu ihnen
wenden.

Man muß aber dieß nicht als die Mey-
nung aller Braminen, noch vielweniger für die
Meynung des Volks ansehen, sondern nur als
Meynungen besonderer Sekten und Privat-
leute betrachten. Denn man weiß, daß so-
wohl die Braminen als das, Volk diesen drey
Wesen höhere Vorrechte beylegen, und einige
den Vistnou für den höchsten Gott erklären,
andere den Ischuren dafür wollen angesehen
wissen. Ein jeder streitet für seine Parthey,
daher unter ihnen der Unterschied zwischen
Vistnouvisten und Ischurenisten. -- Die-
sen drey Göttern hat man ein Geschlechtsregi-
ster beygelegt, das nach der Willkühr völlig
eingerichtet zu seyn scheint. Die Malabaren
glauben, diese drey Götter wären von der Göt-
tin Chatti gebohren worden. Andere sagen,
daß das Volk den Ursprung aller Dinge in der
Linga, oder den geheimen Zeigungsgliedern
ihres Gottes Ischora, suche. Linga soll von
einem Ey entstanden seyn, in welches sich die
Ischurrette verwandelt; andere hingegen sagen,
daß Linga die Gottheit selbst sey.

Die Braminen und Hindistaner scheinen
dem Brama anzuhangen. Die in Karnate

ziehen

Demungeachtet werden ſie fuͤr allwiſſend, all-
gegenwaͤrtig, heilig, gerecht und guͤtig gehal-
ten. Und aus dieſem Grunde, ſagen die
Braminen, muͤßte man ſein Gebet zu ihnen
wenden.

Man muß aber dieß nicht als die Mey-
nung aller Braminen, noch vielweniger fuͤr die
Meynung des Volks anſehen, ſondern nur als
Meynungen beſonderer Sekten und Privat-
leute betrachten. Denn man weiß, daß ſo-
wohl die Braminen als das, Volk dieſen drey
Weſen hoͤhere Vorrechte beylegen, und einige
den Viſtnou fuͤr den hoͤchſten Gott erklaͤren,
andere den Iſchuren dafuͤr wollen angeſehen
wiſſen. Ein jeder ſtreitet fuͤr ſeine Parthey,
daher unter ihnen der Unterſchied zwiſchen
Viſtnouviſten und Iſchureniſten. — Die-
ſen drey Goͤttern hat man ein Geſchlechtsregi-
ſter beygelegt, das nach der Willkuͤhr voͤllig
eingerichtet zu ſeyn ſcheint. Die Malabaren
glauben, dieſe drey Goͤtter waͤren von der Goͤt-
tin Chatti gebohren worden. Andere ſagen,
daß das Volk den Urſprung aller Dinge in der
Linga, oder den geheimen Zeigungsgliedern
ihres Gottes Iſchora, ſuche. Linga ſoll von
einem Ey entſtanden ſeyn, in welches ſich die
Iſchurrette verwandelt; andere hingegen ſagen,
daß Linga die Gottheit ſelbſt ſey.

Die Braminen und Hindiſtaner ſcheinen
dem Brama anzuhangen. Die in Karnate

ziehen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0485" n="459"/>
Demungeachtet werden &#x017F;ie fu&#x0364;r allwi&#x017F;&#x017F;end, all-<lb/>
gegenwa&#x0364;rtig, heilig, gerecht und gu&#x0364;tig gehal-<lb/>
ten. Und aus die&#x017F;em Grunde, &#x017F;agen die<lb/>
Braminen, mu&#x0364;ßte man &#x017F;ein Gebet zu ihnen<lb/>
wenden.</p><lb/>
          <p>Man muß aber dieß nicht als die Mey-<lb/>
nung aller Braminen, noch vielweniger fu&#x0364;r die<lb/>
Meynung des Volks an&#x017F;ehen, &#x017F;ondern nur als<lb/>
Meynungen be&#x017F;onderer Sekten und Privat-<lb/>
leute betrachten. Denn man weiß, daß &#x017F;o-<lb/>
wohl die Braminen als das, Volk die&#x017F;en drey<lb/>
We&#x017F;en ho&#x0364;here Vorrechte beylegen, und einige<lb/>
den <hi rendition="#fr">Vi&#x017F;tnou</hi> fu&#x0364;r den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gott erkla&#x0364;ren,<lb/>
andere den I&#x017F;churen dafu&#x0364;r wollen ange&#x017F;ehen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. Ein jeder &#x017F;treitet fu&#x0364;r &#x017F;eine Parthey,<lb/>
daher unter ihnen der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#fr">Vi&#x017F;tnouvi&#x017F;ten</hi> und <hi rendition="#fr">I&#x017F;chureni&#x017F;ten.</hi> &#x2014; Die-<lb/>
&#x017F;en drey Go&#x0364;ttern hat man ein Ge&#x017F;chlechtsregi-<lb/>
&#x017F;ter beygelegt, das nach der Willku&#x0364;hr vo&#x0364;llig<lb/>
eingerichtet zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint. Die <hi rendition="#fr">Malabaren</hi><lb/>
glauben, die&#x017F;e drey Go&#x0364;tter wa&#x0364;ren von der Go&#x0364;t-<lb/>
tin <hi rendition="#fr">Chatti</hi> gebohren worden. Andere &#x017F;agen,<lb/>
daß das Volk den Ur&#x017F;prung aller Dinge in der<lb/><hi rendition="#fr">Linga,</hi> oder den geheimen Zeigungsgliedern<lb/>
ihres Gottes I&#x017F;chora, &#x017F;uche. <hi rendition="#fr">Linga</hi> &#x017F;oll von<lb/>
einem Ey ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn, in welches &#x017F;ich die<lb/>
I&#x017F;churrette verwandelt; andere hingegen &#x017F;agen,<lb/>
daß <hi rendition="#fr">Linga</hi> die Gottheit &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Braminen</hi> und <hi rendition="#fr">Hindi&#x017F;taner</hi> &#x017F;cheinen<lb/>
dem <hi rendition="#fr">Brama</hi> anzuhangen. Die in Karnate<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ziehen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0485] Demungeachtet werden ſie fuͤr allwiſſend, all- gegenwaͤrtig, heilig, gerecht und guͤtig gehal- ten. Und aus dieſem Grunde, ſagen die Braminen, muͤßte man ſein Gebet zu ihnen wenden. Man muß aber dieß nicht als die Mey- nung aller Braminen, noch vielweniger fuͤr die Meynung des Volks anſehen, ſondern nur als Meynungen beſonderer Sekten und Privat- leute betrachten. Denn man weiß, daß ſo- wohl die Braminen als das, Volk dieſen drey Weſen hoͤhere Vorrechte beylegen, und einige den Viſtnou fuͤr den hoͤchſten Gott erklaͤren, andere den Iſchuren dafuͤr wollen angeſehen wiſſen. Ein jeder ſtreitet fuͤr ſeine Parthey, daher unter ihnen der Unterſchied zwiſchen Viſtnouviſten und Iſchureniſten. — Die- ſen drey Goͤttern hat man ein Geſchlechtsregi- ſter beygelegt, das nach der Willkuͤhr voͤllig eingerichtet zu ſeyn ſcheint. Die Malabaren glauben, dieſe drey Goͤtter waͤren von der Goͤt- tin Chatti gebohren worden. Andere ſagen, daß das Volk den Urſprung aller Dinge in der Linga, oder den geheimen Zeigungsgliedern ihres Gottes Iſchora, ſuche. Linga ſoll von einem Ey entſtanden ſeyn, in welches ſich die Iſchurrette verwandelt; andere hingegen ſagen, daß Linga die Gottheit ſelbſt ſey. Die Braminen und Hindiſtaner ſcheinen dem Brama anzuhangen. Die in Karnate ziehen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/485
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/485>, abgerufen am 22.11.2024.