Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

daß einer, der mit einem Fieber behaftet sey,
nicht viel Nahrung nöthig habe; daß die Ent-
haltsamkeit bey allen Arten von Krankheiten das
beste Mittel sey; daß für einen kranken Körper
nichts schädlicher sey, als Fleischbrühe, und
daß nichts eher in dem Magen eines Patienten
verderbe, als dieselbe; daß niemals müße Blut
gelassen werden, ausgenommen in der größesten
und augenscheinlichsten Gefahr, als, wenn man
eine Raserey vermuthet, oder wenn ein wichti-
ger Theil, als die Brust, die Leber oder die
Niere inflammirt worden sey. Diese Heilme-
thode, welche in Indien sehr glücklich ablauft,
wird auch von den mohammedanischen Aerzten,
sonderlich in Ansehung der Fleischbrühe, ange-
rathen.

In Bengalen darf es kein Arzt wagen, ei-
nen Kranken zu besuchen, wenn er nicht die ei-
gentliche Krankheit und den Zustand seiner Lei-
besbeschaffenheit kennt. Dieß thut er mit we-
niger Mühe, wenn er nur nach den Puls fühlt.
Die meisten lassen einen Tropfen Wasser in den
Urin des Patienten fallen. Zertheilt sich der-
selbe; so sagen sie, er habe starke innerliche
Hitze: thut er es aber nicht; so zeigt es einen
Mangel der Hitze an. -- Bey allen dem ver-
stehen die Hindistianer fast gar nichts von der
Anatomie. Hierüber darf man sich auch nicht
wundern, da es ihnen gänzlich an Gelegenheit
fehlt, den Körper eines Menschen oder eines
Thiers zu öfnen. Sie behaupten aber doch,

daß

daß einer, der mit einem Fieber behaftet ſey,
nicht viel Nahrung noͤthig habe; daß die Ent-
haltſamkeit bey allen Arten von Krankheiten das
beſte Mittel ſey; daß fuͤr einen kranken Koͤrper
nichts ſchaͤdlicher ſey, als Fleiſchbruͤhe, und
daß nichts eher in dem Magen eines Patienten
verderbe, als dieſelbe; daß niemals muͤße Blut
gelaſſen werden, ausgenommen in der groͤßeſten
und augenſcheinlichſten Gefahr, als, wenn man
eine Raſerey vermuthet, oder wenn ein wichti-
ger Theil, als die Bruſt, die Leber oder die
Niere inflammirt worden ſey. Dieſe Heilme-
thode, welche in Indien ſehr gluͤcklich ablauft,
wird auch von den mohammedaniſchen Aerzten,
ſonderlich in Anſehung der Fleiſchbruͤhe, ange-
rathen.

In Bengalen darf es kein Arzt wagen, ei-
nen Kranken zu beſuchen, wenn er nicht die ei-
gentliche Krankheit und den Zuſtand ſeiner Lei-
besbeſchaffenheit kennt. Dieß thut er mit we-
niger Muͤhe, wenn er nur nach den Puls fuͤhlt.
Die meiſten laſſen einen Tropfen Waſſer in den
Urin des Patienten fallen. Zertheilt ſich der-
ſelbe; ſo ſagen ſie, er habe ſtarke innerliche
Hitze: thut er es aber nicht; ſo zeigt es einen
Mangel der Hitze an. — Bey allen dem ver-
ſtehen die Hindiſtianer faſt gar nichts von der
Anatomie. Hieruͤber darf man ſich auch nicht
wundern, da es ihnen gaͤnzlich an Gelegenheit
fehlt, den Koͤrper eines Menſchen oder eines
Thiers zu oͤfnen. Sie behaupten aber doch,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0428" n="402"/>
daß einer, der mit einem Fieber behaftet &#x017F;ey,<lb/>
nicht viel Nahrung no&#x0364;thig habe; daß die Ent-<lb/>
halt&#x017F;amkeit bey allen Arten von Krankheiten das<lb/>
be&#x017F;te Mittel &#x017F;ey; daß fu&#x0364;r einen kranken Ko&#x0364;rper<lb/>
nichts &#x017F;cha&#x0364;dlicher &#x017F;ey, als Flei&#x017F;chbru&#x0364;he, und<lb/>
daß nichts eher in dem Magen eines Patienten<lb/>
verderbe, als die&#x017F;elbe; daß niemals mu&#x0364;ße Blut<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en werden, ausgenommen in der gro&#x0364;ße&#x017F;ten<lb/>
und augen&#x017F;cheinlich&#x017F;ten Gefahr, als, wenn man<lb/>
eine Ra&#x017F;erey vermuthet, oder wenn ein wichti-<lb/>
ger Theil, als die Bru&#x017F;t, die Leber oder die<lb/>
Niere inflammirt worden &#x017F;ey. Die&#x017F;e Heilme-<lb/>
thode, welche in Indien &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich ablauft,<lb/>
wird auch von den mohammedani&#x017F;chen Aerzten,<lb/>
&#x017F;onderlich in An&#x017F;ehung der Flei&#x017F;chbru&#x0364;he, ange-<lb/>
rathen.</p><lb/>
          <p>In Bengalen darf es kein Arzt wagen, ei-<lb/>
nen Kranken zu be&#x017F;uchen, wenn er nicht die ei-<lb/>
gentliche Krankheit und den Zu&#x017F;tand &#x017F;einer Lei-<lb/>
besbe&#x017F;chaffenheit kennt. Dieß thut er mit we-<lb/>
niger Mu&#x0364;he, wenn er nur nach den Puls fu&#x0364;hlt.<lb/>
Die mei&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en einen Tropfen Wa&#x017F;&#x017F;er in den<lb/>
Urin des Patienten fallen. Zertheilt &#x017F;ich der-<lb/>
&#x017F;elbe; &#x017F;o &#x017F;agen &#x017F;ie, er habe &#x017F;tarke innerliche<lb/>
Hitze: thut er es aber nicht; &#x017F;o zeigt es einen<lb/>
Mangel der Hitze an. &#x2014; Bey allen dem ver-<lb/>
&#x017F;tehen die Hindi&#x017F;tianer fa&#x017F;t gar nichts von der<lb/>
Anatomie. Hieru&#x0364;ber darf man &#x017F;ich auch nicht<lb/>
wundern, da es ihnen ga&#x0364;nzlich an Gelegenheit<lb/>
fehlt, den Ko&#x0364;rper eines Men&#x017F;chen oder eines<lb/>
Thiers zu o&#x0364;fnen. Sie behaupten aber doch,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0428] daß einer, der mit einem Fieber behaftet ſey, nicht viel Nahrung noͤthig habe; daß die Ent- haltſamkeit bey allen Arten von Krankheiten das beſte Mittel ſey; daß fuͤr einen kranken Koͤrper nichts ſchaͤdlicher ſey, als Fleiſchbruͤhe, und daß nichts eher in dem Magen eines Patienten verderbe, als dieſelbe; daß niemals muͤße Blut gelaſſen werden, ausgenommen in der groͤßeſten und augenſcheinlichſten Gefahr, als, wenn man eine Raſerey vermuthet, oder wenn ein wichti- ger Theil, als die Bruſt, die Leber oder die Niere inflammirt worden ſey. Dieſe Heilme- thode, welche in Indien ſehr gluͤcklich ablauft, wird auch von den mohammedaniſchen Aerzten, ſonderlich in Anſehung der Fleiſchbruͤhe, ange- rathen. In Bengalen darf es kein Arzt wagen, ei- nen Kranken zu beſuchen, wenn er nicht die ei- gentliche Krankheit und den Zuſtand ſeiner Lei- besbeſchaffenheit kennt. Dieß thut er mit we- niger Muͤhe, wenn er nur nach den Puls fuͤhlt. Die meiſten laſſen einen Tropfen Waſſer in den Urin des Patienten fallen. Zertheilt ſich der- ſelbe; ſo ſagen ſie, er habe ſtarke innerliche Hitze: thut er es aber nicht; ſo zeigt es einen Mangel der Hitze an. — Bey allen dem ver- ſtehen die Hindiſtianer faſt gar nichts von der Anatomie. Hieruͤber darf man ſich auch nicht wundern, da es ihnen gaͤnzlich an Gelegenheit fehlt, den Koͤrper eines Menſchen oder eines Thiers zu oͤfnen. Sie behaupten aber doch, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/428
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/428>, abgerufen am 25.11.2024.