dem Holzgerüste zu folgen, und sich mit ihm zugleich zu verbrennen.
Bernier, ein zuverläßiger Reisebeschreiber, erzählt, er habe es oft mit angesehen, daß sich Weiber mit so vieler Standhaftigkeit verbrann- ten, als man nicht beschreiben könnte. Er kam einsmal an einen Ort, wo er vier bis fünf Braminen einen Holzhaufen anzünden sah, auf dem ein Weib neben der Leiche ihres Mannes saß; und überdieß tanzten und sangen noch fünf andere Frauenspersonen, die sich einander bey den Händen angefaßt hatten, um die Gru- be herum. Sogleich stund alles um das Weib herum in Flamme, die doch ganz ruhig und gelassen dabey zu seyn schien. Was aber noch erstaunender war; so stürzte sich ganz unvermu- thet eine von den Tänzerinnen ins Feuer, und die übrigen thaten alle nach einander ein glei- ches, ohne daß man die geringste Furchtsamkeit bey ihnen bemerkt hätte.
Bey manchem Frauenzimmer ist aber doch eine merkliche Furcht, wenn es sich will verbrennen lassen. Und manche würde oftmals sehr gerne wieder absrehen, wenn sie nur könnte. Denn die Braminen, die mit ihren großen Stangen gegenwärtig sind, setzen sie in eine solche Furcht und Schrecken, daß sie oft ganz betäubt da ste- hen. Können sie ihnen aber keinen Muth ma- chen; so stoßen sie dieselben gar selbst ins Feuer. Man kann das gottlose Betragen der Brami- nen bey solchen Vorfallenheiten, nicht abscheu-
lich
dem Holzgeruͤſte zu folgen, und ſich mit ihm zugleich zu verbrennen.
Bernier, ein zuverlaͤßiger Reiſebeſchreiber, erzaͤhlt, er habe es oft mit angeſehen, daß ſich Weiber mit ſo vieler Standhaftigkeit verbrann- ten, als man nicht beſchreiben koͤnnte. Er kam einsmal an einen Ort, wo er vier bis fuͤnf Braminen einen Holzhaufen anzuͤnden ſah, auf dem ein Weib neben der Leiche ihres Mannes ſaß; und uͤberdieß tanzten und ſangen noch fuͤnf andere Frauensperſonen, die ſich einander bey den Haͤnden angefaßt hatten, um die Gru- be herum. Sogleich ſtund alles um das Weib herum in Flamme, die doch ganz ruhig und gelaſſen dabey zu ſeyn ſchien. Was aber noch erſtaunender war; ſo ſtuͤrzte ſich ganz unvermu- thet eine von den Taͤnzerinnen ins Feuer, und die uͤbrigen thaten alle nach einander ein glei- ches, ohne daß man die geringſte Furchtſamkeit bey ihnen bemerkt haͤtte.
Bey manchem Frauenzimmer iſt aber doch eine merkliche Furcht, wenn es ſich will verbrennen laſſen. Und manche wuͤrde oftmals ſehr gerne wieder abſrehen, wenn ſie nur koͤnnte. Denn die Braminen, die mit ihren großen Stangen gegenwaͤrtig ſind, ſetzen ſie in eine ſolche Furcht und Schrecken, daß ſie oft ganz betaͤubt da ſte- hen. Koͤnnen ſie ihnen aber keinen Muth ma- chen; ſo ſtoßen ſie dieſelben gar ſelbſt ins Feuer. Man kann das gottloſe Betragen der Brami- nen bey ſolchen Vorfallenheiten, nicht abſcheu-
lich
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dem Holzgeruͤſte zu folgen, und ſich mit ihm
zugleich zu verbrennen.
Bernier, ein zuverlaͤßiger Reiſebeſchreiber,
erzaͤhlt, er habe es oft mit angeſehen, daß ſich
Weiber mit ſo vieler Standhaftigkeit verbrann-
ten, als man nicht beſchreiben koͤnnte. Er
kam einsmal an einen Ort, wo er vier bis fuͤnf
Braminen einen Holzhaufen anzuͤnden ſah, auf
dem ein Weib neben der Leiche ihres Mannes
ſaß; und uͤberdieß tanzten und ſangen noch
fuͤnf andere Frauensperſonen, die ſich einander
bey den Haͤnden angefaßt hatten, um die Gru-
be herum. Sogleich ſtund alles um das Weib
herum in Flamme, die doch ganz ruhig und
gelaſſen dabey zu ſeyn ſchien. Was aber noch
erſtaunender war; ſo ſtuͤrzte ſich ganz unvermu-
thet eine von den Taͤnzerinnen ins Feuer, und
die uͤbrigen thaten alle nach einander ein glei-
ches, ohne daß man die geringſte Furchtſamkeit
bey ihnen bemerkt haͤtte.
Bey manchem Frauenzimmer iſt aber doch
eine merkliche Furcht, wenn es ſich will verbrennen
laſſen. Und manche wuͤrde oftmals ſehr gerne
wieder abſrehen, wenn ſie nur koͤnnte. Denn
die Braminen, die mit ihren großen Stangen
gegenwaͤrtig ſind, ſetzen ſie in eine ſolche Furcht
und Schrecken, daß ſie oft ganz betaͤubt da ſte-
hen. Koͤnnen ſie ihnen aber keinen Muth ma-
chen; ſo ſtoßen ſie dieſelben gar ſelbſt ins Feuer.
Man kann das gottloſe Betragen der Brami-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/418>, abgerufen am 22.11.2024.
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