noch weniger sie küssen. Es ist so gar ei- ne Sünde, im Traume ein Frauenzimmer zu küssen, oder mit diesem Gedanken zu erwachen. Es ist ferner sündlich, zu viel zu schlafen, nicht gleich aufzustehen, son- dern sich vorher rechts und links im Bet- te herumzudrehen. Hauptsächlich wird für sündlich gehalten, seinen Nächsten zu richten, ihn verächtlich anzusehen, zu verspotten; ruhmredig zu seyn; zu beten, um gesehen zu werden; für Geld zu ar- beiten; mehr als ein Kleid zu haben; sich in Staatsangelegenheiten oder Hofver- ständniße zu mengen; den Kopf mit aller- ley Putz zu behengen; Schuhe zu tragen, auf Gold oder Silber zu essen; sich auf reiche Decken zu setzen; die Zähne vor den Leuten zu reinigen; zu husten oder ein Geräusch zu machen, wenn man junge Mägdchen sitzen sieht, daß sie sich umse- hen sollen. Und endlich sündigt ein Mönch, wenn er jemanden mit dem Ge- fängniße bedrohet, oder im Zorne sagt: er wolle sich beym Könige oder Minister beschweren; wenn er zu einem Sterben- den kommt, ihn einzusegnen, und nicht über die Nothwendigkeit des Todes seine Betrachtung anstellt.
Die Talapoins begeben sich alle Jahre drey Wochen lang in die Einsamkeit, in welcher sie
ihre
noch weniger ſie kuͤſſen. Es iſt ſo gar ei- ne Suͤnde, im Traume ein Frauenzimmer zu kuͤſſen, oder mit dieſem Gedanken zu erwachen. Es iſt ferner ſuͤndlich, zu viel zu ſchlafen, nicht gleich aufzuſtehen, ſon- dern ſich vorher rechts und links im Bet- te herumzudrehen. Hauptſaͤchlich wird fuͤr ſuͤndlich gehalten, ſeinen Naͤchſten zu richten, ihn veraͤchtlich anzuſehen, zu verſpotten; ruhmredig zu ſeyn; zu beten, um geſehen zu werden; fuͤr Geld zu ar- beiten; mehr als ein Kleid zu haben; ſich in Staatsangelegenheiten oder Hofver- ſtaͤndniße zu mengen; den Kopf mit aller- ley Putz zu behengen; Schuhe zu tragen, auf Gold oder Silber zu eſſen; ſich auf reiche Decken zu ſetzen; die Zaͤhne vor den Leuten zu reinigen; zu huſten oder ein Geraͤuſch zu machen, wenn man junge Maͤgdchen ſitzen ſieht, daß ſie ſich umſe- hen ſollen. Und endlich ſuͤndigt ein Moͤnch, wenn er jemanden mit dem Ge- faͤngniße bedrohet, oder im Zorne ſagt: er wolle ſich beym Koͤnige oder Miniſter beſchweren; wenn er zu einem Sterben- den kommt, ihn einzuſegnen, und nicht uͤber die Nothwendigkeit des Todes ſeine Betrachtung anſtellt.
Die Talapoins begeben ſich alle Jahre drey Wochen lang in die Einſamkeit, in welcher ſie
ihre
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noch weniger ſie kuͤſſen. Es iſt ſo gar ei-
ne Suͤnde, im Traume ein Frauenzimmer
zu kuͤſſen, oder mit dieſem Gedanken zu
erwachen. Es iſt ferner ſuͤndlich, zu viel
zu ſchlafen, nicht gleich aufzuſtehen, ſon-
dern ſich vorher rechts und links im Bet-
te herumzudrehen. Hauptſaͤchlich wird
fuͤr ſuͤndlich gehalten, ſeinen Naͤchſten
zu richten, ihn veraͤchtlich anzuſehen, zu
verſpotten; ruhmredig zu ſeyn; zu beten,
um geſehen zu werden; fuͤr Geld zu ar-
beiten; mehr als ein Kleid zu haben; ſich
in Staatsangelegenheiten oder Hofver-
ſtaͤndniße zu mengen; den Kopf mit aller-
ley Putz zu behengen; Schuhe zu tragen,
auf Gold oder Silber zu eſſen; ſich auf
reiche Decken zu ſetzen; die Zaͤhne vor den
Leuten zu reinigen; zu huſten oder ein
Geraͤuſch zu machen, wenn man junge
Maͤgdchen ſitzen ſieht, daß ſie ſich umſe-
hen ſollen. Und endlich ſuͤndigt ein
Moͤnch, wenn er jemanden mit dem Ge-
faͤngniße bedrohet, oder im Zorne ſagt:
er wolle ſich beym Koͤnige oder Miniſter
beſchweren; wenn er zu einem Sterben-
den kommt, ihn einzuſegnen, und nicht
uͤber die Nothwendigkeit des Todes ſeine
Betrachtung anſtellt.
Die Talapoins begeben ſich alle Jahre drey
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/384>, abgerufen am 22.11.2024.
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